Konflikte drohen im öffentlichen Dienst und auf dem Bau
Im zweiten Jahr in Folge waren die Tarifverhandlungen 2019 überdurchschnittlich konfliktintensiv. Diesmal ging es in der Luftfahrtbranche besonders zur Sache. Dagegen könnte das Tarifjahr 2020 unterm Strich etwas ruhiger ausfallen.
- Im zweiten Jahr in Folge waren die Tarifverhandlungen sehr konfliktintensiv, besonders in der Luftfahrtbranche.
- Die Auseinandersetzungen zwischen der Flugbegleiter-Gewerkschaft UFO und der Lufthansa-Gruppe eskalierten in einem Warnstreik und zwei mehrtägigen Streikwellen.
- Allerdings zeichnet sich durch die Zurückhaltung in der Metall- und Elektro-Industrie bereits ab, dass 2020 ein ruhigeres Tarifjahr werden könnte.
Nach monatelangen Verhandlungen, drei Streikwellen und rund 2.000 Flugausfällen haben sich Lufthansa und die Kabinengewerkschaft UFO zu Beginn des Jahres auf eine Schlichtung verständigt. Fluggäste können also erst mal aufatmen, denn für die Dauer der Gespräche gibt es nun eine Friedenspflicht. Gerade für den Luftverkehr sind Schlichtungen ein probates Mittel, um festgefahrene Konflikte zu lösen:
In neun Tarifkonflikten der Luftfahrtbranche wurde seit der Jahrtausendwende geschlichtet, sieben Schlichtungen waren erfolgreich.
Im aktuellen Konflikt gibt es aber einigen Klärungsbedarf: Seit Juli 2019 fordert die Flugbegleiter-Gewerkschaft UFO 5 Prozent mehr Entgelt für das Kabinenpersonal, nachdem die Lufthansa zuvor die Kündigung zweier Tarifverträge durch die Gewerkschaft nicht anerkannt hatte. Auch bei der Lufthansa-Tochter Eurowings ringt UFO um die Anerkennung als Verhandlungspartner. Streitpunkte sind hier die Forderungen nach einer betrieblichen Altersvorsorge und nach einem Teilzeit-Tarifvertrag für Germanwings – die im Auftrag von Eurowings fliegt.
Das Gezerre zwischen UFO und den Airlines eskalierte im vergangenen Jahr in einem Warnstreik und zwei mehrtägigen Streikwellen (Grafik):
Die Tarifkonflikte um das Kabinenpersonal erreichten 2019 im IW-Konfliktbarometer die maximale Eskalationsstufe 7.
Die Stufen im Konfliktbarometer des Instituts der deutschen Wirtschaft reichen von null Punkten für Verhandlungen ohne Drohungen über vier Punkte für Warnstreiks bis hin zu sieben Punkten für Arbeitskämpfe nach einer Urabstimmung.
Betrachtet man die einzelnen Tarifverträge aber in Summe, erreichte die Druckindustrie den Jahresspitzenwert von insgesamt 44 Konfliktpunkten. Denn obgleich sich der Konflikt nur bis zum Warnstreik steigerte, gab es Drohungen, Verhandlungsabbrüche oder Warnstreiks dort am häufigsten.
Mit durchschnittlich 10,8 Konfliktpunkten ging es in den meisten Branchen im Tarifjahr 2019 spürbar zur Sache.
Auch die Gebäudereinigung schaffte es mit 27 Konfliktpunkten unter die Top 5 der intensivsten Tarifkonflikte im Jahr 2019. Hier waren die Rangeleien zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaft mit 19,7 Monaten besonders langwierig. Nach sechs erfolglosen Verhandlungsrunden und zwei von der IG Bau ausgerufenen bundesweiten Warnstreiks einigte man sich auf eine Anpassung der Arbeitsverträge für Teilzeitkräfte und auf höhere Zuschläge für Überstunden, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit. Eine Verschnaufpause gibt es 2020 aber nicht: Für die kommende Lohntarifrunde steht eine Debatte um die Einführung eines 13. Monatsgehalts an.
Schneller ging es 2019 in den Tarifverhandlungen der Chemischen Industrie. Die IG Bergbau Chemie Energie brauchte nur 2,1 Monate, um zu einer Einigung zu kommen. Neben einem tariflichen Pflegegeld wurde für alle Tarifbeschäftigten ein sogenanntes Zukunftskonto mit einer Sonderzahlung in Höhe von 9,2 Prozent eines Monatsentgelts beschlossen. Damit folgt die Branche einem neuen Trend in der Arbeitszeitpolitik: Denn dieser Betrag kann auch in Freizeit eingelöst werden. Bis 2022 steigt der Betrag auf 23 Prozent, was umgerechnet fünf freien Tagen entspricht.
Unterm Strich ging es in den meisten Branchen im Tarifjahr 2019 hoch her:
Im IW-Konfliktbarometer liegt das Tarifjahr 2019 mit durchschnittlich 10,8 Konfliktpunkten deutlich über dem langjährigen Schnitt von 9,5 Punkten.
Auch 2018 war die Konfliktintensität mit 9,9 Punkten spürbar niedriger. Ob sich die Intensivierung der Konflikte fortsetzt, wird sich in den nächsten Tarifrunden zeigen (Grafik).
2020 wird entspannter – aber nicht überall
Bisher zeichnet sich jedoch ab, dass 2020 ein ruhigeres Tarifjahr werden könnte. Dafür spricht die Zurückhaltung bei der Metall- und Elektro-Industrie, deren Tarifrunde bereits im Februar vorzeitig begonnen hat. Wegen der Rezession im Verarbeitenden Gewerbe hat die Gewerkschaft auf konkrete Lohnforderungen verzichtet. Dafür will sie Job- und Standortgarantien durchsetzen. Auch konfliktreiche Branchen wie etwa die Bahn haben Tarifverträge beschlossen, die noch bis 2021 wirken.
Konfliktpotenzial schlummert eher im öffentlichen Dienst und im Bauhauptgewerbe. Am Bau herrschen Sonderkonjunktur und gleichzeitiger Fachkräftemangel. All dies dürfte zu höheren Lohnansprüchen der IG BAU führen. Auch die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst werden selbstbewusst in die Verhandlungen mit Bund und Kommunen gehen, da im Gegensatz zur Industrie kein Abschwung in der Dienstleistungsbranche zu spüren ist. Zudem wird sich die neue Gewerkschaftsspitze bei ver.di profilieren müssen.