Wirtschaftspolitik Lesezeit 3 Min.

Kommentar: „Es geht um das Vertrauen in Deutschlands Zukunft“

Dass Deutschlands Wirtschaft in einer schlechten Verfassung ist, ist nicht nur auf große Krisen wie die Coronapandemie zurückzuführen. IW-Geschäftsführer Hubertus Bardt macht auch die Wirtschaftspolitik für die Stagnation verantwortlich – und rät zum Handeln.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die wirtschaftliche Stagnation in Deutschland sei zum Teil durch Krisen wie die Coronapandemie und den Ukraine-Krieg verursacht, doch auch die verfehlte Wirtschaftspolitik hätte ihren Anteil daran, sagt IW-Geschäftsführer Hubertus Bardt.
  • So nähmen Regulierung und Bürokratie zu, während sich die die Infrastruktur verschlechtere und gut ausgebildete Fachkräfte knapper würden. Gleichzeitig seien die Arbeitskosten, die Energiekosten sowie weitere Belastungen immer weiter gestiegen.
  • Dabei ließe sich laut Bardt an vielen Stellen kurzfristig ansetzen: Unter anderem brauche es eine Steuerreform, die den Standort wieder wettbewerbsfähig macht.
Zur detaillierten Fassung

Deutschland befindet sich seit Jahren in der Stagnation. Die Volkswirtschaft ist seit 2019 kaum gewachsen, die Industrie stagniert bereits seit 2018. Natürlich spielt die Abfolge schwerer Krisen eine entscheidende Rolle: Ohne die Coronapandemie und ohne den Energiekostenschock nach dem russischen Überfall auf die Ukraine wäre die Entwicklung eine andere gewesen. In Summe haben beide Krisen die deutsche Volkswirtschaft – gemessen an den vorherigen Erwartungen – rund 545 Milliarden Euro gekostet.

Wir brauchen eine Steuerreform, wir sollten das Rentensystem reformieren, wir müssen bürokratische Lasten abbauen, wir benötigen moderne Infrastrukturen, wir müssen die Qualität unserer Bildung stärken sowie Unternehmensgründungen fördern und uns verstärkt um Fachkräfte aus dem Ausland bemühen. Und wir sollten bereit sein, einige Stunden mehr im Monat zu arbeiten.

Hubertus Bardt ist Geschäftsführer im Institut der deutschen Wirtschaft; Foto: IW

Die Stagnation ist aber auch hausgemacht. Der Standort Deutschland hat für Investoren an Attraktivität verloren. Bei den im internationalen Vergleich guten Eigenschaften verliert Deutschland seine starke Position: Regulierung und Bürokratie nehmen zu, die Infrastruktur verschlechtert sich, gut ausgebildete Fachkräfte werden knapper. Gleichzeitig sind die Arbeitskosten, die Energiekosten sowie weitere Belastungen immer weiter gestiegen. Im Vergleich von 45 Industrie- und aufstrebenden Schwellenländern liegt Deutschland bei den Kosten inzwischen auf dem vorletzten Platz.

Ein Investitionsstandort muss umso besser sein, je teurer er ist. Das ist in Deutschland nicht mehr gegeben. Das Premiumprodukt Standort D verliert an Qualität und das zu einem immer höheren Preis. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Ein schwacher Standort ist nicht attraktiv für Investitionen. Und eine schwache Investitionsperformance verringert den Wohlstand von morgen. Gerade in einer Zeit, in der für eine erfolgreiche Dekarbonisierung ein massiver Investitionsschub kommen muss, ist eine investitionshemmende Standortqualität nicht tragbar.

Zu viele Firmen stellen ihre Produktion in Deutschland infrage

Dabei geht es nicht nur um die Attraktivität für internationale Neuinvestitionen, sondern insbesondere um das Vertrauen der bisher hier ansässigen erfolgreichen Unternehmen in Deutschlands Zukunft. Viel zu viele Firmen stellen ihre Produktion hierzulande infrage und halten sich mit Investitionen zurück. Hohe bürokratische Lasten, immer engere Regulierung und Steuerbelastungen, die zu den höchsten weltweit gehören, verringern die Investitionsbereitschaft der Unternehmen.

Dabei lässt sich an ganz vielen Stellen kurzfristig ansetzen: Wir brauchen eine Steuerreform, die den Standort wieder wettbewerbsfähig macht. Wir sollten das Rentensystem reformieren, damit die Sozialausgaben nicht schnell und stark steigen. Wir müssen bürokratische Lasten abbauen, den Staat digitalisieren und die Regulierungsdichte verringern. Wir haben die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Transformation zu schaffen. Wir benötigen moderne Infrastrukturen und dürfen dem Bau nicht weiter im Wege stehen. Wir müssen die Qualität unserer Bildung stärken. Wir müssen Unternehmensgründungen fördern und deren Finanzierung verbessern. Wir dürfen die Chancen der Digitalisierung nicht verpassen, sondern es gilt, altbekannte Prozesse neu zu denken. Wir müssen uns verstärkt um Fachkräfte aus dem Ausland bemühen. Und wir sollten bereit sein, einige Stunden mehr im Monat zu arbeiten.

Die Stagnation in Deutschland ist durch die Krisen verschärft und verlängert worden. Aber es gibt viele Schritte, die gemacht werden können, um einen neuen Aufschwung einzuleiten.

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