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Klimawandel verlagert Weinbau in den Norden

Der Klimawandel macht auch vor dem Weinbau nicht halt – weltweit. Die Winzer sind deshalb dabei, ihr Gewerbe den neuen klimatischen Bedingungen anzupassen, was große Herausforderungen, aber auch Chancen birgt. Außer Frage steht indes, wie wichtig der Wein als globaler Wirtschaftsfaktor ist.

Kernaussagen in Kürze:
  • Durch den Klimawandel verschieben sich die Weinbau-Regionen immer weiter gen Arktis und in höhere Lagen; südlichere Regionen haben es wegen zu viel Hitze und Trockenheit immer schwerer.
  • So wurden 2020 erstmals in allen 13 Flächenländern der Bundesrepublik – also auch in den nördlichen – Wein angebaut,
  • Deutschland war 2018 mit über 10 Millionen Hektolitern der achtgrößte Weinproduzent der Welt.
Zur detaillierten Fassung

Als vor einem Monat der Starkregen an der rheinland-pfälzischen Ahr zu Überschwemmungen und Verwüstungen führte, traf das auch die dortigen Winzer: Fässer, Flaschen, Maschinen wurden mitgerissen, Rebflächen zerstört. Mittlerweile gibt es vielerorts „Flutwein“ zu kaufen – die Flaschen voller Schlamm, aber mit unversehrtem Inhalt.

Bundesweit ist die Ahr-Region allerdings eine der kleineren Weingegenden (Grafik):

Auf 563 Hektar wurde 2020 an der Ahr Wein angebaut. Deutlich größer sind die Anbaugebiete in Rheinhessen und der Pfalz mit jeweils mehr als 20.000 Hektar sowie in Baden und Württemberg mit fast 16.000 respektive gut 11.000 Hektar.

So viel Hektar waren im Jahr 2020 mit Keltertrauben bestockt Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Der Vergleich mit dem Jahr 2009 zeigt, dass fast alle kleineren Weinregionen flächenmäßig bis 2020 deutlich zugelegt haben – im Fall der Region Saale-Unstrut sogar zweistellig. Die großen Weinbaugebiete blieben in ihrer Größe jedoch nahezu unverändert oder verloren sogar an Boden.

Durch den Klimawandel verschieben sich die Weinbau-Regionen immer weiter gen Arktis und in höhere Lagen; südlichere Regionen haben es wegen zu viel Hitze und Trockenheit immer schwerer.

Auch der Klimawandel beeinflusst die Anbaugebiete. So wurden 2020 erstmals in allen 13 Flächenländern der Bundesrepublik – also auch in den nördlichen – Wein angebaut, was dem Statistischen Bundesamt eine Pressemitteilung wert war. Sogar auf Sylt wird derzeit der Anbau getestet und noch weiter gen Norden, in Norwegen, wird mit Wein experimentiert. Denn durch den Klimawandel verschieben sich die Regionen, die sich für den Weinbau anbieten, immer weiter gen Arktis und in höhere Lagen; wohingegen es südlichere Regionen wegen zu viel Hitze und Trockenheit immer schwerer haben.

Von einigen Folgen des Klimawandels ist denn auch im Vorwort zur jüngsten Weinstatistik des Deutschen Weininstituts die Rede: Es attestiert dem Jahrgang 2019 einerseits eine sehr gute Qualität – bedingt durch viel Sonne ergo reife Trauben. Andererseits gab es hierzulande verbreitet Sonnenbrandschäden an den Weinreben, weil es vor allem im Juli 2019 extrem heiß war. Das Ergebnis:

Im Jahr 2019 fiel die Weinmosternte mit 8,3 Millionen Hektolitern um etwa 5 Prozent geringer aus als im zehnjährigen Mittel.

So ist der Klimawandel Segen und Fluch zugleich, und den Winzern muss es gelingen, sich mit den Veränderungen zu arrangieren. So reduzieren manche bereits die Zahl der Blätter an den Rebstöcken, um den Reifeprozess der Trauben zu verlangsamen oder verlagern den Anbau in höhere oder sonnenärmere Lagen. Scheitern die Winzer, wäre der gesamtwirtschaftliche Verlust erheblich (Grafik):

Deutschland war 2018 mit über 10 Millionen Hektolitern der achtgrößte Weinproduzent der Welt.

Top-Ten der Weinproduzenten weltweit in Millionen Hektolitern im Jahr 2018. Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die deutsche Platzierung schwankt zwar je nach Jahr und Erntemenge ein wenig, doch der Abstand zu den drei weltgrößten Erzeugern Italien, Frankreich und Spanien wird ohnehin nicht so schnell schwinden. In einigen Staaten boomt die Weinproduktion allerdings seit Jahren und sie machen gegenüber den Platzhirschen rapide Boden gut:

In den Vereinigten Staaten legte die Weinproduktion von 1990 bis 2019 von knapp 16 auf bald 25 Millionen Hektoliter zu.

Australien, Chile und Neuseeland haben ihre Produktion – von deutlich niedrigerem Ausgangsniveau – sogar vervielfacht.

Klimawandel führt zu Wasserknappheit beim Weinbau

Gleichwohl führt der Klimawandel in vielen der wachsenden Weinstaaten zu Problemen: Es braucht etwa 600 Liter Wasser für einen Liter Wein. Deutschland hat dafür noch immer eine halbwegs gesicherte Versorgung, andernorts – in Südkalifornien oder Australien zum Beispiel – laufen die Flüsse leer.

Für viele Nationen ist das nicht nur aus Binnensicht problematisch, es würde auch das Ausland treffen.

Die Top-Weinexportländer Spanien, Italien und Frankreich exportierten jeweils deutlich mehr als ein Drittel ihres Weins ins Ausland. Aus den USA – bei der Produktion immerhin auf Rang vier – fand etwa jede siebte Flasche den Weg in die Fremde.

Derweil haben Chile und Argentinien einerseits sowie Australien und Neuseeland andererseits ihren Export drastisch erhöht:

Chile und Argentinien exportierten 1990 zusammen etwa 500.000 Hektoliter Wein, 2018 waren es bereits 11,4 Millionen Hektorliter. Bei Australien und Neuseeland legten die Ausfuhren von 400.000 Hektoliter auf zusammen 10,1 Millionen zu.

Das deutsche Wachstum beim Weinexport nimmt sich dagegen mit etwa einem Drittel bescheiden aus. Allerdings sind die deutschen Zahlen ohnehin schlecht vergleichbar, da Re-Exporte nicht herausgerechnet werden können.

Zieht man die Daten des Statistischen Bundesamts und des Verbands Deutscher Weinexporteure heran, kam Deutschland 2019 auf etwas über 1 Million exportierte Hektoliter. Der Wert des 2019 aus Deutschland exportierten Weins lag bei rund 305 Millionen Euro beziehungsweise 2,93 Euro pro Liter (Grafik):

Der wichtigste Abnehmer für deutschen Wein waren die USA – sowohl mengenmäßig als auch beim Umsatz. Und auch beim Preis pro Liter lagen sie mit 3,95 Euro relativ weit vorn.

Die fünf wichtigsten Abnehmerländer deutscher Weine im Jahr 2019 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Weinkonsum in China steigt drastisch

Am meisten zahlten allerdings chinesische Weinliebhaber bzw. Importeure für deutschen Wein: über 5 Euro pro Liter. Im Reich der Mitte erfreut sich Wein generell wachsender Beliebtheit:

Der Weinkonsum in China stieg von 2000 bis 2018 von knapp 11 auf über 18 Millionen Hektoliter.

In Deutschland pendelt der Verbrauch seit Jahren um die 20 Millionen Hektoliter.

China ist mittlerweile der fünftgrößte Weinkonsument – nach den USA, Frankreich, Italien und Deutschland. Im eigenen Land produzierten die Chinesen 2018 rund 9 Millionen Hektoliter, was für Rang zehn weltweit reicht.

Spannender ist allerdings eine andere Entwicklung: Die Rebfläche in China ist von 1990 bis 2019 um fast 600 Prozent gewachsen. Damit hat weltweit nur noch Spanien mehr Fläche, die für den Weinanbau zur Verfügung steht. Zum Vergleich:

In Deutschland gab es laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2020 rund 103.000 Hektar Rebfläche. Das entspricht immerhin etwa 40 Prozent der Größe des Saarlands.

Knapp ein Viertel der Weinbaufläche war mit Reben bestockt, die 30 Jahre und älter sind – gegenüber 2015 ein Plus von 11,5 Prozent. Dafür gibt es zwei Gründe:

Die Weinqualität alter Reben ist bekannt und wird von Konsumenten geschätzt. Die Pflanzen werden deshalb nicht grundlos ausgetauscht.

Das Wurzelwerk alter Reben reicht tiefer, was für Trockenperioden hilfreich ist und alten Pflanzen einen Vorteil gegenüber jungen verschafft. Der wachsende Altbestand ist also auch eine Antwort auf die klimatischen Veränderungen.

Weißwein dominiert

Doch egal ob nun alte oder neue Reben – im hiesigen Weinbau dominiert noch immer der Weißwein (Grafik):

Der Weiße Riesling steht mit 23.500 Hektar Anbaufläche in Deutschland klar an der Spitze, gefolgt von Reben des Müller-Thurgau mit 11.300 Hektar. Der Blaue Spätburgunder kommt als beliebteste Rotweinsorte mit 11.100 Hektar auf Rang drei.

Beliebteste Weinreben nach Anbaufläche im Jahr 2020 in 1.000 Hektar Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die Anbaufläche für rote Sorten hat sich in Deutschland in den vergangenen elf Jahren reduziert, der Weißwein konnte seine Vormachtstellung weiter ausbauen:

Die Anbauflächen für weiße Rebsorten haben von 2009 bis 2020 um über 4.000 Hektar zugenommen, während sich die Fläche für rote Sorten um mehr als 3.000 Hektar reduziert hat.

Innerhalb der weißen Rebsorten ist der Graue Burgunder deutlich beliebter als früher. Die Rebfläche hat hier um fast zwei Drittel zugelegt. Noch deutlicher, allerdings mit viel niedrigeren Absolutwerten,vergrößerten sich die Anbauflächen für den Sauvignon Blanc – nämlich um über 220 Prozent. Ursprünglich stammt die Sorte aus dem Loiretal.

Auch beim in Deutschland angebauten Rotwein – konkreter: bei der Sortenwahl – gibt es Verschiebungen, die zumindest zum Teil mit dem Klimawandel zusammenhängen:

Die Anbauflächen für Merlot und Cabernet Sauvignon haben in Deutschland von 2009 bis 2020 gegen den Trend um jeweils über 50 Prozent zugenommen.

Die Weinstöcke dieser Sorten blühen früher und brauchen lange Sonnenphasen zum Reifen. Mittlerweile können deutsche Lagen das immer öfter bieten – früher war das nur in den klassischen Anbaugebieten Südfrankreichs gewährleistet.

Die Dominanz des Weißweins an deutschen Hängen relativiert sich allerdings, wenn man nicht auf die Anbaufläche, sondern auf den Handel blickt. In Deutschlands Supermärkten und Weinhandlungen stand 2019 mit gut 53 Prozent zwar deutlich mehr deutscher Weißwein in den Regalen als deutscher Rotwein (37,1 Prozent) und Rosé (9,8 Prozent), aber:

Inklusive importierter Weine belegte Rotwein 46,4 Prozent der Regalfläche in Deutschland, Weißwein nur 44 Prozent.

Ob Weiß-, Rot- oder Rosewein: Beim von Deutschland importierten Wein, der immerhin 55 Prozent der hierzulande konsumierten Menge ausmacht, hatten die drei weltgrößten Produzenten auch im Jahr 2019 die Nase vorn – wobei Weine aus Italien sowohl mit Blick auf den Wert als auch auf die Menge vor Frankreich und Spanien landeten.

Apropos Frankreich: Dort, aber auch andernorts, stehen die Winzer vor einer weiteren klimabedingten Herausforderung. Ihre Weinerzeugung ist nämlich untrennbar an eine Region gekoppelt – Bordeaux beispielsweise. Wenn sich solche Regionen früher oder später aber nicht mehr für den Anbau eignen, gegebenenfalls noch nicht einmal mehr mit neuen Rebsorten, wäre es unmöglich, unter dem renommierten Namen Wein zu vertreiben.

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