Corona-Krise Lesezeit 3 Min.

Staatsbeteiligungen: Nur im Notfall

In der Corona-Krise hat der Staat massiv ins Wirtschaftsleben eingegriffen – auch in Form von Unternehmensbeteiligungen. Neu sind solche Interventionen keineswegs, in Deutschland haben sich vor allem die Kommunen in den vergangenen Jahren immer stärker unternehmerisch betätigt. Die angeführten Gründe überzeugen allerdings wenig.

Kernaussagen in Kürze:
  • Im OECD-Vergleich zählt Deutschland zu den Ländern mit der größten Reichweite von staatseigenen Unternehmen.
  • Dies ist vor allem auf die immer größere Zahl von Unternehmen zurückzuführen, die in der Hand der Kommunen sind.
  • In der Regel sind die Argumente für Staatsbeteiligungen schwach; auch entsprechende staatliche Eingriffe infolge der Corona-Pandemie sollten zügig wieder zurückgenommen werden.
Zur detaillierten Fassung

Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat die Rolle des Staates in einer Weise gestärkt, wie man es bis dato in Friedenszeiten nicht kannte. Denn es waren Bund, Länder und Kommunen, die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen verhängt und einen Lockdown der Wirtschaft angeordnet haben. Zudem haben zahlreiche EU-Länder ihre Grenzen teil- und zeitweise geschlossen.

All dies hat zusammen mit den direkten Auswirkungen der Pandemie – wie krankheitsbedingten Ausfällen von Mitarbeitern – zahlreiche Unternehmen in Schwierigkeiten geraten lassen. Folglich waren oder sind sie auf staatliche Hilfen angewiesen – etwa in Form von Kapitalzuschüssen, Bürgschaften oder Kurzarbeitergeld.

Viele dieser Maßnahmen mögen in der aktuellen Situation alternativlos erscheinen, dennoch sind durchaus auch skeptische Stimmen zu vernehmen – vor allem da, wo der Staat sich unmittelbar an Unternehmen beteiligt. So hat die Wirtschaftspresse den Einstieg der Bundesregierung beim Pharmaunternehmen CureVac oder die Überlegungen bezüglich staatlicher Hilfen für den Touristikkonzern TUI Group teils heftig kritisiert.

Staatsbeteiligungen im OECD-Vergleich

Staatliche Unternehmensbeteiligungen sind allerdings kein neues Phänomen – weder in Deutschland noch anderswo. Dies zeigt ein Indikator der OECD, der die sogenannte Reichweite von staatseigenen Unternehmen in 25 Wirtschaftssektoren misst. Der deutsche Staat erweist sich in dieser Hinsicht nicht gerade als zurückhaltend (Grafik):

Für Deutschland zeigt der OECD-Index zur Reichweite staatseigener Unternehmen im Jahr 2018 auf einer Skala von 0 bis 6 den Wert 4,27 an – das bedeutet Rang 5 von 36 OECD-Ländern.

Allerdings erzählt das Ausmaß der staatlichen Interventionen nur die halbe Geschichte. Am Ende kommt es darauf an, wie stark die Marktwirtschaft durch den Staat verzerrt wird – etwa indem dieser ein eigenes Beschaffungswesen aufbaut oder Preise reguliert und kontrolliert. Auch diese Verzerrungen misst die OECD durch einen eigenen Indikator – und kommt für Deutschland zu einem recht positiven Ergebnis (Grafik):

Auf einer Skala von 0 bis 6 bewertet die OECD die staatlich verursachten ökonomischen Verzerrungen in Deutschland mit 1,41 – das ist der achtniedrigste Wert im internationalen Vergleich.

OECD-Länder mit den größten bzw. geringsten Verzerrungen des wirtschaftlichen Geschehens durch staatliche Beteiligungen Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Trotz dieses Befunds ist das Ausmaß der staatlichen Beteiligungen erklärungsbedürftig. Ein wesentlicher Grund sind die Aktivitäten der Kommunen, die sich vor allem auf die sogenannte Daseinsvorsorge beziehen – zum Beispiel die Wasserversorgung oder die Müllabfuhr.

Kommunen werden immer mehr zu Unternehmern

Nach einer Privatisierungsphase vom Ende der 1980er Jahre bis kurz nach der Jahrtausendwende setzen Städte und Gemeinden nun wieder vermehrt auf eine öffentliche Bereitstellung – vor allem im Energiebereich, der Abfallentsorgung sowie beim Wertstoffrecycling (Grafik):

Zahl und Umsatz kommunaler Unternehmen in Deutschland von 2000 bis 2017 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die Zahl der kommunalen Unternehmen in den Flächenländern ist von 2000 bis 2017 um nahezu 50 Prozent auf gut 15.800 gestiegen – ihre Umsätze legten sogar um 140 Prozent zu.

Zum Vergleich: Die Umsätze der überwiegend privaten, umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen sind im selben Zeitraum nur um 59 Prozent gewachsen.

Die Kommunen begründen ihr Unternehmertum vor allem damit, dass private Firmen kein Interesse hätten, ihre Leistungen allen Bürgern anzubieten – also auch sozial schwachen oder jenen, die in dünn besiedelten Gebieten leben. Nur öffentliche Betriebe, die keine Rendite anstrebten, könnten eine umfassende Versorgung gewährleisten.

Im Widerspruch dazu steht jedoch das Argument, die Kommunen bräuchten die durch ihre Unternehmen erzielten Gewinne, etwa um verlustträchtige Bereiche wie den öffentlichen Nahverkehr zu subventionieren. Eine Studie zeigt für Bayern, dass die dortigen kommunalen Abfallentsorgungsbetriebe mit 7,3 Prozent zwar tatsächlich eine höhere Rendite erwirtschaften als private Entsorger. Dafür werden aber die Gebührenzahler mit überhöhten Preisen für die Abfallbeseitigung belastet.

Die Kommunen können mit ihren Wirtschaftsbetrieben also entweder allen Bürgern eine günstige Versorgung bieten – oder Gewinne einfahren. Beides zusammen funktioniert nicht.

Angesichts dessen sollten marktwirtschaftliche Prinzipien auch bei der Erbringung kommunaler Dienstleistungen Vorrang haben. Beauftragen Städte und Gemeinden private Anbieter, können sie außerdem den regionalen Mittelstand unterstützen. Und wenn die Kommunen Konzessionen auf Zeit vergeben, haben die privaten Anbieter einen zusätzlichen Anreiz, effizient und kundenorientiert zu wirtschaften. Aktuelle Staatsbeteiligungen aufgrund der Pandemiefolgen sollten zudem zügig wieder abgebaut werden.

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesene