Das neue alte Homeoffice
Der Lockdown bedeutete für viele Erwerbstätige, dass sie ihren Job erstmals von zu Hause aus erledigen mussten. Eine neue IW-Studie zeigt allerdings, dass das Homeoffice schon vor Corona-Zeiten gang und gäbe war. Allerdings gab es regional sehr große Unterschiede.
- In Deutschland arbeiten immer mehr Menschen im Büro – es gibt zum einen immer mehr entsprechende Jobs, zum anderen stieg bis vor kurzem die Beschäftigtenzahl insgesamt.
- Anteilig arbeiten die meisten Bürobeschäftigten in Frankfurt am Main, die höchsten Zuwächse gab es allerdings in Landkreisen des wirtschaftsstarken Bayerns.
- Durch Corona bedeutete ein Bürojob in den vergangenen Monaten oft Homeoffice, doch fast die Hälfte der Schreibtischtäter arbeitete auch vorher schon ab und an von zu Hause aus.
Als die Ausbreitung von Covid-19 Deutschland im März in den Lockdown zwang, waren viele überrascht, wie reibungslos der Wechsel ins Homeoffice funktionierte.
Schaut man sich jedoch die Daten der Erwerbstätigenbefragung des Bundesinstituts für Berufsbildung und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin an, dann ist die Überraschung nicht mehr ganz so groß.
Die Zahl der Bürobeschäftigten in Deutschland hat sich von 2012 bis 2018 um 25 Prozent erhöht – weil zum einen die Wirtschaft stark gewachsen ist und es zum anderen immer mehr Bürojobs gibt.
Diese Befragungen fanden zwar in den Jahren 2006, 2012 und 2018 statt, also weit vor der Corona-Krise. Doch die Ergebnisse zeigen, dass das Arbeiten von zu Hause aus in Deutschland bei Weitem nicht so neu ist, wie es derzeit oftmals den Anschein hat (Grafik):
Fast jeder zweite Bürobeschäftigte – knapp 46 Prozent – arbeitete in den Jahren 2017 und 2018 zumindest gelegentlich von zu Hause. Das waren fast 9 Prozentpunkte mehr als noch 2006.
Die allermeisten Bürobeschäftigten könnten von zu Hause aus arbeiten
Und die Zahl derer, die theoretisch von zu Hause aus arbeiten können, war schon vor Corona noch viel größer. Denn nur etwas mehr als 15 Prozent der befragten Bürobeschäftigten gaben an, dass sie ihre Arbeit nicht aus dem Homeoffice erledigen können. Das bedeutet im Umkehrschluss:
Rund 85 Prozent aller Büroangestellten können potenziell von zu Hause aus arbeiten. Bei etwa 14,8 Millionen Bürobeschäftigten ist das eine gewaltige Zahl.
Im Zeitraum von 2012 bis 2018 hat die Zahl der Büroarbeitnehmer von 11,9 auf 14,8 Millionen zugenommen. Anders gerechnet:
Die Zahl der Bürobeschäftigten in Deutschland hat sich binnen sechs Jahren um fast 25 Prozent erhöht.
Ein Grund dafür ist natürlich auch, dass sich die hiesige Wirtschaft bis zum Lockdown prächtig entwickelt hatte und generell mehr Menschen in den vergangenen Jahren einen Job gefunden haben.
Allerdings ist der Anteil der Büroarbeiter an allen Erwerbstätigen seit 2012 ebenfalls merklich gestiegen: von 35,2 auf 36,7 Prozent; im Jahr 2006 hatte der Anteil erst 33,3 Prozent betragen.
Bei der Antwort auf die Frage, in welchen Branchen besonders viele Menschen im Büro arbeiten, gibt es wenig Überraschungen – allerdings durchaus Veränderungen.
So sind in der IT (84,5 Prozent) sowie im Bereich Werbung und Marktforschung (85,2 Prozent) besonders viele Mitarbeiter im Büro tätig, während sich im Fahrzeugbau (36,0 Prozent), im Einzelhandel (26,4 Prozent) und im Gesundheitswesen (19,7 Prozent) nur verhältnismäßig wenige Büroangestellte tummeln. Doch:
In fast allen Erwerbstätigengruppen gab es im Jahr 2018 prozentual mehr Büroangestellte als noch 2012.
Vor allem Großstädte sind Hochburgen der Bürobeschäftigung
Fragt man nach lokalen Hochburgen der Bürobeschäftigung oder nach Kreisen und Städten, in denen fast niemand hinterm Schreibtisch sitzt, zeigen sich teils gewaltige Unterschiede:
Die Bürobeschäftigungsquoten reichen von 7,2 Prozent im Kreis Kusel in Rheinland-Pfalz bis zu 49,7 Prozent in der Bankenmetropole Frankfurt am Main.
Neben dem Spitzenreiter Frankfurt finden sich in den Top Ten sechs weitere Großstädte: Düsseldorf (47,8 Prozent), München (47,3 Prozent), Bonn (46,1 Prozent), Stuttgart (45,1 Prozent), Köln (44,8 Prozent) und Wiesbaden (44,5 Prozent).
Die anderen drei Spitzenplätze gehen an den Main-Taunus-Kreis, den Landkreis München und den Hochtaunuskreis. Denn nicht nur in den Großstädten, sondern auch in ihrem direkten Umfeld gibt es häufig viele Bürojobs – schließlich sind in diesen Regionen die Lebenshaltungskosten und die Büromieten oftmals niedriger als in der nahen Metropole.
Die größten Zuwächse gab es in bayerischen Landkreisen
Damit lässt sich auch erklären, dass die größten Zuwächse an Bürobeschäftigung nicht in den Großstädten stattfanden, sondern vor allem in den Landkreisen des wirtschaftsstarken Bayerns: Um 78,4 Prozent ist die Zahl der Bürobeschäftigten von 2012 bis 2019 im fränkischen Landkreis Schwabach gestiegen, dicht gefolgt vom niederbayerischen Landkreis Regen mit 78,3 Prozent.
In absoluten Zahlen gemessen hat allerdings die Hauptstadt die Nase vorn (Grafik):
In Berlin arbeiteten 2019 gut 640.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Büro – rund 190.000 oder 42 Prozent mehr als im Jahr 2012.
Wahrscheinlich wird sich der Anteil der Bürobeschäftigten an allen Erwerbstätigen weiter erhöhen. Allerdings geht das IW, aber auch andere Forschungsinstitute, davon aus, dass dies nicht zur Ausweitung der Büroflächen führen wird.
Im Gegenteil: Durch die Erfahrungen in der Corona-Pandemie dürften viele Firmen dem Homeoffice viel offener gegenüberstehen als früher.
Weil gleichzeitig auch immer mehr Beschäftigte Gefallen daran finden, könnte der Bedarf an Büroflächen dauerhaft sinken. Damit fallen nicht nur die Mieten für Büroimmobilien, sondern auch die Kaufpreise – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit (siehe „Büroimmobilien: In Berlin purzeln die Mieten“).