Interview: „Wir haben eine Papierflut ohne Ende“
Seit September 2021 können Schüler und Studenten Bafög bundesweit online beantragen. Allerdings sei die Digitalisierung nicht in den Bafög-Ämtern mitgedacht worden, sagt Stefan Grob, stellvertretender Generalsekretär des deutschen Studentenwerks. Dort werde nach wie vor jeder Antrag ausgedruckt, auch solche, die online gestellt werden.
- Das digitale Antragsverfahren „Bafög digital“ ist seit September 2021 in allen Bundesländern verfügbar. Im Jahr 2021 wurden 120.000 Bafög-Anträge online gestellt, bis Ende März 2022 waren es noch einmal 24.000.
- Zwar wurde die Bafög-Antragstellung digitalisiert, die Bafög-Ämter der Studierendenwerke müssen die online eingereichten Anträge aber weiter ausdrucken und Papierakten anlegen, sagt Stefan Grob, stellvertretender Generalsekretär des deutschen Studentenwerks.
- Das führe zu einer Papierflut und einer Drucklast nach einem online eingereichten Antrag ohne Ende, sodass die Digitalisierung ad absurdum geführt werde.
Im Erklärfilm der Webseite „bafoeg-digital“ heißt es: „Noch nie war es so einfach, Bafög zu beantragen.“ Stimmt das?
Ja, das ist richtig und darüber freuen wir uns auch sehr. Denn das Bafög ist viel besser als sein Ruf. Außerdem hat die noch relativ neue Bundesregierung zwei Bafög-Novellen auf den Weg gebracht und in einem weiteren Schritt will sie mit strukturellen Reformen vieles verbessern.
Ist also alles prima beim digitalen Bafög?
Leider nein. Denn es wurde nur die Antragstellung digitalisiert. Die Bafög-Ämter der Studierendenwerke müssen die online eingereichten Anträge ausdrucken und Papierakten anlegen. Und bei jeder Online-Änderung durch den Antragsteller muss das Bafög-Amt den geänderten Antrag wieder ausdrucken, das heißt, wir haben eine Papierflut und eine Drucklast nach einem online eingereichten Antrag ohne Ende. Das ist Digitalisierung ad absurdum. Wir sind fassungslos und können es nicht nachvollziehen, dass bei der Digitalisierung des Bafögs nur der E-Antrag umgesetzt wurde, nicht aber die E-Akte und der E-Bescheid.
Warum ist das so?
Wir können nur mutmaßen, warum beim Bafög lediglich ein Bruchteil der Wegstrecke digitalisiert wurde. Vielleicht liegt es daran, dass Bund und Länder hier nicht konsequent kooperieren wollten oder dass die Länder, die für die Auftragsverwaltung des Bafög zuständig sind, nicht rechtzeitig erkannt haben, dass die Umsetzung von E-Akte und E-Bescheid in ihrer Verantwortung liegt.
Wir sind fassungslos und können es nicht nachvollziehen, dass bei der Digitalisierung des Bafögs nur der E-Antrag umgesetzt wurde, nicht aber die E-Akte und der E-Bescheid.
Wie viel Prozent aller Bafög-Antragsteller nutzen die Digitalvariante mittlerweile?
Das können wir so leider nicht beantworten. Wir wissen: Das digitale Antragsverfahren „Bafög digital“ ist seit September 2021 in allen Bundesländern am Start. Im Jahr 2021 wurden 120.000 Bafög-Anträge online gestellt, bis Ende März 2022 waren es noch einmal 24.000, wie die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erklärt hat.
Hat sich durch die digitale Antragstellung der Prozess beschleunigt? Bekommen Studenten nun schneller Geld?
Bei der herkömmlichen schriftlichen Bafög-Beantragung benötigt der Antragsteller im Schnitt fünfeinhalb Stunden. Wie lange die Online-Beantragung dauert, wissen wir nicht. Auch ob Bafög-Erstbezieher nun schneller Geld erhalten, ist noch nicht erhoben worden, obschon genau das unsere Hoffnung ist.
Politisches Ziel ist, die Zahl der Bafög-Bezieher zu erhöhen. Sind die Bafög-Ämter personell dafür gerüstet?
Aktuell erhalten 11 Prozent der Studentinnen und Studenten in Deutschland Bafög. Wenn nun die Elternfreibeträge nennenswert erhöht werden, steigt voraussichtlich auch die Zahl der Bafög-Bezieher. Die Bafög-Ämter haben dafür kein nennenswertes zusätzliches Personal erhalten, denn ob und welcher Effekt sich durch die Bafög-Reform sowie durch die Digitalisierung bei der Zahl der Bafög-Bezieher ergibt, lässt sich erst im Nachhinein feststellen.