Preisbremsen Lesezeit 4 Min.

Interview: „Es bleiben Sparanreize erhalten, das ist ein großes Plus“

Aufgrund der Energiekrise entlasten viele Staaten, darunter auch Deutschland, unter anderem mit Preisbremsen die Gas- und Stromkunden. Inwiefern diese Maßnahmen den Ausbau der erneuerbaren Energien beeinträchtigen und warum Verbraucher sich mit einem Wechsel des Stromanbieters gerade so schwertun, erklären die beiden IW-Energieökonomen Dennis Bakalis und Andreas Fischer.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die deutsche Strompreisbremse hat den Vorteil, dass sie an den Verbraucherpreisen für die Industrie und die Haushalte ansetzt, sagt IW-Energieökonom Dennis Bakalis. Zudem sei die finanzielle Entlastung begrenzt, sodass Sparanreize erhalten blieben.
  • In Spanien setze die Preisbremse vor der Preisbildung an der Strombörse an und führe durch die forcierte Preissenkung potenziell auch zu einem Anstieg des Stromverbrauchs.
  • IW-Energieökonom Andreas Fischer betont, dass langfristige Strategien wichtig seien, wie sie auch die EU verfolge, um Preisschocks auf den Energiemärkten künftig zu vermeiden.
Zur detaillierten Fassung

Bremsen die Gas- und Strompreisbremsen die deutsche Energiewende aus?

Bakalis: Entscheidend ist, wie die Maßnahmen ausgestaltet werden. Dabei könnte der deutsche Ansatz einen potenziell negativen Effekt auf den Ausbau der erneuerbaren Energien haben. Denn die Entlastungen bei den gestiegenen Strom- und Gaspreisen sollen über die Abschöpfung sogenannter Überschusserlöse der Stromerzeuger finanziert werden, insbesondere von erneuerbaren Energien. Wenn diese Erlöse abgeschöpft werden, könnte das möglicherweise den Ausbau beeinträchtigen, da Investitionsanreize in neue Anlagen gemindert werden.

In Spanien setzt die Preisbremse vor der Preisbildung an der Strombörse an und führt durch die forcierte Preissenkung potenziell auch zu einem Anstieg des Stromverbrauchs.

Fischer: Die Preiskrise an sich hat ebenfalls negative Effekte, beispielsweise weil die Investitionsmittel, die für die Energiewende gebraucht werden, in einigen Fällen durch die starken Preisanstiege einfach aufgefressen werden.

Verhindert die Preisbremse in Deutschland einen Wechsel der Verbraucher zu einem günstigeren Anbieter?

Dennis Bakalis und Andreas Fischer sind Energieökonomen beim Institut der deutschen Wirtschaft; Fotos: IW Medien Fischer: Das ist gerade schwer zu beurteilen. Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten wieder erste Preisabsenkungen auf den Energiemärkten beobachtet. Es gibt deshalb wieder etwas günstigere Angebote für Strom und Gas. Aber die Verbraucher scheinen verständlicherweise zögerlich, zu wechseln. Denn sie haben im letzten und vorletzten Jahr gesehen, was passiert, wenn man zu günstigeren Anbietern wechselt und das Geschäftsmodell schiefgeht. Das hat bei den betroffenen Verbrauchern letztlich in vielen Fällen zu höheren Kosten geführt.

Die Preisbremsen in Deutschland sollen Ende April 2024 auslaufen. Bis dahin ist die Energiekrise aller Voraussicht nach aber noch nicht vorbei …

Fischer: Das ist nicht der springende Punkt. Die Frage ist, wann ist die akute Krise und damit die Unsicherheit in der Gasversorgung mit entsprechend starken Effekten auf die Preise vorbei. Klar ist: Wir werden auch mittel- bis langfristig etwas höhere Gaspreise in Europa haben als vor der Krise und das schlägt sich im Zweifel auch auf den Strompreis nieder. Wann genau wir hier dieses stabilere „New Normal“ erreichen, ist allerdings noch nicht ganz klar.

Auf dem Prüfstand: das Merit-Order-Prinzip

Die EU schaut überdies momentan aktiv auf die Strommärkte und arbeitet an einer Reform des Strommarktdesigns, sodass sich die Rahmenbedingungen künftig deutlich ändern könnten. Vor allem möchte die EU das Merit-Order-Prinzip, wonach die günstigsten Stromerzeuger bevorzugt werden, aber auch die teuerste noch benötigte Kilowattstunde den Börsenpreis setzt, auf den Prüfstand stellen.

Welche anderen EU-Staaten haben ebenfalls Preisbremsen im Energiesektor etabliert?

Fischer: Spanien und Portugal haben eine Preisbremse für Strom eingeführt. Aber es gibt ja nicht nur Preisbremsen und ähnliche Maßnahmen. Viele Staaten, darunter auch Deutschland und Spanien, haben die Mehrwertsteuer auf Gas gesenkt. Das Abschöpfen und Umverteilen der sogenannten Zufallsgewinne von Energiekonzernen ist ein zusätzlicher Vorschlag, der von der EU kommt und von vielen Mitgliedsstaaten begrüßt wurde.

Regulierte Stromtarife in Frankreich

Ansonsten hatten wir schon vor der Energiekrise große Unterschiede in der EU: Frankreich etwa hat ebenfalls regulierte Stromtarife, wo große Mengen des Stroms zu einem Festpreis weiterverkauft werden.

Und welcher Ansatz funktioniert am besten?

Bakalis: Eine Intervention in den freien Markt ist immer schwer zu gestalten, da schnell ungewollte Folgeeffekte entstehen können, die bei den Anreizmechanismen der Marktteilnehmer ansetzen. Wenn wir den spanischen und den deutschen Ansatz vergleichen, wird klar, dass die Mechanismen ganz anders wirken: In Spanien setzt die Preisbremse vor der Preisbildung an der Strombörse an und führt durch die forcierte Preissenkung potenziell auch zu einem Anstieg des Stromverbrauchs. Und es wird mehr Strom mithilfe von Gaskraftwerken erzeugt.

Wie sieht das denn in Deutschland aus?

Bakalis: Im deutschen Modell wirkt der Mechanismus nicht an den Strombörsen, sondern setzt an den Verbraucherpreisen für die Industrie und die Haushalte an. Zudem ist die finanzielle Entlastung begrenzt, weil sie nur für einen Teil des Vorjahresverbrauchs gilt. So bleiben Sparanreize erhalten und das ist ein ganz großes Plus.

Nötig sind Strategien, die Preisschocks vermeiden

Fischer: Bei diesen kurzfristigen Maßnahmen gibt es keine wirklich perfekte Lösung, da kommt es auch ganz auf die eigentliche Zielsetzung an. Wichtig sind die langfristigen Strategien, wie sie auch die EU verfolgt, um derartige Preisschocks auf den Energiemärkten künftig zu vermeiden: Ein Beispiel dafür ist das Stärken von langfristigen Lieferverträgen von grünem Strom, wodurch einerseits die Investitionen in erneuerbare Energien abgesichert werden, die Verbraucher andererseits aber eine höhere Preisstabilität haben.

Viele andere EU-Staaten kritisieren Deutschland für seine Gas- und Strompreisbremsen. Warum?

Fischer: Der Kritikpunkt der anderen Länder sind nicht unbedingt diese Maßnahmen an sich, sondern die 200 Milliarden Euro, die die Bundesregierung für den sogenannten Doppel-Wumms zur Verfügung stellen möchte. Die anderen Staaten werfen Deutschland vor, die heimische Wirtschaft mit 200 Milliarden Euro zu unterstützen und sich auf diese Weise einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Aber so ist es ja nicht. Erstens werden voraussichtlich aufgrund der Komplexität gar nicht alle Unternehmen in Deutschland die sogenannten Gas- und Strompreisbremsen in Anspruch nehmen und es profitieren davon ja vor allem auch die privaten Verbraucher. Zweitens umfasst die genannte Summe weit mehr als nur diese beiden Maßnahmen.

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesene