Metall- und Elektro-Industrie Lesezeit 2 Min.

Interview: „Ein Flächentarifvertrag ist aktueller denn je“

In schwierigen Zeiten haben sich die Tarifpartner in der Metall- und Elektro-Industrie auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt. IW-Ökonom Hagen Lesch ordnet das Ergebnis ein.

Kernaussagen in Kürze:
  • Im iwd-Interview betont IW-Ökonom Hagen Lesch, dass die Bundesregierung den Tarifpartnern der M+E-Industrie die richtigen Instrumente an die Hand gegeben hat, um beim neuen Tarifvertrag einen Kompromiss zu finden.
  • Im Ergebnis, so Lesch, führt der Kompromiss zu keinem Konflikt zwischen Geld- und Lohnpolitik und setzt keine Lohn-Preis-Spirale in Gang.
  • Ein Flächentarifvertrag wie in der Metall- und Elektro-Industrie verhindert, dass Konflikte in die Betriebe gelangen, weil sie bereits auf Branchenebene gelöst werden.
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Auf den ersten Blick sind 8,5 Prozent mehr Gehalt ein gutes Ergebnis für die IG Metall. Doch der M+E-Tarifvertrag läuft zwei Jahre und bei einer Inflationsrate von 10 Prozent wird vom Lohnplus am Ende real nichts übrig bleiben. Weshalb haben sich die Arbeitnehmer dennoch darauf eingelassen?

Richtig ist, dass die prozentualen Anpassungen die Inflation nicht vollständig ausgleichen werden. Die IG Metall kann aber auf die steuerfreien Einmalzahlungen verweisen. Ein Vollzeitbeschäftigter bekommt zweimal 1.500 Euro netto. Damit lässt sich eine höhere Strom- oder Gasrechnung abfedern. Die Bundesregierung hat den Tarifparteien hier eine Brücke gebaut, die es erleichtert hat, einen Kompromiss zu finden.

Der Tarifabschluss fällt – trotz hoher Inflation – nicht aus dem üblichen Rahmen.

Könnte die Lohn-Preis-Spirale in Deutschland verhindert werden, wenn der Tarifvertrag der Metaller anderen Branchen als Vorbild dient?

Hagen Lesch ist Leiter des Clusters Arbeitswelt und Tarifpolitik am Institut der deutschen Wirtschaft, Foto: IW Medien Das kann er. Schaut man auf die Kostenrechnung der Arbeitgeber, fällt der Tarifabschluss – trotz hoher Inflation – nicht aus dem üblichen Rahmen. Wird die steuerfreie Einmalzahlung schon 2022 ausgezahlt oder durch eine Rückstellung bilanziert, steigen die Lohnkosten 2022 um 3,04 Prozent. Im nächsten Jahr sind es 3,49 Prozent. Zieht man davon den Produktivitätsgewinn von rund 1 Prozent ab und berücksichtigt man, dass die Europäische Zentralbank eine Inflation von 2 Prozent toleriert, droht kein Konflikt zwischen Geld- und Lohnpolitik.

Der neue Tarifvertrag enthält einige flexible Elemente, um M+E-Firmen je nach Wirtschaftslage nicht zu überfordern. Ist der Flächentarifvertrag also eigentlich längst überholt?

Angesichts der derzeitigen Herausforderungen halte ich den Flächentarifvertrag für aktueller denn je. Die Inflation führt – ebenso wie der wachsende Arbeitskräftemangel – auch ohne Tarifbindung bei den Löhnen zu einem großen Handlungsbedarf. Da wird es noch manchen innerbetrieblichen Konflikt geben. Der Metallabschluss zeigt, dass man auf der Branchenebene tragfähige Kompromisse schmieden kann und den Konflikt so weitgehend aus dem Betrieb heraushält.

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