Interview: „Den Infektionsschutz schultern die Betriebe“
Im Jahr 2020, dem ersten Corona-Jahr, haben sich weniger Arbeits- und Wegeunfälle ereignet – Lockdown und Homeoffice sei Dank. Gleichzeitig hat das Virus zu mehr Verdachtsfällen bei den Berufserkrankungen geführt. Dennoch setzt sich die Erfolgsstory des betrieblichen Arbeitsschutzes fort, sagt Jochen Pimpertz, Leiter des Kompetenzfelds „Öffentliche Finanzen, Soziale Sicherung, Verteilung“ im Institut der deutschen Wirtschaft.
- In der Corona-Pandemie haben sich dank Lockdown und Homeoffice im Jahr 2020 weniger Arbeits- und Wegeunfälle ereignet.
- Obwohl das Virus zu mehr Verdachtsfällen bei den Berufserkrankungen geführt hat, setzt sich die Erfolgsstory des betrieblichen Arbeitsschutzes fort, meint Jochen Pimpertz im iwd-Kommentar.
- Schließlich sinkt das Arbeitsunfallrisiko bereits seit zwei Jahrzehnten – zur Jahrtausendwende gab es noch gut 37 Fälle je 1.000 Vollzeitstellen, im Jahr 2020 waren es nur 21 Fälle.
Im ersten Corona-Jahr ist das Arbeitsunfallrisiko in den Betrieben der gewerblichen Wirtschaft gesunken – von rund 24 Fällen je 1.000 Vollzeitstellen im Jahr 2019 auf 21 im Jahr 2020. Vermutlich haben Lockdown und Homeoffice die Entwicklung begünstigt. Denn nicht nur die Zahl der Arbeitsunfälle, sondern auch die der Wegeunfälle ist gegenüber dem Vorjahr gesunken. Tatsächlich sinkt aber das Arbeitsunfallrisiko bereits seit zwei Jahrzehnten – zur Jahrtausendwende gab es noch gut 37 Fälle auf je 1.000 Vollzeitstellen.
Dass die Unternehmen in Deutschland den Arbeitsschutz auch während der Pandemie weiterentwickelt haben, kommt nicht nur in den zahlreichen Betriebsbesichtigungen durch Gewerbeaufsicht und Berufsgenossenschaften zum Ausdruck. Im ersten Corona-Jahr wurden in gut 29.000 Schulungen auch mehr als 211.000 Teilnehmer in Sachen Arbeitsschutz trainiert.
Deutliche Spuren hat Corona allerdings in der Statistik der Berufserkrankungen hinterlassen. Immer dann, wenn eine Erkrankung möglicherweise durch die berufliche Tätigkeit ausgelöst wird, muss der Arbeitgeber nämlich einen Verdachtsfall an die Berufsgenossenschaft melden. Vor Corona rangierten Hauterkrankungen an der Spitze der Verdachtsfälle, mit der Pandemie wurden sie aber von den „Infektionserregern“ abgelöst – hierunter werden Corona-Fälle eingeordnet. Ob sich die Mitarbeiter im privaten Umfeld oder am Arbeitsplatz infiziert haben, lässt sich nicht immer klären. Dennoch wurden über 19.000 Fälle anerkannt – ohne dass deswegen die Kosten für Heilbehandlungen oder die Zahl der infektionsbedingten Berufsunfähigkeitsfälle signifikant angestiegen sind.
Das Arbeitsunfallrisiko sinkt bereits seit zwei Jahrzehnten: Zur Jahrtausendwende gab es noch gut 37 Fälle auf je 1.000 Vollzeitstellen, 2020 waren es nur 21 Fälle.
Schaut man auf die Gesamtaufwendungen der gesetzlichen Unfallversicherung, mag der vergleichsweise geringe Ausgabeposten von 1,2 Milliarden Euro für die Prävention irritieren. Rentenzahlungen machen mit mehr als 6 Milliarden Euro aller Gesamtausgaben die größten Posten aus, gefolgt von den Behandlungskosten mit 5 Milliarden Euro. Geht es aber um Investitionen in ergonomische Arbeitsplätze oder sichere Maschinen, dann tauchen die Kosten nicht in der Bilanz der Berufsgenossenschaften auf, sondern in den Gewinn- und Verlustrechnungen der Unternehmen. Das gilt im Übrigen auch für die Aufwendungen, die der Infektionsschutz in den Betrieben erfordert.