Konjunkturprognose Lesezeit 4 Min.

Im Wechselbad der Pandemie

Während sich in Ländern wie China oder den USA bereits eine deutliche Erholung der Wirtschaft abzeichnet, hält die Pandemie die Gesellschaft und Wirtschaft in Deutschland noch fest im Griff. Nach einem Rückgang um knapp 5 Prozent im Jahr 2020 wird das reale BIP in diesem Jahr um etwa 3 Prozent zulegen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Auch wenn die Pandemie die deutsche Gesellschaft und Wirtschaft noch fest im Griff hat, spricht der anziehende Welthandel dafür, dass auch die deutsche Wirtschaft bald auf den Wachstumspfad zurückkehren wird.
  • Nach einem Rückgang um knapp 5 Prozent im vergangenen Jahr wird das reale Bruttoinlandsprodukt 2021 voraussichtlich um etwa 3 Prozent zulegen.
  • In Ländern wie China oder den USA zeichnet sich schon jetzt eine deutliche Erholung der Wirtschaft ab. Im direkten Vergleich hinkt die EU hinterher.
Zur detaillierten Fassung

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie treffen die deutsche Wirtschaft hart. Doch anders als im ersten Lockdown im Frühjahr 2020, zeichnet sich derzeit eine zunehmende Spaltung ab: So herrscht in großen Teilen des Dienstleistungssektors seit mehr als einem Vierteljahr nahezu Stillstand – und eine konkrete Öffnungsperspektive und Verbesserung der wirtschaftlichen Lage sind nicht in Sicht.

Gleichzeitig sorgt die relativ gute Lage auf vielen Weltmärkten aber dafür, dass sich die deutsche Industrie weiter erholt. Nachdem das Verarbeitende Gewerbe mit einem Rückgang von 23 Prozent im zweiten Quartal 2020 am stärksten innerhalb des Branchengefüges getroffen wurde, konnte die Produktionslücke im Schlussquartal auf knapp 6 Prozent vermindert werden.

Nach einem Rückgang um knapp 5 Prozent im vergangenen Jahr wird das reale Bruttoinlandsprodukt 2021 um etwa 3 Prozent zulegen.

Im Vergleich mit früheren Industriekrisen ist das Erholungstempo beim Welthandel insgesamt beeindruckend: Nach nur einem halben Jahr erreichten die globalen Einfuhren nach ihrem Einbruch von 13 Prozent im Frühjahr 2020 wieder das Niveau vom Jahresanfang. Zum Vergleich: Der nur 5 Prozentpunkte stärkere Rückgang beim Weltimport nach der Finanzmarktkrise 2008/2009 konnte erst nach 20 Monaten ausgeglichen werden.

In China und den USA ist die Wirtschaft schon auf Wachstumskurs

Die wirtschaftliche Erholung verläuft aber nicht überall in gleichem Tempo (Grafik).

Preis- und saisonbereinigtes Bruttoinlandsprodukt; 4. Quartal 2019 = 100 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

USA. Auch dank des historisch größten Konjunkturpakets zeichnet sich eine rasche Erholung der US-Wirtschaft ab. Vor dem witterungsbedingten Rückgang im Februar 2021 verbuchten die Einzelhandelsumsätze im Januar mit 7,6 Prozent den dritthöchsten Anstieg seit Beginn der 1990er Jahre. Zudem haben die USA eine der höchsten Impfraten weltweit, was für wachsende Zuversicht unter Verbrauchern und Unternehmen sorgt. Somit ist davon auszugehen, dass die USA das Vorkrisenniveau ihrer Wirtschaftsleistung schon zu Beginn des zweiten Quartals 2021 erreichen und Anfang des Jahres 2022 den Vorkrisenwachstumspfad fortsetzen wird.

China. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt hat das Vorkrisenniveau bereits im zweiten Quartal 2020 erreicht. Dank niedriger Infektionszahlen und einer flächendeckenden Teststrategie dürfte sich dieser Trend fortsetzen, sodass Chinas BIP 2021 um 9 Prozent zulegen wird. Nach dieser hohen Schlagzahl und auch wegen einiger ungelöster Handelskonflikte wird die Wirtschaftsleistung 2022 um etwa 5 Prozent zulegen.

EU. Ganz anders ist die Lage in Europa. In zahlreichen EU-Ländern läuft eine dritte Infektionswelle, so dass keine vollständige Öffnung des wirtschaftlichen Lebens möglich ist. Es ist also nicht damit zu rechnen, dass es vor Ende des zweiten Quartals zu einer deutlichen Erholung kommt. Für das gesamte Jahr 2021 ist deshalb nur von einem Anstieg der wirtschaftlichen Leistung in Höhe von 3,75 Prozent auszugehen – nach dem Einbruch von 6,8 Prozent im vergangenen Jahr. Im Jahr 2022 wird das Wirtschaftswachstum bei etwa 4 Prozent liegen.

Der Konsum wird 2021 stagnieren

Zwar bleibt die weitere Entwicklung der Pandemie – gerade mit Blick auf die langsame Impfkampagne in Deutschland – ungewiss. Dennoch spricht der anziehende Welthandel dafür, dass auch die deutsche Wirtschaft bald auf den Wachstumspfad zurückkehren wird (Grafik):

Nach einem Rückgang um knapp 5 Prozent im vergangenen Jahr wird das reale Bruttoinlandsprodukt 2021 um etwa 3 Prozent zulegen.

Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Weitere Ergebnisse der IW-Konjunkturprognose im Einzelnen:

Konsum. Nach dem Rückgang von gut 6 Prozent im vergangenen Jahr wird der Konsum 2021 stagnieren. Das liegt am erneuten Nachfragerückgang im ersten Quartal 2021 und der verzögerten Erholung im zweiten Quartal infolge anhaltender Schließungen. Auch der erwartete kräftige Nachholbedarf im zweiten Halbjahr 2021 wird nicht ausreichen, die Jahresbilanz ins Plus zu bringen.

Investitionen. Der starke Abschwung hat vor allem die Investitionen in neue Maschinen und Produktionsanlagen getroffen – hier steht 2020 ein Minus von 12 Prozent in den Büchern. Mit der für das zweite Halbjahr 2021 erwarteten Erholung werden die Investitionen zwar kräftig anziehen. Der durchschnittliche Zuwachs von 6 ½ Prozent wird allerdings nicht ausreichen, um die Lücke aus dem Vorjahr zu füllen. Dies wird erst im Jahr 2022 gelingen, für das ein Zuwachs von mehr als 10 Prozent in Aussicht steht.

Außenhandel. Die Weltwirtschaft hat wieder an Fahrt aufgenommen, was die deutschen Exporte beflügelt. Deshalb ist im Jahr 2021 wieder ein Wachstum der realen Ausfuhren von 9 ½ Prozent drin. Die Importe werden wegen der schwachen Konsum- und Reisenachfrage 2021 mit knapp 7 Prozent weniger stark zulegen zu als die Exporte.

Arbeitsmarkt. Die Corona-Krise trifft den deutschen Arbeitsmarkt weitaus heftiger als die Finanz- und Wirtschaftskrise 2009. Der steigende Anteil Langzeitarbeitsloser wird im laufenden Jahr den schnellen Abbau der Arbeitslosigkeit erschweren. So wird die Zahl der Arbeitslosen auf knapp 2,8 Millionen im Jahresdurchschnitt 2021 ansteigen und erst 2022 auf knapp 2,6 Millionen sinken – und damit das Vorkrisenniveau nicht erreichen können.

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