IW-Konjunkturprognose Lesezeit 4 Min.

Die deutsche Wirtschaft wächst - wenn Corona mitspielt

Die zweite Corona-Welle setzt der deutschen Wirtschaft derzeit heftig zu. Doch die Zulassung von Impfstoffen macht Hoffnung auf einen kräftigen Wachstumsschub im kommenden Jahr. Das gilt auch für die Weltwirtschaft insgesamt – allerdings werden viele Volkswirtschaften zunächst in einer Winterstarre verharren.

Kernaussagen in Kürze:
  • Nach dem Rückgang um 5 ¼ Prozent in diesem Jahr wird das deutsche Bruttoinlandsprodukt 2021 real um 4 Prozent zulegen.
  • Voraussetzung ist allerdings, dass es keine dritte Corona-Welle und weitere Lockdowns gibt.
  • Auch die Weltwirtschaft kann sich im nächsten Jahr erholen.
Zur detaillierten Fassung

Die Erholung der deutschen Wirtschaft wird im vierten Quartal 2020 wieder ausgebremst. Zwar dürften die Senkung der Mehrwertsteuer und zahlreiche andere konjunkturelle Unterstützungsmaßnahmen positive Impulse setzen. Die erneuten Schließungen von Restaurants und Kultureinrichtungen belasten das Wirtschaftsleben aber deutlich.

Durch das Auslaufen der Mehrwertsteuersenkung, Beeinträchtigungen in der Bauwirtschaft durch fehlende Arbeitskräfte und vor allem die international angespannte Infektionslage sowie die damit verbundene Exportschwäche wird sich die Winterrezession im ersten Quartal 2021 fortsetzen.

Dieser prognostizierte Konjunkturverlauf spiegelt sich auch in den Erwartungen der gut 2.000 Unternehmen wider, die das IW im November 2020 gefragt hat, wie hoch sie ihre Produktionslücken aktuell und für das kommende Jahr im Vergleich zur Lage vor der Corona-Pandemie einschätzen:

65 Prozent der Unternehmen haben derzeit Produktionseinbußen zu beklagen – im ersten Halbjahr 2021 wird dieser Anteil auf 73 Prozent steigen.

Im zweiten Halbjahr wird die Quote – wenn alles gut läuft – wieder auf das aktuelle Niveau sinken und für 2022 erwarten nur noch 50 Prozent der befragten Unternehmen Einschränkungen ihrer Produktion.

Das heißt: Derzeit spricht vieles dafür, dass es nach dem Winterhalbjahr zu einem kräftigen Wachstumsschub kommen kann: Mit dem wärmeren Temperaturen nimmt die Corona-Anfälligkeit der Bevölkerung ab, die geplanten Impfungen werden das Gesundheitssystem und andere Bereiche entlasten, aufgestauter Konsum und zurückgestellte Investitionen werden nachgeholt.

Nach dem Rückgang um 5 ¼ Prozent in diesem Jahr wird das deutsche Bruttoinlandsprodukt 2021 real um 4 Prozent zulegen.

All dies gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für seine Handelspartner, sodass das Exportgeschäft ebenfalls wieder an Fahrt gewinnen kann.

Erholung der Weltwirtschaft. Durch die zweite Corona-Welle und die damit verbundenen Einschränkungen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens wird das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr voraussichtlich um 4 Prozent schrumpfen. Unter der entscheidenden Annahme, dass die weltweite Impfoffensive bereits im ersten Halbjahr 2021 beginnt, dürfte die Weltwirtschaft im kommenden Jahr aber wieder um 4 ½ Prozent zulegen.

Die Erholung wird allerdings nicht überall in gleichem Tempo verlaufen (Grafik): Veränderung der Komponenten des Bruttoinlandsprodukts gegenüber Vorjahr in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Euroraum. Weil die Euroländer von der zweiten Infektionswelle stärker getroffen worden sind als von der ersten, ist nicht damit zu rechnen, dass es zu einer schnellen Erholung kommt. Im Jahr 2020 wird das BIP des Euroraums voraussichtlich um 7 Prozent sinken und im nächsten Jahr um 5 Prozent steigen. Das heißt:

Der Euroraum wird erst im Laufe des Jahres 2022 zum Vorkrisenniveau zurückkehren.

Besonders steinig wird der Weg für Frankreich, Italien und Spanien, wo die Wirtschaftsleistung 2020 zwischen 9 und fast 12 Prozent eingebrechen dürfte.

USA. Obwohl der Konsum, die Investitionen und der Export im zweiten Quartal zweistellige Minusraten verzeichneten, zeichnet sich dank des historisch größten Konjunkturpakets bereits seit Juni eine Erholung der US-Wirtschaft ab. Wenn die neue Regierung unter Joe Biden wie versprochen entschlossene Schritte zur Eindämmung der Pandemie einleitet, ist davon auszugehen, dass die USA das Vorkrisenniveau ihrer Wirtschaftsleistung gegen Ende 2021 erreichen wird.

China. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt hat das Vorkrisenniveau bereits im zweiten Quartal dieses Jahres erreicht und ist auch im dritten Quartal gewachsen. Dank niedriger Infektionszahlen und einer flächendeckenden Teststrategie dürfte sich dieser Trend fortsetzen, sodass Chinas BIP 2020 um 2 Prozent zulegen wird – im kommenden Jahr dürften sogar 9 Prozent drin sein.

Mit solchen Wachstumsraten kann Deutschland zwar nicht aufwarten, doch wenn sich die Weltwirtschaft wie erhofft belebt, dürfte dies der hiesigen Exportkonjunktur neuen Schwung verleihen. Nachdem die deutschen Ausfuhren 2020 voraussichtlich um 11 Prozent unter dem Vorjahresniveau liegen werden, ist im kommenden Jahr wieder ein Plus von 7 Prozent drin.

Dieser außenwirtschaftliche Schub trägt dazu bei, dass die gesamtwirtschaftliche Produktionslücke bis zum Jahresende 2021 wieder geschlossen werden kann (Grafik):

Nach dem Rückgang um 5 ¼ Prozent in diesem Jahr wird das reale Bruttoinlandsprodukt 2021 um 4 Prozent zulegen. Veränderung des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts gegenüber dem Vorjahr in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Weitere Ergebnisse der IW-Konjunkturprognose im Einzelnen:

Konsum. Im laufenden Jahr wird der private Konsum aufgrund der eingeschränkten Einkaufsmöglichkeiten und der Zurückhaltung der Verbraucher um 6 Prozent zurückgehen. Für 2021 ist – auch dank des Nachholbedarfs – ein Plus von 4 Prozent zu erwarten.

Investitionen. Der starke Abschwung hat vor allem die Investitionen in neue Maschinen und Produktionsanlagen getroffen – hier steht 2020 ein Minus von 14 Prozent in den Büchern. Angesichts der global besseren Stimmung sollten die Ausrüstungsinvestitionen im kommenden Jahr aber wieder um rund 7 Prozent zulegen. Bei den gesamten Anlageinvestitionen ist ein Plus von 2 ¾ Prozent zu erwarten.

Arbeitsmarkt. Die Corona-Pandemie hat in Deutschland zu einem deutlichen Rückgang der Arbeitskräftenachfrage geführt. Dies wurde zwar mit einer Verkürzung der Arbeitszeit teilweise aufgefangen, dennoch wird die Erwerbstätigkeit 2020 um 1 Prozent zurückgehen und im kommenden Jahr nahezu stagnieren. Auch die Arbeitslosigkeit sollte vorerst auf dem 2020er Niveau von knapp 6 Prozent verharren.

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