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Im Strudel der Corona-Verschwörungsmythen

Mikrochips, die durch Impfungen implantiert werden, Corona als geheime Biowaffe der Pharmaindustrie – Verschwörungsmythen wie diese klingen abstrus. Doch gerade in Krisenphasen teilen viele Menschen die Welt gerne in Schwarz und Weiß ein. Der Grund: Verschwörungserzählungen geben Halt in unsicheren Zeiten.

Kernaussagen in Kürze:
  • In Deutschland gibt es nicht wenige Menschen, die Verschwörungsmythen grundsätzlich nicht abgeneigt sind und die glauben, dass Politik und Medien den wahren Grund hinter den Corona-Maßnahmen verschweigen.
  • So grenzen sich rund 30 Prozent der Bevölkerung in Deutschland nicht deutlich von der Aussage ab, dass das Coronavirus ein Unterdrückungsinstrument staatlicher Institutionen sei.
  • Aus soziologischer und psychologischer Perspektive helfen Verschwörungstheorien, mit Unsicherheit und Kontrollverlust umzugehen.
Zur detaillierten Fassung

Die Liste der alternativen Erklärungen rund um Corona ist lang. Denn seit Beginn der Pandemie erleben Verschwörungsmythen eine regelrechte Hochkonjunktur. So gibt es in Deutschland nicht wenige Menschen, die diesen Mythen grundsätzlich nicht abgeneigt sind und die glauben, dass Politik und Medien den wahren Grund hinter den Corona-Maßnahmen verschweigen (Grafik):

Rund 30 Prozent der Bevölkerung in Deutschland grenzen sich nicht deutlich von der Aussage ab, dass das Coronavirus ein Unterdrückungsinstrument staatlicher Institutionen sei.

So viel Prozent der Deutschen halten die Aussage, dass das Coronavirus nur ein Instrument zur Unterdrückung sei, für... Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Dieses Phänomen trifft aber nicht nur auf die Menschen in Deutschland zu, sondern ist auf der ganzen Welt zu beobachten:

In den USA meinen insgesamt 36 Prozent der Bevölkerung, dass die Corona-Pandemie sicher oder sehr wahrscheinlich von mächtigen Menschen in einem internationalen Komplott geplant wurde.

Doch warum glauben Menschen Erzählungen wie diesen? Aus soziologischer und psychologischer Perspektive helfen Verschwörungstheorien, mit Unsicherheit und Kontrollverlust umzugehen. Haben Menschen nicht mehr das Gefühl, selbst über ihr Leben und ihre Umwelt bestimmen zu können, suchen sie vermehrt nach alternativen Begründungen. Und in einer Pandemie mit Beschränkungen, die tief ins Private hineinreichen oder sogar die wirtschaftliche Existenz bedrohen, ist der gefühlte Kontrollverlust je nach Betroffenheit besonders groß.

Kein Wunder also, dass auch Protestgruppen in Krisenzeiten mehr Zulauf bekommen. So gibt es in Deutschland seit dem Frühjahr 2020 die sogenannte Querdenker-Bewegung. Zu deren Anhängern gehören auch jene Mitbürger, die die Existenz des Virus sogar leugnen. Die Bewegung eint vor allem ein starkes Misstrauen in politische Institutionen und etablierte Medien.

Grundsätzlich sind Menschen mit einem geringen generellen Vertrauen in ihre Mitmenschen eher geneigt, alternativen Fakten Glauben zu schenken. Mit Blick auf die Gesamtbevölkerung in Deutschland zeigt sich beim Thema Vertrauen ein gespaltenes Bild (Grafik):

Rund die Hälfte der Bundesbürger vertraut grundsätzlich ihren Mitmenschen, knapp ein Drittel hegt allerdings ein generelles Misstrauen.

So viel Prozent der Bevölkerung Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Politischen Institutionen und Parteien misstrauen Letztere oft am meisten – in der aktuellen Krise zeigen neueste Umfragen der Universität Erfurt aus dem Frühjahr 2021 kein positives Bild:

Nur noch 25 Prozent der Bundesbürger vertrauen dem Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung, 60 Prozent haben kein Vertrauen in den Umgang der Politik mit der Pandemie.

Aus verhaltensökonomischer Perspektive kann zumindest erklärt werden, was das Misstrauen auslöst. So sind zum Beispiel soziale Medien ein Nährboden für Verschwörungstheorien, in denen es eigene Standards und Wege gibt, Expertenmeinungen und Fakten zu interpretieren. Wird auf Falschmeldungen geklickt, spuckt der Algorithmus immer mehr vergleichbare Inhalte aus, sodass sich kommunikative Filterblasen bilden. Der Nutzer konsumiert also nur noch Meinungen, die seine eigene Haltung bestätigen.

Maßnahmen gegen Vertrauensverlust

So hilfreich der Glaube an einfache Erklärungen kurzfristig für den Einzelnen sein mag, so schädlich ist er langfristig für das Zusammenleben in einer Gesellschaft. Allerdings eröffnen diese Erkenntnisse auch Spielraum für Maßnahmen, mit denen sich gegensteuern lässt: Darunter fällt zum Beispiel eine inklusive Kommunikation auf politischer Ebene, die auch jene Menschen in die Diskussion miteinbezieht, die sich am Rande der Gesellschaft befinden. Dabei ist es aber wichtig zu beachten, dass der Wissensstand in der Bevölkerung sehr unterschiedlich ist und die Maßnahmen zumindest milieuspezifisch sein müssen. In Köln ist man mit besonderen Impfangeboten und teils sprachlich angepasster Kommunikation je nach Viertel und Bevölkerungsgruppe diesen Weg gegangen, um mehr gefährdete Menschen zu erreichen und die Impfbereitschaft zu erhöhen.

Im persönlichen Umfeld kann aber auch jeder Bürger etwas tun: zum Beispiel nicht wegschauen, wenn Freunde, Familienmitglieder oder Nachbarn alternativen Fakten glauben. So schwer solche Gespräche auch sind, sie können verhindern, dass sich Menschen zunehmend radikalisieren.

Transparenz und Aufklärung über die politischen Maßnahmen sind ebenso wichtig – bestenfalls kombiniert mit einer nachvollziehbaren langfristigen Strategie. Sinnvoll wären zum Beispiel politische Initiativen, die Menschen die Chance geben, sich aktiv in den politischen Prozess einzubringen. Am Ende kommt es vor allem darauf an, dem Einzelnen das Gefühl der Kontrolle zurückzugeben.

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