Höhere Löhne für Hochqualifizierte
In vielen Berufen sind Fachkräfte rar. Höhere Löhne können Fachkräfte zu einem Jobwechsel motivieren. Eine empirische Analyse zeigt allerdings, dass der Zusammenhang zwischen Engpässen und Lohnentwicklung vornehmlich für Hochqualifizierte gilt. Grundsätzlich müssen Knappheiten in einzelnen Berufen bei der Lohnfindung stärker berücksichtigt werden.
- Die Löhne in Deutschland reagieren allem Anschein nach auf den Fachkräftemangel – in Berufen, in denen Fachkräfte zuletzt flächendeckend knapp waren, stiegen diie Löhne pro Jahr um 0,61 Prozentpunkte stärker als in anderen Berufen.
- Dieser Zusammenhang gilt allerdings vornehmlich für Hochqualifzierte.
- Mit Blick auf den demografischen Wandel sollte der Engpassindikator daher auch in vielen Fachkraft- und Spezialistenberufen bei der Lohnfindung mehr Gewicht bekommen.
Die Corona-Pandemie hat die Zahl der offenen Stellen sinken lassen. Dennoch, so sagen Ökonomen, ist das Thema Fachkräfteengpässe in Deutschland damit nicht vom Tisch. Einige Engpässe – zum Beispiel in den Gesundheitsberufen – sind durch die Pandemie sogar noch deutlicher zutage getreten als zuvor (siehe iwd 10/2020).
Gesamtwirtschaftlich betrachtet hat sich der Fachkräftemangel in den vergangenen Jahren deutlich verschärft. So zählten 2019 gut 45 Prozent aller Berufe in Deutschland zu den Engpassberufen – 2013 waren es noch weniger als 24 Prozent.
Sind Fachkräfte knapp, sollten der ökonomischen Theorie zufolge die Löhne steigen. Allerdings hängen die Arbeitsentgelte auch von Faktoren wie der Zahlungsbereitschaft der Kunden ab. Zudem prägt die Tarifbindung in Deutschland die Lohnfindung maßgeblich mit.
Löhne reagieren auf Fachkräfteengpässe
Dennoch gibt es deutliche Signale dafür, dass sich die Fachkräfteengpässe der vergangenen Jahre auf die Löhne ausgewirkt haben (Grafik):
Im Jahr 2013 lag der Medianlohn in Berufen, in denen Fachkräfte knapp waren, mit 3.300 Euro um 7,9 Prozent über dem Lohnniveau der Berufe ohne Fachkräfteengpässe. Bis 2019 stieg dieser Lohnvorsprung auf 9,3 Prozent.
Im Wesentlichen zeigt sich dieser Zusammenhang auch dann, wenn man auf jene Berufe schaut, in denen die Engpässe im Jahr 2013 besonders groß waren. Vergleichen lässt sich das Ausmaß der Engpässe mithilfe der Stellenüberhangquote. Sie bildet den Anteil der offenen Stellen ab, für die es bundesweit keine passend qualifizierten Arbeitslosen gibt. In den zehn Berufen mit dem größten Fachkräftemangel liegt diese Quote teils über 90 Prozent – zumeist mit dem zu erwartenden Lohneffekt (Grafik):
In sieben der zehn Berufe mit den größten Fachkräfteengpässen im Jahr 2013 stieg der Medianlohn bis 2019 deutlich stärker als im Durchschnitt aller Berufe – dort betrug der Zuwachs 15,5 Prozent.
Den höchsten Lohnanstieg verbuchten in diesen Engpassberufen die Fachkräfte in der Altenpflege mit 24 Prozent, gefolgt von den Spezialisten in den Bereichen Krankenpflege, Rettungsdienst und Geburtshilfe mit 22 Prozent.
Ein Schätzmodell bestätigt den grundlegenden Zusammenhang:
In Berufen mit einem flächendeckenden Fachkräftemangel steigen die Löhne pro Jahr um 0,61 Prozentpunkte stärker als in Berufen, in denen es ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte gibt.
Angesichts einer durchschnittlichen preisbereinigten Lohnsteigerung von 2,4 Prozent pro Jahr ist dieser Unterschied bemerkenswert.
Bei näherem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass Fachkräfteengpässe vor allem in Berufen mit komplexen Tätigkeiten zu überdurchschnittlichen Lohnerhöhungen führen. Ein Grund dafür könnte sein, dass es sich für die dort benötigten Hochqualifizierten eher rechnet, für eine besser bezahlte Stelle innerhalb Deutschlands umzuziehen. Die Löhne von beruflich qualifizierten Fachkräften reagieren dagegen insgesamt nicht messbar auf bestehende Engpässe.
Mehr Lohndifferenzierung auch bei beruflich qualifizierten Beschäftigten erforderlich
Dies ist mit Blick auf den demografischen Wandel problematisch: Wenn die Babyboomer-Jahrgänge demnächst in Rente gehen, werden sie verstärkt Lücken in jenen Berufen hinterlassen, die meist eine Ausbildung voraussetzen. Damit steigt der Druck auf die Lohnpolitik, flexibler auf die Knappheit zu reagieren.
Zwar ist das Lohnniveau in einigen Mangelberufen schon heute sehr hoch. Dabei wird jedoch oft nur wenig nach Engpässen differenziert. So war der Medianlohn von Maschinen- und Gerätezusammensetzern im Jahr 2018 ähnlich hoch wie der von Mechatronikern, obwohl Letztere deutlich knapper sind.
Deshalb sollte, soweit dies mit dem Solidarprinzip vereinbar ist, der Engpassindikator in vielen Fachkraft- und Spezialistenberufen mehr Gewicht bekommen; zwischen Tarif- und Effektivlohn muss eine ausreichend große Spanne bestehen.
Wo das Lohnsignal nicht ausreicht, um Arbeitskräfteangebot und -nachfrage in Einklang zu bringen, können auch nicht monetäre Anreize wie Angebote zur Aus- und Weiterbildung dazu beitragen, mehr Nachwuchskräfte für Engpassberufe zu gewinnen.