MINT-Herbstreport Lesezeit 3 Min.

Fachkräftemangel bleibt für Unternehmen akut

Die Fachkräftelücke in Berufen mit MINT-Schwerpunkt – also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – ist in Deutschland coronabedingt stark geschrumpft. Doch der langfristige Bedarf ist nicht gesunken. Ganz im Gegenteil: Aufgrund der Altersstruktur der MINT-Beschäftigten dürfte er in den kommenden Jahren weiter steigen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Wegen der Corona-Krise haben viele Unternehmen in Deutschland offene Stellen in MINT-Berufen gestrichen. Der Fachkräftemangel ist aber weiterhin vorhanden.
  • In den kommenden Jahren dürfte sich die Lage noch zusätzlich verschärfen, da der Anteil der älteren Beschäftigten deutlich gestiegen ist.
  • Problematisch ist der Fachkräftemangel besonders für die Metall- und Elektro-Industrie, wo 60 Prozent der Beschäftigten in MINT-Berufen arbeiten.
Zur detaillierten Fassung

Die Corona-Krise hat die deutsche Industrie hart getroffen. Viele Betriebe mussten vorübergehend schließen, noch immer sind Hunderttausende Beschäftigte in Kurzarbeit.

Für die Unternehmen bedeutet der wirtschaftliche Einbruch auch, nun den Gürtel enger zu schnallen, wo es geht. So haben bereits viele Firmen offene Stellen vorerst gestrichen. Das lässt sich auch an den Zahlen des aktuellen MINT-Herbstreports des Instituts der deutschen Wirtschaft ablesen:

Seit Februar 2020 hat sich die Lücke in den MINT-Berufen von 193.500 auf 108.700 im Oktober verringert.

Aber wie lässt sich anhand dieser extremen coronabedingten Entwicklung sagen, in welchen Bereichen der Rückgang besonders groß war oder wo weiterhin hohe Engpässe bestehen? Die IW-Forscher haben dazu den Durchschnitt der MINT-Lücke im Oktober der Jahre 2014 bis 2019 herangezogen und auf die Veränderungsraten geschaut (Grafik):

Die MINT-Lücke war im Oktober 2020 knapp 54 Prozent kleiner als im Schnitt der Jahre 2014 bis 2019.

So viele Stellen in den MINT-Berufen konnten in Deutschland nicht besetzt werden Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Unterteilt man die Ergebnisse nach Qualifikationsgrad, fällt auf, dass die Lücke bei den Fachkräften mit gut 70 Prozent am stärksten geschrumpft ist. Bei den Experten, darunter fallen vor allem Akademiker, betrug das Minus nur rund30 Prozent. Die Unternehmen sind also offenbar trotz der Corona-Krise weiterhin in hohem Maße auf der Suche nach Hochqualifizierten.

IT-Fachkräfte sind in den deutschen Unternehmen weiterhin sehr begehrt.

Auch zwischen den Berufen gibt es große Unterschiede. Die Bauberufe verzeichnen als einzige eine Vergrößerung der MINT-Lücke. Bei den Energie- und Elektroberufen betrug das Minus nur knapp 35 Prozent. Dagegen schrumpfte die MINT-Lücke in den Maschinenbau-, Fahrzeugbau- und Metallberufen sowie den Chemieberufen massiv. Insgesamt sind hier aktuell nur knapp 8.000 MINT-Stellen unbesetzt.

Begehrt sind in den Unternehmen weiterhin IT-Fachkräfte. Im Zeitraum von Ende 2012 bis zum Ende des ersten Quartals 2020 stieg die Zahl der beschäftigten IT-Facharbeiter um gut 52 Prozent, bei den IT-Experten waren es sogar fast 88 Prozent. Das sind die mit Abstand höchsten Wachstumsraten aller MINT-Berufe.

Alterung der Belegschaft bereitet Sorgen

Für die künftige Entwicklung der MINT-Lücke ist die Altersstruktur der derzeit Beschäftigten ein wichtiger Indikator (Grafik):

Ende 2012 waren 15 Prozent der MINT-Beschäftigten in Deutschland mindestens 55 Jahre alt, bis März 2020 ist der Anteil auf mehr als 20 Prozent gestiegen.

Anteil der über 55-Jährigen an allen sozialversicherungspflichtigen MINT-Beschäftigten in Deutschland in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

In Brandenburg zählt mittlerweile jeder vierte MINT-Arbeitnehmer zur Gruppe der über 55-Jährigen, in Bayern ist der Anteil mit gut 18 Prozent bundesweit am niedrigsten.

Allein um in Zukunft sämtliche MINT-Akademiker, die in den Ruhestand gehen, zu ersetzen, benötigt man rund zwei Drittel aller Hochschulabsolventen aus dem MINT-Bereich. Ein Beschäftigungswachstum wird dadurch erschwert. Und bei den MINT-Facharbeitern wird es nicht gelingen, die künftig ausscheidenden Kräfte voll zu ersetzen.

Metall- und Elektro-Industrie besonders betroffen

Problematisch ist das vor allem für die Metall- und Elektro-Industrie (M+E-Industrie):

In den M+E-Unternehmen arbeiten 60 Prozent der Beschäftigten in MINT-Berufen.

Gesamtwirtschaftlich betrachtet sind annähernd 40 Prozent aller MINT-Beschäftigten in der M+E-Industrie beschäftigt, außerdem ist dieser Industriezweig für mehr als 60 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Innovationsausgaben verantwortlich.

Durch den anhaltenden Fachkräftemangel könnte die Innovationskraft der Branche geschwächt werden. Viele Unternehmen haben bei Fachkräfteengpässen Schwierigkeiten, die Digitalisierung und Dekarbonisierung zu meistern. Ein zentraler Ansatz, um daran langfristig etwas zu ändern, ist eine bessere digitale Ausstattung der Schulen (siehe: "Es braucht einen digitalen Aufbruch an den Schulen"). Außerdem sollte sich Deutschland weiterhin verstärkt darum bemühen, ein attraktiver Standort für ausländische Fachkräfte zu sein.

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