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Hohe Inflationsrate durch Echo-Effekte der Corona-Pandemie

Wie viele Ökonomen prophezeit hatten, hat die Inflation in Deutschland in den vergangenen Monaten deutlich angezogen. Die Ursachen dafür sind vielfältig und sollten größtenteils von eher kurzer Dauer sein. Doch eine neue IW-Befragung von Unternehmen zeigt, dass Rohstoffe, Vorleistungen und Energiegüter auch mittelfristig als Kostentreiber empfunden werden.

Kernaussagen in Kürze:
  • Im Sommer 2020 sind die Preise in Deutschland durch die Pandemie eingebrochen, aktuell ist die Inflation aus einer ganzen Reihe von Gründen hoch.
  • Das IW hat Firmen befragt, was bei Ihnen die Preise treibt – an der Spitze liegen teurere Rohstoffe.
  • Viele Preiseffekte dürften sich mit Ende der Pandemie deutlich reduzieren, höhere Energiekosten werden allerdings mittelfristig ein Thema bleiben.
Zur detaillierten Fassung

Im Jahr 1960 kostete ein Liter Superbenzin umgerechnet 34 Cent, aktuell muss ein Autofahrer etwa 1,55 Euro zahlen.

Dennoch ist Tanken heute erschwinglicher als damals – die Kaufkraft ist stärker gestiegen als der Benzinpreis:

1960 erwirtschaftete ein Durchschnittsverdiener einen Liter Sprit in 16 Minuten, heute reichen ihm dafür knapp fünf Minuten. Denn statt 1,28 Euro verdient er netto 19,57 Euro die Stunde.

Dieses Beispiel zeigt, wie komplex die Zusammenhänge sind, wenn es um Kosten und die Preisentwicklung geht. Da erstaunt es umso mehr, dass viele Experten in den vergangenen Monaten unisono einen Preisschub erwarteten – allerdings als vorübergehendes Phänomen, vor allem verursacht durch Nachholeffekte und Lieferengpässe aufgrund der Pandemie (siehe: „Preise steigen nur vorübergehend stärker“). Und wirklich kam es wie prophezeit (Grafik):

Nachdem die Preise vor allem im Sommer 2020 eingebrochen waren und es sogar deflationäre Tendenzen gab, haben die Preise in den vergangenen Monaten wieder kräftig zugelegt.

Veränderung der Preise gegenüber Vorjahresmonat in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die Importpreise und die Erzeugerpreise stiegen dabei noch einmal wesentlich stärker als die Verbraucherpreise. Konkret erhöhten sich die Endkundenpreise von Juni 2020 bis Juni 2021 um 2,3 Prozent, die Erzeugerpreise um 8,5 Prozent und die Importpreise um 12,9 Prozent. Im Juli lagen die Verbraucherpreise sogar 3,8 Prozent im Plus.

Viele Preiseffekte sind eine Folge der Pandemie, steigende Energiepreise werden indes länger die Kosten treiben, glauben deutsche Unternehmen.

Das Institut der deutschen Wirtschaft hat die Preisentwicklung nun genauer analysiert – auch mit Blick auf die zu erwartende Inflation bis Ende 2022. Dafür wurden im Juni mehr als 2.000 Unternehmen gefragt, aus welchem Grund sich die Preise ihrer Produkte und Dienstleistungen mittelfristig voraussichtlich erhöhen werden (Grafik):

Teurere Rohstoffe werden in 51 Prozent der Unternehmen als starke und in 33 Prozent zumindest als mittlere Preistreiber gewertet.

So viel Prozent der befragten Unternehmen geben an, dass sich dieser Grund bis Ende 2022 so auf Preisveränderungen im Unternehmen auswirken wird Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Kostspieligere Vorleistungen und hohe Energiepreise folgen in der Rangliste der Effekte auf den Rängen zwei und drei.

Preistreiber treffen sehr viele Firmen

Andere Veränderungen wie eine steigende Nachfrage aus dem Ausland oder administrative Kosten nennen die Firmen zwar auch, allerdings mit deutlichem Abstand – zumindest, wenn nur die starken Preiseffekte abgefragt werden. Anders verhält es sich, wenn es auch um schwächere Auswirkungen geht:

51 Prozent der Unternehmen erwarten einen mittelstarken Effekt auf die Preise, weil die Inlandsnachfrage steigt. Höhere Arbeitskosten und teurere Dienstleistungen sehen je knapp 50 Prozent als mittelstarke Preistreiber.

Umgekehrt gibt es keinen Preistreiber, von dem eine Mehrzahl der Betriebe bis Ende 2022 erwartet, dass er an ihnen vorbeigehen wird. Nur 27 Prozent der Firmen sagen, dass die steigende Auslandsnachfrage für die eigenen Preise folgenlos bleibt – damit ist dieser Grund derjenige mit dem höchsten Anteil an Nennungen ohne erwarteten Preiseffekt. Bei den meisten anderen Gründen glauben jeweils weniger als 10 Prozent der Unternehmen, dass diese keinen Einfluss auf ihre Preise haben werden.

Inwieweit die höheren Kosten in der Produktion und beim Import später die Verbraucher treffen und deren Lebenshaltung verteuern, hängt davon ab, inwiefern die Unternehmen ihre Mehrkosten weiterreichen können.

Dienstleister bleiben auf höheren Kosten sitzen

Auch zu diesem Thema hat das IW die Firmen befragt – die Ergebnisse fallen unterschiedlich aus (Grafik):

Das Baugewerbe ist in Deutschland am besten in der Lage, höhere Preise an seine Kunden weiterzugeben. Rund 55 Prozent der Firmen gaben an, die Kosten in hohem oder zumindest mittlerem Ausmaß überwälzen zu können.

So viel Prozent der Unternehmen, die derzeit mittlere und starke Preiseffekte verkraften müssen, sagen, dass sie die höheren Kosten in … Ausmaß auf die Verkaufspreise aufschlagen können Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

In der Industrie sehen immerhin 48 Prozent eine entsprechende Möglichkeit. Im Dienstleistungssektor ist das nicht so leicht:

Knapp zwei Drittel der Dienstleister sehen nur geringe oder überhaupt keine Möglichkeiten, sich höhere Kosten von ihren Kunden zurückzuholen.

Möglicherweise haben diese Unternehmen aber auch weniger mit steigenden Vorleistungspreisen zu kämpfen.

Eine Rolle bei der Frage, ob Preise überwälzt werden können, spielt auch die Unternehmensgröße. Nur Firmen mit 500 oder mehr Beschäftigten geben in der IW-Befragung mehrheitlich an, dass sie gestiegene Kosten in hohem oder mittlerem Umfang an ihre Kunden weiterreichen können.

Energiekosten bleiben als Preistreiber auf der Agenda

Doch egal wie: Ein Kostenblock, so zeigt die Befragung, wird künftig bei der Inflationsentwicklung eine besonders exponierte Rolle spielen. Das zeigt der Vergleich von der kurzen und der mittleren Frist – also von den preislichen Auswirkungen binnen weniger Monate und denen bis Ende 2022. So liegt der Anteil der Firmen, die kurzfristig einen starken Preiseffekt teurerer Rohstoffe und Vorleistungen erwarten, um 10 Prozentpunkte über dem Anteil derer, die mittelfristig von einem solchen Effekt ausgehen. Anders verhält es sich bei den Energiekosten:

Rund 33 Prozent der Unternehmen sagten im Juni 2020, dass die Energiekosten kurzfristig einen starken Preiseffekt auf ihre Waren oder Dienstleistungen haben werden; aber 36 Prozent sehen diesen Effekt mittelfristig.

Diese Einschätzungen stammen allerdings wohlgemerkt aus dem Juni. Nach den jüngsten Entwicklungen im Mittleren Osten – der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan – haben sich geopolitische Unsicherheiten noch einmal verstärkt.

In der Summe ist also damit zu rechnen, dass es in Deutschland auch mittelfristig einen gewissen Inflationsdruck geben wird. Dies gilt auch, weil die Corona-Pandemie – anders als viele Experten erwartet hatten – noch immer Produktionsprozesse stört und Lieferketten nach wie vor nicht im Normalbetrieb agieren können.

Inflations-Erwartung kann Tarifverhandlungen prägen

Mitte August hat China beispielsweise seinen bedeutenden Hafen Ningbo bei Schanghai geschlossen – nach einem einzigen Corona-Fall. Die Auswirkungen auf den Welthandel dürften noch über Monate zu spüren sein. Schließlich sind die globalen Fertigungsprozesse wie ein Uhrwerk, das durch Corona, aber auch durch die zwischenzeitliche Blockade des Suezkanals aus dem Takt geraten ist.

Die noch eine Weile höheren Inflationsraten könnten nun in Deutschland in anstehenden Tarifverhandlungen an Relevanz gewinnen. Schließlich treten Gewerkschaften gemeinhin für die Reallohnsicherung ihrer Mitglieder ein und die wäre nur mit entsprechend steigenden Löhnen und Gehältern möglich.

Rasch könnten solche Begehrlichkeiten aber zu einer gefährlichen Preis-Lohn-Spirale führen. Am Ende gäbe es dann nur Verlierer, denn schon heute ist Deutschland ein Hochpreis- und Hochlohnland und die internationale Wettbewerbsfähigkeit ist bereits ernsthaft in Gefahr.

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