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Handelskrieg: Am Ende verlieren alle

Nachdem US-Präsident Donald Trump Anfang 2018 die ersten Strafzölle gegen chinesische Waren ankündigte, ist der Handelsstreit eskaliert. Zwar ist jetzt zumindest ein Teilabkommen in Sicht, doch der Warenhandel zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt ist bereits stark zurückgegangen und drückt das weltweite Wachstum spürbar. Es gibt allerdings auch lachende Dritte, wie eine neue IW-Studie zeigt.

Kernaussagen in Kürze:
  • Aufgrund des Handelsstreits sind die chinesischen Importe aus den USA mittlerweile um mehr als ein Viertel zurückgegangen, die US-Importe aus China sind um mehr als 8 Prozent gesunken.
  • Es gibt auch Profiteure: Brasilien, Australien und Malaysia konnten ihre Exporte nach China ausbauen, Mexiko und Kanada sowie Frankreich legten beim Handel mit den USA am stärksten zu.
  • Letztlich gibt es durch den Handelskonflikt nur Verlierer: In diesem Jahr hat der IWF seine Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft schon viermal nach unten revidiert.
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Ein freier Handel nutzt allen, denn offene Länder sind reicher, wachsen schneller und haben weniger Arme als geschlossene Volkswirtschaften – so lautet seit rund 60 Jahren das Credo der Globalisierung. Tatsächlich sind die Vorteile des Freihandels beeindruckend: Seit 1960 ist das weltweite Bruttoinlandsprodukt um den Faktor 60 gestiegen, pro Weltenbürger gerechnet hat es sich von knapp 450 Dollar auf fast 11.000 Dollar erhöht.

Doch es gilt auch das Gegenteil: Protektionismus schadet, wie die jüngste Warnung des Internationalen Währungsfonds (IWF) zeigt:

Heben die USA und China ihre gegenseitigen Strafzölle nicht auf, wird die weltweite Wirtschaftsleistung 2020 um rund 700 Milliarden Dollar oder 0,8 Prozent sinken.

Welche konkreten Folgen der Protektionismus für den Handel nach sich zieht, hat das Institut der deutschen Wirtschaft in einer neuen Studie untersucht:

Die chinesischen Importe aus den USA sind vom ersten Quartal 2018 bis zum zweiten Quartal 2019 um mehr als ein Viertel zurückgegangen, die US-Importe aus China sind um mehr als 8 Prozent gesunken.

Die bilateralen Minuszahlen bedeuten jedoch nicht, dass die jeweiligen Importe insgesamt zurückgegangen sind. China hat seine Einfuhren in diesem Zeitraum vielmehr um gut 3,3 Prozent erhöht, die US-Importe sind sogar um fast 6,4 Prozent gestiegen. Das heißt logischerweise nichts anderes, als dass andere Länder vom Hickhack der beiden Streithähne profitieren. Im Einzelnen:

China. Im Reich der Mitte sind die Einfuhren vom ersten Quartal 2018 bis zum zweiten Quartal 2019 im Monatsdurchschnitt um rund 5,5 Milliarden Dollar gestiegen (Grafik). Allein die drei größten Gewinner – Brasilien, Australien und Malaysia – haben mit einem Plus von insgesamt rund 4,1 Milliarden Dollar den Rückgang der Importe aus den USA um 3,7 Milliarden Dollar mehr als ausgeglichen und ihre Importanteile um 0,6 bis 0,8 Prozentpunkte erhöht.

Auch die EU konnte sich vom gewachsenen chinesischen Importkuchen ein größeres Stück abschneiden. Das Plus von 2,3 Milliarden Dollar bedeutet, dass der EU-Anteil um gut 0,9 Prozentpunkte auf nunmehr 13,7 Prozent gestiegen ist.

Der Handelsstreit zwischen China und den USA ist keine Art Nullsummenspiel. Am Ende verlieren alle.

Ähnliches gilt für Deutschland: Mit einem Plus von rund 600 Millionen Dollar oder 7 Prozent hat sich der Anteil an den chinesischen Einfuhren auf 5,3 Prozent erhöht.

Relativ gesehen waren andere EU-Länder noch erfolgreicher. So konnte Frankreich seine Exporte nach China um fast ein Viertel steigern, Irland verbucht sogar ein Plus von annähernd 48 Prozent. Absolut gesehen liefern beide Länder jedoch wesentlich weniger nach China als Deutschland: Die Franzosen kamen zuletzt auf monatliche Exporte von gut 2,6 Milliarden Dollar, die Iren auf rund 1,2 Milliarden Dollar – Deutschland verdiente mit seinen Lieferungen fast 9 Milliarden Dollar.

Veränderung der monatlichen Importe vom ersten Quartal 2018 bis zum zweiten Quartal 2019 in Milliarden Dollar Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

USA. Obwohl die Strategie von Präsident Trump darauf ausgerichtet ist, weniger zu importieren, sind die US-Einfuhren auch nach Beginn des Handelskriegs gestiegen. Waren es im ersten Quartal 2018 knapp 200 Milliarden Dollar pro Monat, standen im zweiten Quartal 2019 schon gut 212 Milliarden Dollar in den Büchern.

Von diesem Zuwachs profitierten vor allem die US-Nachbarländer Mexiko und Kanada sowie Frankreich. Zusammen kamen diese drei Länder auf ein Plus von 7 Milliarden Dollar – mehr als doppelt so viel wie der Rückgang der US-Importe aus China.

Die EU konnte ihren Anteil an den US-Einfuhren um 14 Prozent auf rund 22 Milliarden Dollar pro Monat steigern. Anders als im Außenhandel mit China konnte Deutschland beim Geschäft mit den USA nur wenig zulegen: Der Importanteil stieg lediglich um magere 0,09 Punkte auf rund 5,2 Prozent.

All diese Umlenkungen der Handelsströme dürfen allerdings nicht so interpretiert werden, dass der Handelsstreit zwischen China und den USA eine Art Nullsummenspiel ist, bei dem – wie Trump glaubt – der eine gewinnt, was der andere verliert. Ganz im Gegenteil – letztlich gibt es nur Verlierer:

In diesem Jahr hat der IWF seine Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft schon viermal nach unten revidiert und als Begründung neben dem Brexit vor allem den Handelskrieg zwischen China und den USA genannt.

Auch die deutsche Wirtschaft ächzt bereits unter dem lahmenden Welthandel. Der lag in der ersten Jahreshälfte unter dem Vorjahreswert – einen solchen Rückgang gab es zuletzt im Krisenjahr 2009. Dass Handelskriege keineswegs leicht zu gewinnen sind – wie Trump ebenfalls glaubt –, bekommen inzwischen auch die USA selbst zu spüren:

Im zweiten Quartal 2019 sind die US-Exporte um 5,8 Prozent zurückgegangen.

Ähnlich schlecht sieht es beim Wirtschaftswachstum aus. Der IWF prognostiziert den USA für dieses Jahr ein Wachstum von 2,4 Prozent, im Vorjahr waren es noch 2,9 Prozent. Auch China kann sich keinen langen Handelskrieg leisten. Die Wirtschaft wächst schon seit Jahren mit abnehmenden Raten: Waren es 2010 noch 10,6 Prozent, werden 2019 laut IWF nur noch 6,1 Prozent erreicht – für chinesische Verhältnisse ist das zu wenig.

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