Industriestädte Lesezeit 2 Min.

Globalisierung führt zu Stellenabbau und Abwanderung

Die amerikanischen Städte Buffalo und Akron sind mit Dortmund und Chemnitz verpartnert. In den Kommunen auf beiden Seiten des Atlantiks haben Globalisierung und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit zu Problemen geführt – in Deutschland stabilisierten die sozialen Sicherungssysteme und die Regionalpolitik die Lage allerdings merklich, während Beschäftigte in den USA für einen neuen Job deutlich häufiger die Stadt wechselten.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die Geschäftsmodelle der beiden Industriestädte Dortmund und Chemnitz stießen ebenso wie die ihrer amerikanischen Partnerstädte Buffalo und Akron durch die Globalisierung an ihre Grenzen.
  • In Deutschland stabilisierten die sozialen Sicherungssysteme und die Regionalpolitik die Lage, während Beschäftigte in den USA für einen neuen Job deutlich häufiger die Stadt wechselten.
  • Somit sank die Bevölkerung in Dortmund und Chemnitz trotz schlechter Wirtschaftsperspektiven langsamer und nicht so drastisch wie in Buffalo oder Akron.
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Seit Jahrtausenden gibt es einen verlässlichen Indikator für die wirtschaftliche Attraktivität einer Region: die Bevölkerungsentwicklung. Wo der Wohlstand wächst, wächst oft auch die Bevölkerung – teils rasant. In Zeiten der industriellen Revolution galt das für Städte dies- und jenseits des Atlantiks gleichermaßen (Grafik):

Aus dem beschaulichen Akron, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch wenige Tausend Einwohner zählte, wurde bis Mitte des 20. Jahrhunderts eine Großstadt mit rund 250.000 Bürgern. Auch in Dortmund, Chemnitz und Buffalo vervielfachte sich die Einwohnerzahl.

Vergleich von Buffalo, Dortmund, Akron und Chemnitz, 1960 = 100 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die Geschäftsmodelle der vier Städte stießen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts allerdings an ihre Grenzen, wie eine IW-Studie zeigt: In einer globalisierten Welt waren die Stahlproduktion und die industrielle Getreideverarbeitung in Buffalo nicht länger wettbewerbsfähig. Gleiches galt für die Gummi- und Reifenindustrie Akrons. In Dortmund geriet die Kohle- und Stahlindustrie durch die ausländische Konkurrenz massiv unter Druck und als die Mauer fiel, kam es in Chemnitz zu einem – späten – Globalisierungsschock, weil man plötzlich in weltweiter Konkurrenz stand.

Die weiteren Bevölkerungsdynamiken belegen, wie unterschiedlich die Wirtschafts- und Sozialsysteme dies- und jenseits des Atlantiks angelegt sind: In den USA gilt „People to the Jobs“ – der Staat erwartet eine hohe Flexibilität der Arbeitnehmer, umfassende Sozialleistungen sind nicht vorgesehen.

In Deutschland hat sich dagegen eher „Jobs to the People“ durchgesetzt – mit hohen Subventionen wurden nicht mehr wettbewerbsfähige Branchen lange künstlich am Leben gehalten. Letzteres führte dazu, dass die Bevölkerung in Dortmund und Chemnitz trotz schlechter Wirtschaftsperspektiven langsamer und nicht so drastisch sank wie in Buffalo oder Akron.

Die Geschäftsmodelle der beiden Industriestädte Dortmund und Chemnitz stießen ebenso wie die ihrer amerikanischen Partnerstädte Buffalo und Akron durch die Globalisierung an ihre Grenzen.

Mit Blick auf die politische Partizipation wirtschaftlich angeschlagener Regionen sind die Folgen unterschiedlich: Die Wahlbeteiligung in Chemnitz und Dortmund war zuletzt nahe am Bundesdurchschnitt, in Buffalo und Akron lag sie dagegen 10 beziehungsweise 13 Prozentpunkte unter dem US-Schnitt.

Eines kann die deutsche Sozial- und Subventionspolitik indes nicht unbedingt erkaufen: die Zustimmung zum etablierten demokratischen System. In Chemnitz ist die AfD zweitstärkste Kraft und die Bürger sind besonders unzufrieden mit der Demokratie.

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