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Kommentar Lesezeit 2 Min.

Gerecht wird das Ehegattensplitting nie sein

Das Ehegattensplitting ist schon seit Jahrzehnten ein Zankapfel der deutschen Steuerpolitik. Der Grund dafür ist, dass es um weit mehr geht als um eine steuerrechtliche Regelung, sagt Tobias Hentze, Senior Economist für Finanz- und Steuerpolitik im Institut der deutschen Wirtschaft.

Kernaussagen in Kürze:
  • Am Ehegattensplitting scheiden sich die Geister.
  • Es ganz abzuschaffen, ist aus juristischer Sicht kaum möglich.
  • Und die Reformideen der Parteien haben nur bescheidene Effekte.
Zur detaillierten Fassung

Rein formal betrachtet ist das bestehende Ehegattensplitting eine von mehreren möglichen Formen der Besteuerung von Ehepartnern. Hinter dem Ehegattensplitting steht die Idee, dass in einer Ehe die Aufgaben freiheitlich und im Einvernehmen aufgeteilt werden. Steuerlich macht es daher keinen Unterschied, wer wie viel zum Einkommen des Ehepaars beiträgt. So blickt der Staat auf die Ehe.

Die Einschränkung des Ehegattensplittings wäre in vielen Fällen zunächst eine schlichte Steuererhöhung.

Wer ein anderes Bild von der Ehe hat – zum Beispiel eines, bei dem der Ehemann einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht und die Ehefrau ihre Erwerbstätigkeit je nach Erfordernissen im Haushalt und bei der Kinderbetreuung anpasst –, findet das Splitting vermutlich ungerecht oder sieht darin gar einen Hemmschuh für die Gleichstellung von Frau und Mann. Denn für die Ehefrau – die zumeist der Zweitverdiener ist – ist in diesem Fall bereits die anfängliche Steuerbelastung bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit hoch, da ihr Einkommen dem des Ehemanns zugeschlagen und mit entsprechend hohen Steuersätzen belastet wird. Dies mindert den Anreiz für sie, überhaupt erwerbstätig zu sein oder die Arbeitszeit auszudehnen.

Tobias Hentze ist Senior Economist für Finanz- und Steuerpolitik beim IW; Foto: IW Medien

Das hat möglicherweise schwerwiegende Folgen: Wer nicht oder wenig gearbeitet hat, erhält später nur eine kleine Rente. Im Scheidungsfall kann es dann für Frauen finanziell eng werden, da die Unterhaltspflichten des Expartners zunehmend begrenzt werden. Wer so denkt, für den ist klar, dass der Staat einen Ausweg aus dem Dilemma der Ehefrau aufzeigen muss.

 

 

Es gibt keine einfache Lösung

Doch dieser Ausweg ist schwerer zu finden als gedacht. Die vollkommene Abschaffung des Ehegattensplittings ist nach herrschender Juristenmeinung kaum möglich, weil dadurch die Ehe diskriminiert werden würde. Denn ohne Splitting würde steuerlich nicht einmal der Grundfreibetrag des nicht arbeitenden Ehepartners zum Tragen kommen. Viel diskutierte und in den aktuellen Wahlprogrammen zu findende Reformmodelle wie ein Realsplitting (SPD) oder eine Individualbesteuerung mit übertragbarem Grundfreibetrag (Grüne, Linke) sind zwar realistische Alternativen zum Ehegattensplitting, allerdings dürften viele Befürworter dieser Reformideen von den bescheidenen Effekten enttäuscht sein.

Eine Reform des Ehegattensplittings kann lediglich ein Mosaiksteinchen zur Stärkung der Erwerbsbeteiligung sein. Bei der Diskussion sollte eins nicht vergessen werden: Die Einschränkung des Ehegattensplittings wäre in vielen Fällen zunächst eine schlichte Steuererhöhung.

Das Ehegattensplitting ist steuersystematisch nicht zwingend, Alternativen sind allerdings per se weder gerechter noch ungerechter, sie zeigen schlicht andere Weltbilder. Die richtige Besteuerung der Ehe wird es nie geben. Dafür sind die Lebensentwürfe zu vielfältig.

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