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Frankreich – ein geschwächter Partner?

Bei der Parlamentswahl in Frankreich hat Präsident Emmanuel Macron mit seinem neuen Parteienbündnis keine absolute Mehrheit erringen können. Doch dieser Makel könnte dazu führen, dass sich Macron mehr denn je für Europa und das deutsch-französische Tandem engagiert.

Kernaussagen in Kürze:
  • Emmanuel Macron ist zwar nach wie vor französischer Präsident, seine absolute Mehrheit im Parlament konnte er mit seinem neuen Parteienbündnis aber nicht sichern.
  • Deutschland und Frankreich werden die Europäische Union in Zeiten von Krieg, Pandemie und Rohstoffengpässen nur gemeinsam in ihrem Sinne weiterentwickeln können.
  • Die Hoffnung liegt darin, dass Macron sich mit viel Energie der europäischen Sache widmet, um von seinen innenpolitischen Problemen abzulenken.
Zur detaillierten Fassung

In Zeiten von Krieg und Pandemie müssen Neuigkeiten jenseits dieser Themenblöcke besonders einprägsam sein, um im Gedächtnis zu bleiben. So lässt sich wohl auch erklären, dass viele zwar mitbekommen haben, dass Emmanuel Macron Ende April als französischer Präsident wiedergewählt wurde, das Ergebnis der französischen Parlamentswahlen im Juni aber nur bei den wenigsten hängen geblieben ist. Und das, obwohl der Wahlausgang die politische Großwetterlage in Frankreich nachhaltig verändert hat (Grafik):

Im Jahr 2017 hatte Emmanuel Macron mit La République En Marche 308 Sitze und somit klar die absolute Mehrheit im französischen Parlament gewonnen. Sein Parteienbündnis Ensemble kam 2022 indes nur noch auf 245 Sitze und verfehlte damit die absolute Mehrheit, die bei 289 Abgeordneten liegt.

So viele Sitze entfielen bei den Parlamentswahlen in Frankreich auf die entsprechende Partei oder das entsprechende Parteienbündnis Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Macron hatte das neue Bündnis mit weiteren Parteien des politischen Zentrums eigentlich geschmiedet, um sich die absolute Mehrheit zu sichern. Doch seine Widersacher vom linken und rechten Rand vereitelten diesen Plan: Das Bündnis linker Parteien (NUPES) mit seiner Leitfigur Jean-Luc Mélenchon sowie die rechtsextreme Marine Le Pen mit ihrem Rassemblement National kamen auf 131 beziehungsweise 89 Sitze. Auch dieses Wahlergebnis zeigt, wie gespalten Frankreich momentan ist.

Weil er jetzt ohne absolute Mehrheit im Parlament dasteht, könnte sich Macron umso stärker für die deutsch-französischen Beziehungen engagieren, um von den innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken.

Für Macron stehen nun mehrere Optionen im Raum, um seine politischen Vorhaben zu realisieren. So kann er einerseits politische Koalitionen eingehen und infolgedessen Mehrheiten organisieren. Dies könnte allerdings – vor allem, wenn es für jedes Projekt aufs Neue nötig wird – sehr langwierige Prozesse und langsame Entscheidungen zur Folge haben. Darunter würden die Parlamentsarbeit und die Regierungsfähigkeit leiden.

Käme es dazu, könnte Macron andererseits die Nationalversammlung auflösen und eine Neuwahl ansetzen. Doch deren Ergebnis lässt sich kaum vorhersagen und könnte den Präsidenten weiter schwächen, statt ihn zu stärken.

Entsprechend stehen Macron und Frankreich längst nicht so gut da wie nach der Wahl von 2017. Dabei bräuchte die EU gerade jetzt neben einem führungswilligen Deutschland ein nach innen und außen starkes Frankreich. Schließlich gibt es gewaltige Herausforderungen zu meistern – allen voran den Krieg in der Ukraine, die Versorgung mit Energie und Rohstoffen sowie den Klimaschutz. Und es ist klar, dass Europa bei all diesen Themen nur erfolgreich handeln kann, wenn es Vorhaben geschlossen angeht.

Diese Geschlossenheit wird es aber nur geben, wenn Deutschland und Frankreich als starkes Tandem agieren. Schließlich sind die beiden Staaten die wirtschaftlichen Schwergewichte im Zentrum der EU (Grafik):

Zusammen kamen Deutschland und Frankreich 2021 auf nahezu 42 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung, obwohl nur knapp 34 Prozent der EU-Bevölkerung in den beiden Ländern leben.

Kennzahlen für Frankreich und Deutschland Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Tatsächlich könnte der Verlust der absoluten Mehrheit für Macron aber auch dazu führen, dass er mit großer Kraft für das Tandem und für Europa arbeitet. Denn indem er auf der internationalen Bühne stark auftritt, kann er von innenpolitischen Problemen ablenken. Die Stimmung in Deutschland spielt ihm dabei jedenfalls in die Karten: Eine Allensbach-Umfrage hat kürzlich ergeben, dass sich die Mehrheit der Deutschen ein stärkeres Europa wünscht.

Und ein stärkeres Europa hatte auch die französische EU-Ratspräsidentschaft zum Ziel, die am 30. Juni zu Ende gegangen ist: Fortschritte gab es beispielsweise beim Klimaschutzpaket „Fit for 55“ mit Blick auf die CO2-Steuer. Beim europäischen Mindestlohn haben sich die Mitgliedsstaaten auf gemeinsame Standards geeignet.

Im Umgang mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine hat die EU bereits Mitte März unter französischer Leitung eine gemeinsame Strategie verabschiedet. Allerdings gilt es bei diesem Thema als ausgemacht, dass der Burgfrieden in Europa immer wieder in Gefahr geraten wird, da einzelne Staaten wie Ungarn eigene machtpolitische Interessen verfolgen. Auch deshalb tut es not, dass sich das deutsch-französische Tandem mit größtmöglicher Entschlossenheit und in bestmöglicher Kondition präsentiert.

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