Die Fachkräftelücke schrumpft
Die durch das Coronavirus ausgelöste Wirtschaftskrise und der damit verbundene Rückgang offener Stellen machen sich auch im MINT-Bereich bemerkbar. In fast allen MINT-Berufen schrumpft im Vergleich zu den Vorjahren die Arbeitskräftelücke.
- Wegen der Corona-Krise sind seit März 2020 nicht nur viele Arbeitnehmer in Kurzarbeit, auch die Zahl der Arbeitslosen ist gestiegen und es gibt weniger offene Stellen in den MINT-Berufen.
- Im Vergleich zu den Jahren 2014 bis 2019 verringerte sich die MINT-Lücke in Deutschland im Mai 2020 um 42 Prozent.
- Ein anderes Bild zeigt sich bei den Beschäftigten in IT-Berufen: Der Engpass hier ging nur leicht zurück und ist mit 33.000 weiterhin hoch.
Die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft hängt zu einem großen Teil von der Erwerbstätigkeit im MINT-Bereich ab – also von Arbeitskräften in den Fachrichtungen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Das gilt vor allem für die Metall- und Elektro-Industrie, die im Branchenvergleich viel Geld in neue Produkte und Prozesse investiert:
Die M+E-Unternehmen waren 2018 mit Forschungsinvestitionen von mehr als 104 Milliarden Euro für rund 61 Prozent aller volkswirtschaftlichen Innovationsaufwendungen verantwortlich.
Zudem beschäftigt die M+E-Industrie überdurchschnittlich viele MINT-Beschäftigte – und ihre Zahl steigt (Grafik):
Einen besonders hohen Zuwachs an Beschäftigten in der M+E-Industrie gab es zwischen 2012 und 2019 mit rund 25 Prozent in den MINT-Expertenberufen.
Von den insgesamt 2,68 Millionen MINT-Beschäftigten in der M+E-Industrie entfielen 2019 rund 68 Prozent auf die MINT-Facharbeiterberufe, 16 Prozent auf die MINT-Spezialisten, also in der Regel Meister oder Techniker, und 15 Prozent auf die akademischen MINT-Experten. Trotzdem herrschen seit Jahren branchenübergreifende Engpässe, die die Innovationsstärke der deutschen Wirtschaft hemmen.
Die Corona-Krise macht sich auch im MINT-Bereich bemerkbar: Die Zahl der offenen Stellen ist teils drastisch zurückgegangen.
Diese Engpässe bestehen zwar noch immer, doch die Corona-Pandemie bleibt nicht ohne Folgen: Seit März 2020 sind nicht nur viele Arbeitnehmer in Kurzarbeit, auch die Zahl der Arbeitslosen ist gestiegen und es gibt weniger offene Stellen in den MINT-Berufen: Hier fehlten im Mai 2020 insgesamt 126.700 Arbeitskräfte – gegenüber Mai 2019 ein Rückgang von 59 Prozent. Noch im Februar 2020 erreichte die sogenannte MINT-Lücke den üblichen Durchschnittswert der Vorjahre – zwei Monate später war sie deutlich kleiner (Grafik):
Im Vergleich zu den Jahren 2014 bis 2019 verringerte sich die MINT-Lücke in Deutschland im Mai 2020 um 42 Prozent.
Da viele Industrieunternehmen ihre Produktion über Wochen unterbrechen mussten, war der Rückgang offener Stellen im Bereich Maschinen- und Fahrzeugbau sowie in der Metallverarbeitung besonders heftig.
Ein anderes Bild zeigt sich bei den Beschäftigten in IT-Berufen: Der Engpass hier ging nur leicht zurück und ist mit 33.000 weiterhin sehr hoch. Denn Unternehmen aller Branchen passen ihre Geschäftsmodelle – auch getrieben durch die Erfahrungen der vergangenen Monate – an, wodurch die Digitalisierung stark voranschreitet und die Betriebe immer mehr IT-Beschäftigte benötigen.
Auch das Homeschooling führt zu einer stark steigenden Nachfrage nach digitalen Lösungen in Schulen und Bildungseinrichtungen. Dies dürfte den Bedarf nach IT-Kräften in den nächsten Monaten nochmals deutlich erhöhen:
Allein um die gut 40.000 Schulen in Deutschland bei der Digitalisierung unterstützen zu können, wären 20.000 zusätzliche IT-Experten und IT-Fachkräfte nötig.
Vor diesem Hintergrund gilt es Wege zu finden, den Bedarf der Wirtschaft an qualifizierten MINT-Beschäftigten zu decken:
Bildungsgerechtigkeit müsste in Deutschland stärker gefördert werden. Gerade die MINT-Fächer bieten Bildungsaufsteigern große Chancen. Da Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Haushalten von ihren Eltern im Homeschooling oft nicht ausreichend unterstützt werden können, droht allerdings eine steigende Bildungsarmut. Daher sollten Konzepte für eine Kombination von Präsenz- und digitalem Fernunterricht entwickelt und diese Kinder gezielt gefördert werden.
Digitale Bildung hat in der Corona-Krise an Bedeutung gewonnen. Allerdings hat Deutschland bei der Computerausstattung an Schulen immer noch großen Nachholbedarf. Nur ein Fünftel der Schulen nutzte 2018 digitale Geräte im Unterricht. Gerade wegen des IT-Fachkräftemangels ist es daher notwendig, die digitale Bildung zu stärken und Schüler mit digitalen Lernkonzepten besser zu fördern.
MINT-Bildung brächte langfristigen Erfolg. Hierzu sollten die Versorgung mit MINT-Lehrkräften gesichert und bereits eingesetzte Seiteneinsteiger intensiv weitergebildet werden. Erreichen lässt sich dies auch, indem mehr Spaß an Naturwissenschaften vermittelt wird. Viele Mentorenprogramme oder Schüler-Wettbewerbe leisten hierbei wichtige Impulse und sollten weiter gestärkt werden.