Klimapolitik Lesezeit 4 Min.

Erneuerbare Energien ausbauen statt über Kohle diskutieren

Vor der Bundestagswahl wird ein früherer Ausstieg aus der Kohleverstromung diskutiert. Doch besser wäre es, die grünen Alternativen der Stromerzeugung zu pushen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Ein Baustein der deutschen Klimapolitik ist das Ende der Kohleverstromung. Laut Kohleausstiegsgesetz ist in Deutschland spätestens 2038 damit Schluss.
  • Vor der Bundestagswahl wird nun ein früherer Ausstieg aus der Kohleverstromung diskutiert. Dabei ist eine Änderung der Gesetzeslage gar nicht notwendig für ein früheres Kohle-Aus.
  • Denn bereits seit längerem ist es wegen des gestiegenen CO₂-Zertifikatepreises wirtschaftlich unattraktiv, aus der emissionsintensiven Kohle Strom zu erzeugen.
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Mehr E-Fahrzeuge und Ladesäulen, besser gedämmte und nachhaltig beheizte Gebäude, regionale und ressourcenschonende Lebensmittel, eine deutlich emissionsärmere Produktion: Dies ist nur eine kleine Auswahl dessen, was auf dem Weg zu einer klimaneutralen Welt nötig ist. Und die wird kommen, wenn die Politik ihren Worten Taten folgen lässt: Die EU und viele andere Staaten wollen bis 2050 klimaneutral sein, Deutschland sogar schon 2045. Das heißt, bis spätestens zu diesem Stichtag dürfen keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre gelangen, die nicht anderweitig ausgeglichen werden können.

Laut Kohleausstiegsgesetz ist in Deutschland spätestens 2038 mit der Kohleverstromung Schluss. Allerdings ist auch ein früheres Kohle-Aus möglich, denn die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Strom aus erneuerbaren Energien Kohlestrom verdrängt hat, weil grüner Strom zu deutlich niedrigeren Zusatzkosten für jede weitere Stromeinheit erzeugt werden kann.

Natürlich lassen sich Emissionen einsparen, indem man die CO₂-verursachende Tätigkeit unterlässt. Doch in vielen Wirtschaftsbereichen dürfte der Energiebedarf künftig sogar größer statt kleiner werden: Weil es im Kampf gegen den Klimawandel immer mehr elektrische Anwendungen gibt – wie Elektroautos und -räder, Wärmepumpen oder die Wasserstofferzeugung –, steigt zwangsläufig auch der Stromverbrauch. So rechnet das Bundeswirtschaftsministerium mit einem Anstieg des jährlichen Stromverbrauchs in Deutschland auf 655 Terawattstunden bis 2030. Das ist weit entfernt von dem, was derzeit überhaupt an grünem Strom produziert wird (Grafik):

Im Jahr 2020 wurden in der Bundesrepublik 510 Terawattstunden Strom verbraucht, davon stammten aber erst 45 Prozent aus erneuerbaren Energien.

So viel Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms stammten aus Kohle/erneuerbaren Energien/anderen Quellen Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Im Jahr 2030 sollen mindestens 65 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen, das entspräche einem Produktionsplus von zwei Dritteln gegenüber 2020.

Mit den bisherigen Ausbauzielen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ist das nicht zu schaffen. Doch statt sich damit zu beschäftigen, wie mehr Windräder und Sonnenkollektoren möglichst schnell und unbürokratisch an den Start kommen, kreist der klimapolitische Wahlkampf vielfach um eine Neuterminierung des Kohleausstiegs.

Laut Kohleausstiegsgesetz ist in Deutschland spätestens 2038 mit der Kohleverstromung Schluss. Aus mehreren Gründen ist es jedoch wenig sinnvoll, das Datum zu diskutieren:

  1. Ein früheres Kohle-Aus ist auch ohne Änderung der Gesetzesgrundlage möglich. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Strom aus erneuerbaren Energien Kohlestrom verdrängt hat, weil grüner Strom zu deutlich niedrigeren Zusatzkosten für jede weitere Stromeinheit erzeugt werden kann.
  1. Zusätzlich hat der Anstieg des europäischen CO₂-Preises die Erzeugung von Strom aus der emissionsintensiven Kohle verteuert und somit unattraktiv gemacht (Grafik):

Im Schnitt der Jahre 2019 und 2020 lag der Preis für CO₂-Zertifikate bereits bei 25 Euro – gegenüber 16 Euro im Jahr 2018.

So viel Euro kostete ein Zertifikat für eine emittierte Tonne CO2 im europäischen Emissionshandelssystem Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Das hat dazu geführt, dass mehr Strom aus Erdgas als aus Kohle gewonnen wurde: So stieg der Erdgasanteil an der deutschen Stromerzeugung gegenüber 2015 um rund 50 Prozent. Zwar entstehen auch bei der Stromerzeugung mit Erdgas CO₂-Emissionen – allerdings nicht mal halb so viele wie bei der Verstromung von Steinkohle und nur knapp ein Drittel im Vergleich zum Strom aus Braunkohle.

Ein steigender CO₂-Zertifikatepreis bewirkt also, dass Verstromung aus weniger klimaschädlichen Energieträgern wirtschaftlicher wird. Und der Druck auf die Kohle wächst: Aktuell liegt der Preis für ein CO₂-Zertifikat im europäischen Emissionshandel für den Energie- und Industriesektor, wenn er eine Tonne Treibhausgase emittieren will, bereits über der 60-Euro-Marke.

  1. Ein neues, früheres Kohleausstiegsdatum allein sorgt keineswegs dafür, dass Stein- und Braunkohlekraftwerke schneller durch klimafreundliche Alternativen ersetzt werden – im Gegenteil: Es führt nur zu weiteren Verhandlungsrunden und hohen Kosten.

Für einen effizienten Ausstieg aus der Kohle braucht es einen ambitionierten Ausbau der erneuerbaren Energien. Um dies zu ermöglichen, müssen Flächen für neue Windparks und Solarmodule bereitgestellt, Genehmigungen beschleunigt und weitere bürokratische Hürden beseitigt werden.

Auch Gaskraftwerke können emissionsfrei arbeiten

Ganz ohne fossile Kraftwerke wird es allerdings auch in naher Zukunft nicht gehen. Denn solange es noch keine ausreichenden Speicherkapazitäten für grünen Strom gibt und auch die nötigen technischen und ökonomischen Rahmenbedingungen für eine Flexibilisierung der Stromverbräuche fehlen, braucht es an Tagen mit wenig Sonne und Wind vor allem flexible Gaskraftwerke als Reserve. Doch auch die müssen nicht auf ewig Treibhausgase emittieren: Perspektivisch können Gaskraftwerke mit klimafreundlichem Biogas oder grünem Wasserstoff betrieben werden.

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