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Digitalisierung: Stillstand statt Fortschritt

Die deutsche Wirtschaft hatte im Jahr 2022 mit einigen Krisen zu kämpfen. So blieb anscheinend wenig Zeit, die Digitalisierung voranzutreiben – darauf lässt der Digitalisierungsindex schließen, der vom Institut der deutschen Wirtschaft 2020 mitentwickelt wurde und seitdem jährlich fortgeschrieben wird. Er zeigt, dass die meisten Branchen und Regionen digital stagnieren – es gibt aber auch Lichtblicke.

Kernaussagen in Kürze:
  • Der Digitalisierungsindex des Instituts der deutschen Wirtschaft misst die digitale Entwicklung Deutschlands. Für 2022 zeigt sich, dass die Wirtschaft hierzulande digital stagniert.
  • Aufgrund anhaltender Krisen wie der Coronapandemie, dem Ukraine-Krieg oder der Inflation ist es aber bereits eine gute Nachricht, dass die Wirtschaft in diesem Ausnahmejahr nicht sogar Rückschritte bei der Digitalisierung gemacht hat.
  • Es gilt nun allerdings umso mehr, die Rahmenbedingungen für die Digitalisierung in Deutschland zu verbessern.
Zur detaillierten Fassung

Wie gut ist die deutsche Wirtschaft in Sachen Digitalisierung aufgestellt? Um diese Frage zu beantworten, hat das IW im Jahr 2020 gemeinsam mit weiteren Projektpartnern den Digitalisierungsindex erarbeitet. Seine jährliche Aktualisierung ermöglicht es, die digitale Entwicklung in Deutschland zu erfassen. Für 2022 zeigt sich, dass die Digitalisierung der Wirtschaft hierzulande stagniert (Grafik):

Der deutschlandweite Wert des Digitalisierungsindex stieg gegenüber dem Vorjahr um lediglich einen Punkt auf 108,9.

Digitalisierungsindex für Deutschland nach Kategorien, 2020=100 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Gleich vier der zehn betrachteten Kategorien büßten im Vergleich zu 2021 Punkte ein, am stärksten zurück ging der Wert in der Kategorie Innovationslandschaft. Das liegt vor allem am sinkenden Anteil digitaler Start-ups in Deutschland.

Die weiteren Ergebnisse des Digitalisierungsindex im Einzelnen:

Digitalisierung nach Branchen. Innerhalb der verschiedenen Branchen zeigt sich nahezu kein Digitalisierungsfortschritt. Wie in den Vorjahren schneidet wenig überraschend jener Sektor am besten ab, zu dessen Kern digitale Produkte und Geschäftsmodelle zählen:

Mit rund 276 Indexpunkten liegt die Informations- und Kommunikationstechnologie unter den Branchen vorn.

Sie ist erneut in allen untersuchten Kategorien Spitzenreiter – mit Ausnahme der Kategorie Forschungs- und Innovationsaktivitäten, die der Fahrzeugbau mit großem Abstand für sich beansprucht. Der große Industriezweig behauptet den zweiten Platz im Gesamtranking, dahinter folgen unternehmensnahe Dienstleister – das sind zum Beispiel Architektur- und Ingenieurbüros, Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberatungen – sowie die Elektrotechnik und der Maschinenbau.

Weiterhin unterdurchschnittlich digitalisiert sind die Branchengruppen Tourismus, Handel, Verkehr und Logistik sowie das sonstige Produzierende Gewerbe und das sonstige Verarbeitende Gewerbe.

Digitalisierung nach Unternehmensgröße. Das Duell „Groß gegen Klein“ im Digitalisierungsindex ist erneut sehr ungleich:

Mit 205 Punkten erzielen die Unternehmen ab 250 Beschäftigten einen mehr als doppelt so hohen Indexwert wie Betriebe mit maximal 49 Beschäftigten, die 95 Punkte erreichen.

Mittelgroße Unternehmen liegen mit 124 Punkten dazwischen. Kleine Unternehmen laufen den anderen lediglich in der Kategorie Produkte den Rang ab. Grund dafür kann die Branchenstruktur sein: Besonders viele kleine Unternehmen stammen aus der stark digitalen Informations- und Kommunikationstechnologiesparte.

Die Ergebnisse des Digitalisierungsindex 2022 unterstreichen die große Belastung der Unternehmen in Deutschland durch anhaltende Krisen.

Digitalisierung nach Bundesländern. Für die Analyse nach Regionen wurden die Bundesländer in vier Gruppen eingeteilt und anhand von 25 Indikatoren bewertet. Ein deutlich sichtbarer Trend ist, dass die Regionen im Jahr 2022 enger zusammengerückt sind (Grafik):

Die ostdeutschen Bundesländer haben um rund acht Indexpunkte zugelegt und zur Gruppe Nord – Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein – sowie zur Gruppe West, gebildet aus Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland, aufgeschlossen.

Der Digitalisierungsindex für die Bundesländergruppen misst die Digitalisierung der deutschen Wirtschaft auf der unternehmensinternen und -externen Ebene anhand von insgesamt 25 Indikatoren in zehn Kategorien Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Der Zuwachs lässt sich vor allem auf die Verbesserung der digitalen Prozesse in den ostdeutschen Unternehmen sowie dem Ausbau der technischen Infrastruktur in den neuen Bundesländern zurückführen. Deutlich überdurchschnittlich digitalisiert bleibt die Bundesländergruppe Süd, zu der Baden-Württemberg und Bayern gehören.

Digitalisierung nach Regionstypen. Auf der Ebene der verschiedenen Regionstypen, die anhand der Siedlungsdichte gebildet werden, vergrößert sich die digitale Kluft zwischen Stadt und Land. Kernstädte wie Saarbrücken, Mainz oder Cottbus mit im Schnitt 150 Punkten sowie große Ballungsgebiete wie zum Beispiel Berlin, München und Köln mit 136 Punkten schneiden am besten ab, während die verdichteten und gering verdichteten ländlichen Räume mit 94 beziehungsweise 88 Indexpunkten zunehmend abgehängt sind.

Rahmenbedingungen müssen verbessert werden

Insgesamt unterstreichen die Ergebnisse die große Belastung der Unternehmen in Deutschland durch anhaltende Krisen wie die Coronapandemie, den Ukraine-Krieg oder die Inflation. So ist es bereits eine gute Nachricht, dass die Wirtschaft in diesem Ausnahmejahr nicht sogar Rückschritte bei der Digitalisierung gemacht hat.

Es gilt nun allerdings umso mehr, die Rahmenbedingungen für die Digitalisierung in Deutschland zu verbessern – zum Beispiel, indem der Staat die Finanzierungsmöglichkeiten für Start-ups ausbaut und die öffentliche Verwaltung konsequent, bürgernah und unternehmensfreundlich digitalisiert wird.

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