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Zeitarbeit für viele Pflegekräfte alternativlos

Die Personalsituation ist in der Pflegebranche besonders angespannt. Dass dort Beschäftigte zu Zeitarbeitsunternehmen wechseln, lässt Forderungen laut werden, die Zeitarbeit im Pflegesektor einzuschränken oder ganz zu untersagen. Das hätte jedoch fatale Folgen, wie eine IW-Befragung von Zeitarbeitskräften verdeutlicht.

Kernaussagen in Kürze:
  • Als Zeitarbeitskräfte tätige Pflegerinnen und Pfleger stopfen zunehmend die Personallücken in Krankenhäusern und Pflegeheimen.
  • Rund sieben von zehn befragten Pflegekräften haben sich für die Anstellung bei einer Zeitarbeitsfirma entschieden, weil sie sich dort leistungsgerecht bezahlt fühlen.
  • Bei einem Verbot der Zeitarbeit in der Pflege würden 55 Prozent der Befragten den Beruf wechseln, 11 Prozent würden sogar die Erwerbstätigkeit aufgeben.
Zur detaillierten Fassung

Bewohner von Pflegeeinrichtungen und ihre Angehörigen kennen das: Die Beschäftigten tun ihr Bestes, sind aber oft hoffnungslos überlastet. Kein Wunder, standen doch im April 2023 in der Altenpflege rund 10.000 gemeldeten offenen Stellen nur knapp 4.000 passend qualifizierte Arbeitslose gegenüber. In der Gesundheits- und Krankenpflege belief sich die entsprechende Lücke auf fast 7.000 Fachkräfte. Angesichts des demografischen Wandels dürfte sich die Lage künftig noch verschärfen.

Um die Personallücken zumindest zeitweise zu stopfen, greifen Krankenhäuser und Pflegeheime auf Zeitarbeitskräfte zurück:

Im Juni 2022 hatten Betriebe der Arbeitnehmerüberlassung insgesamt knapp 31.000 Arbeitskräfte in den Berufsgruppen Altenpflege sowie Gesundheits- und Krankenpflege, Rettungsdienst und Geburtshilfe unter Vertrag.

Einige Akteure in der Pflegebranche wie beispielsweise die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) argumentieren allerdings, die Zeitarbeit würde das Fachkräfteproblem noch verschärfen. Der Vorwurf: Die Zeitarbeitsunternehmen werben Arbeitskräfte mit Prämien und der Aussicht auf attraktivere Arbeitsbedingungen ab. Die Stammbelegschaften in den Krankenhäusern und Altenheimen stünden dadurch noch mehr unter Druck. Folglich fordert die DKG, die Zeitarbeit in der Pflege und im ärztlichen Dienst weitgehend zu verbieten.

Wenn sie nicht mehr wie bisher als Zeitarbeitskräfte im Pflegebereich tätig sein dürften, würden 55 Prozent der befragten Pflegekräfte den Beruf wechseln, 11 Prozent würden sogar die Erwerbstätigkeit aufgeben.

Die Wahl des Beschäftigungsverhältnisses ist in einer marktwirtschaftlichen Ordnung allerdings eine individuelle Entscheidung. Deshalb sollte eine Diskussion über ein Verbot der Zeitarbeit im Pflegesektor nicht geführt werden, ohne die Perspektive der Zeitarbeitskräfte zu kennen. Hierzu hat das Institut der deutschen Wirtschaft nun die in der Zeitarbeit beschäftigten Pflegekräfte befragt. Die wichtigsten Ergebnisse:

Wege in die Zeitarbeit

Fast 80 Prozent der Zeitarbeitnehmer waren zuvor in einer Gesundheits- oder Pflegeeinrichtung angestellt. Auf die Möglichkeit eines Zeitarbeitsverhältnisses wurde gut jeder dritte Befragte von Freunden oder Bekannten aufmerksam gemacht. Weitere relevante Anlässe für einen Wechsel in die Zeitarbeit waren Stellenausschreibungen der Zeitarbeitsfirmen oder Medienberichte. Nur etwa 3 Prozent der Befragten gaben an, aktiv von einem Zeitarbeitsunternehmen abgeworben worden zu sein.

Motive für die Zeitarbeit

Der Wechsel in den Status eines Zeitarbeitnehmers hat für die Pflegekräfte offenbar handfeste Vorteile (Grafik):

Rund sieben von zehn Befragten haben sich für eine Zeitarbeitsfirma entschieden, weil sie sich dort leistungsgerecht bezahlt fühlen. Fast zwei Drittel führen den größeren Einfluss auf ihren Dienstplan als Motiv an.

So viel Prozent der bei einem Zeitarbeitsunternehmen beschäftigten Pflegekräfte haben sich aus diesen Gründen für die Zeitarbeit entschieden Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Eine Einstiegsprämie als mögliches „Lockmittel“ spielte so gut wie keine Rolle, wohl aber die größere Wertschätzung, die Arbeitnehmer in der Zeitarbeit erfahren.

Viele Übernahmeangebote

Während die Befragungsergebnisse den Vorwurf entkräften, die Zeitarbeitsunternehmen würden gezielt Pflegekräfte abwerben, bieten viele Einrichtungen im Gesundheits- und Pflegesektor ihrerseits den Zeitarbeitnehmern explizit eine Übernahme an:

Sechs von zehn im Gesundheits- und Pflegesektor tätigen Zeitarbeitskräften haben von ihrem Einsatzbetrieb ein Übernahmeangebot erhalten.

Die Tatsache, dass die Befragten nach wie vor für ein Zeitarbeitsunternehmen tätig sind, spricht für die dortigen Arbeitsbedingungen. Vor allem jene, die wegen zuvor fehlender Wertschätzung und zu wenig verlässlicher Dienstpläne den Weg in die Zeitarbeit gefunden haben, sind für die Übernahmeofferten von Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen unempfänglich.

Folgen eines Verbots der Zeitarbeit

Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass eine stärkere Regulierung oder gar ein Verbot der Zeitarbeit in der Pflege viele Betroffene zu einem radikalen Schritt veranlassen würde (Grafik):

Wenn sie nicht mehr wie bisher als Zeitarbeitskräfte im Pflegebereich tätig sein dürften, würden 55 Prozent der Befragten den Beruf wechseln, 11 Prozent würden sogar die Erwerbstätigkeit aufgeben.

Sollte der Gesetzgeber die Zeitarbeit in der Pflege einschränken oder verbieten, würden so viel Prozent der bei einem Zeitarbeitsunternehmen beschäftigten Pflegekräfte in dieser Form arbeiten Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Nur 18 Prozent nähmen die Einschränkung der Zeitarbeit zum Anlass, wieder als Angestellte in ein Krankenhaus oder eine Pflegeeinrichtung zurückzukehren.

Vor allem von den fortgebildeten oder akademisch qualifizierten Arbeitskräften würden viele den Pflegeberuf hinschmeißen. Das sind aber gerade die Beschäftigten, die von den Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern stark umworben werden.

Die Befragungsergebnisse sprechen also dafür, dass eine striktere Regulierung der Zeitarbeit die Personalengpässe in der Pflege weiter verschärfen würde. Die Arbeitgeber in diesem Bereich, aber auch die Politik sind demnach gefordert, alternative Wege zu finden, um die Arbeitsbedingungen in den Pflegeberufen zu verbessern und dadurch mehr Menschen für diese Tätigkeiten zu gewinnen.

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