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Deutschland-Fonds: Antworten auf die wichtigsten Fragen

An dieser Stelle finden Sie einen ausführlichen Katalog mit zentralen Fragen und Antworten zum Deutschland-Fonds, dem 450-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm in ein wettbewerbsfähiges Deutschland.

Kernaussagen in Kürze: Zur detaillierten Fassung

Kapazitäten, Mittelabfluss, Umsetzung

Das Geld ist doch da, es fließt nur nicht ab, weil Kapazitäten in Sachen Planung und Umsetzung fehlen. Wie soll der Bund doppelt so hohe Investitionen wie derzeit umsetzen?

Dass Gelder aus Fördertöpfen, für Investitionshilfen und Investitionsausgaben nicht abgerufen werden, ist für sich genommen kein Argument dagegen, mehr Geld für Investitionen zur Verfügung zu stellen, solange es erhebliche Investitionsbedarfe gibt. Denn nicht abfließen können Mittel nur für budgetierte Ausgaben. Zudem würde dies bedeuten, dass Bundestag und Landesparlamente implizit ihre Budgethoheit verlieren.

Es ist entscheidend, dass wir in Deutschland auf allen Ebenen – also beim Bund, in den Ländern und Kommunen – eine effiziente Verwaltung haben und handlungsfähig sind. Die Verwaltung muss Kapazitäten aufbauen. Hier wurden in den vergangenen Jahren leider viele Stellen gestrichen, zum Beispiel in den Bauämtern. Da kann gehandelt werden, durch einfacheres Planungsrecht, effizientere Abläufe und verbessertes Projektmanagement. Baufirmen und Handwerksbetriebe müssen bei staatlichen Aufträgen effizient und wirksam gesteuert und kontrolliert werden. Dazu gehören auch verbesserte Anreize für gleichermaßen qualitätsvolles und schnelles Arbeiten.

In anderen Ländern gibt es zum Beispiel Prämien, wenn ein Projekt vorzeitig fertiggestellt wird. Auch mobile Planungsteams, die Kommunen bei der Umsetzung von Investitionsprojekten unterstützen, und Verwaltungskooperationen auf gemeindlicher Ebene sind eine interessante Option. Schließlich: Baufirmen und Handwerksbetriebe haben Anspruch auf verlässliche Bezahlung geleisteter Arbeit.

Würden am Ende nicht einfach nur die Unternehmen in Form von höheren Preisen und höheren Gewinnen profitieren?

Der Deutschland-Fonds soll die Lücken aus der Vergangenheit und die großen Zukunftsherausforderungen nachhaltig angehen und kein Umverteilungsprogramm für die Bauwirtschaft lostreten. Dass die neuen Mittel nicht direkt in höhere Unternehmensgewinne abfließen, wird dabei über den Marktmechanismus sichergestellt: Wenn staatliche Investition über zehn Jahre um rund 45 Milliarden Euro jährlich ansteigen, wird die neue Perspektive auch von Unternehmensseite planbar. So können sich beispielsweise Baufirmen nachhaltig aufstellen und neue Arbeitskräfte ausbilden oder anwerben; auch neue Firmen haben den Anreiz, in den Markt einzutreten.

Der langfristige Wettbewerb um die neu ausgeschriebenen Projekte kann so die Preiserhöhungen einfangen. Aktuell liegt der staatliche Planungshorizont regelmäßig bei lediglich einem Haushaltsjahr oder, wenn es gut läuft, bei einer Legislaturperiode. Kein Wunder, dass Baufirmen da wenig Anreize verspüren, Ressourcen aufzubauen. Eine andere Frage ist freilich, ob die Baufirmen in der Lage sind, diese Kapazitäten in Zeiten des Fachkräftemangels aufzubauen. Ein sicherer Planungshorizont würde die Mitarbeiterwerbung erleichtern, zugleich mehr Anreize in Effizienzgewinne beim Baumanagement setzen.

Wie bei vielen staatlichen Investitionsprojekten gilt aber auch: Natürlich kommen die Gelder am Ende in Form von Gehältern und Gewinnen in der Privatwirtschaft an. Und das ist auch gut so. Unsere Berechnungen zeigen, dass der Investitionsfonds einen nennenswerten konjunkturellen Impuls mit sich bringen wird. Dieser sogenannte „crowding-in“-Effekt wird bei rund einem Prozent liegen: Das bedeutet, jeder staatlich investierte Euro wird mit einem zusätzlichen privat investierten Cent gespiegelt.

Weitere Informationen zum Deutschland-Fonds gibt es hier

Soll der Deutschland-Fonds laufend bestückt und immer wieder nachgefüllt werden?

Nein. Der Deutschland-Fonds soll die zum heutigen Zeitpunkt identifizierten aufgestauten Aufgaben aus der Vergangenheit sowie die definierten neuen Aufgaben im Sinne einer Generationenaufgabe erfassen und deren Umsetzung ermöglichen. Der Fonds ist keine neue Schatulle für die Finanzierung allfällig aufkommender Bedarfe. Hier liegt auch eine verfassungsrechtliche Grenze, denn ein solcher Fonds als rechtlich eigenständige Person des öffentlichen (Körperschaft) oder des privaten Rechts (Gesellschaft) verliert durch Umbuchungen laufender Haushaltstitel seine rechtliche Legitimation.

Mittelverwendung und Investitionsbegriff

Sind die Schätzungen des KfW-Kommunalpanel, auf denen die Höhe des Deutschland-Fonds basiert, aufgrund seiner Konzeption als Befragung belastbar?

Die Befragungsergebnisse des KfW-Kommunalpanels liefern seit zehn Jahren einen wichtigen Beitrag, kommunale Investitionsschwerpunkte aufzudecken und bieten so ein wichtiges Signal für die Mittelpriorisierung. Selbstverständlich lassen sich allein aufgrund der Aussagen von Kommmunalkämmereien keine treffgenau durchgeplanten Investitionsvorhaben ableiten.

In Kombination mit den amtlichen Statistiken, etwa der schwachen Investitionsentwicklung und ansteigenden Verschuldungsquoten auf kommunaler Ebene, lassen sich jedoch durchaus Investitionsbedarfe quantifizieren. Die Analyse des staatlichen Kapitalstocks zeigt, wie wenig Deutschland hier in den vergangenen zwei Dekaden investiert hat, insbesondere der kommunale Kapitalstock schrumpft (siehe: „Verzehrt Deutschland seinen staatlichen Kapitalstock?“).

Die Frage, wie viele Mittel letztlich nötig sein werden, um die drängenden Fragen der Dekarbonisierung, der Digitalisierung und die Kosten des demographischen Wandels zu bewältigen, ist schwer zu beantworten. Es wird grundsätzlich erforderlich sein, alle Einzelprojekte genau zu analysieren und eine Kosten-Nutzen-Abschätzung vorzunehmen. Schon heute lässt sich freilich sagen, dass 457 Milliarden Euro eher eine konservative Schätzung sind und die Untergrenze für die Bedarfe darstellen, denen wir gegenüberstehen (siehe: „Verschuldung der Kommunen in Deutschland“).

Was ist eine Investition? / Wie lässt sich der Investitionsbegriff so schärfen, dass konsumtive Ausgaben nicht unter Investitionen fallen? Gibt es konsumtive Ausgaben, die im Investitionsbegriff aufgenommen werden sollten? Welche Sozialausgaben gelten ökonomisch gegebenenfalls als Investition?

Im klassischen Investitionsbegriff sind Investitionen in „immaterielle“ Güter wie etwa Ausgaben für Bildung nicht enthalten. Ökonomisch stellen diese jedoch Investitionen in das Humankapital einer Volkswirtschaft dar und sind somit wachstumswirkend; die dazu vorhandene Empirie ist besonders eindeutig und überzeugend. Es gibt jedoch Investitionen, die keine oder nur geringe Wachstumswirkung haben und konsumtive Ausgaben, die eine hohe Wachstumswirkung haben. Von daher darf sich eine breite öffentliche Investitionsoffensive nicht nur auf klassische Investitionen beschränken.

Der Deutschland-Fonds hat zum Ziel, die deutsche Wettbewerbsfähigkeit in Zeiten von Dekarbonisierung, Digitalisierung und demographischem Wandel möglichst effizient zu sichern. Ob sinnhafte Maßnahmen dabei unter den klassischen Investitionsbegriff fallen, sollte für die Investitionsentscheidung keine Bedeutung haben. Dem entspricht auch der Vorschlag, für alle in den Fonds aufzunehmenden Projekte eine zielbezogene Nutzen-Kosten-Analyse zu machen.

Weshalb sollen laufende Ausgaben für den Betrieb von Ganztagsschulen durch einen Investitionsfonds für einmalige Investitionsausgaben getätigt werden? Wie soll der Betrieb nach den zehn Jahren sichergestellt werden? Sind bei den Posten für frühkindliche Bildung und Hochschulen auch laufende Ausgaben enthalten und wie sollen diese langfristig sichergestellt werden?

Im Fonds sind laufende Ausgaben enthalten, die zum Teil auch nach Ablauf des Jahrzehnts weiterfinanziert werden müssen. Da es sich um zusätzliche Ausgaben handelt, werden die Deutschland-Fonds-Investitionen zunächst aber nicht im Bundeshaushalt festgeschrieben.

Daher ist es besonders wichtig, von Anfang an zu analysieren, welche Projekte nach zehn Jahren einer Anschlussfinanzierung bedürfen, also in den Haushalt überführt werden sollten und welche Projekte einmalige Anpassungskosten etwa im Kontext der Dekarbonisierung oder der Digitalisierung darstellen. Für diese Aufgabe braucht es unbedingt eine unabhängige und differenzierte Projektevaluation.

Kritik an der Neuverschuldung

Bringen erhöhte öffentliche Investitionen nicht automatisch einen höheren Bedarf an Personalausgaben und somit konsumtiven Ausgaben mit sich? Wie baut man die personellen Kapazitäten in den Kommunen auf, um die neuen Investitionen umsetzen zu können?

Dass derzeit ein signifikanter Anteil an avisierten Investitionen aufgrund von fehlendem Personal in der öffentlichen Verwaltung nicht abgerufen werden kann, ist inakzeptabel. Tatsächlich braucht es mehr Personal, insbesondere auf Kommunalebene, um die zusätzlichen Investitionen des Deutschland-Fonds umzusetzen. Vor allem die kommunalen Bau- und Planungsämter sind unterbesetzt. Der Politik bleibt ein Jahrzehnt, um sich auf diese bleibenden Kosten einzustellen.

Die Kommunalverschuldung hat in einigen Bundesländern ein Niveau erreicht, das Kommunen dazu zwingt, sich massiv über Kassenkredite zu finanzieren und Investitionen zurückzustellen. Wo dies der Fall ist, muss offen über eine Umschuldung diskutiert werden. Die “Hessenkasse” hat vernünftig aufgezeigt, wie ein solches Programm aus Fördern (Altschuldenübernahme, Investitionsprogramm) und Fordern (Beteiligung der Gemeindebürger durch vorübergehend höhere Kommunalabgaben sowie Leistungseinschränkungen) funktionieren kann.

Seit dem 1. Januar 2020 tritt aber die Schuldenbremse mit ihrem Komplettverbot für Neuschulden auf Länderebene in Kraft. Damit fehlt den Ländern, die noch nicht gehandelt haben, möglicherweise der Spielraum für solche Programme. Ausweg kann je nach Regelung der Landesverfassung ebenfalls eine Auslagerung der Altschulden in eine Körperschaft oder eine privatrechtliche Gesellschaft sein (siehe: „Zukunftsfonds zur Tilgung der kommunalen Kassenkredite in Nordrhein-Westfalen“).

Im Übrigen spricht die Erfahrung der Vergangenheit nicht eindeutig für diese polit-ökonomischen Sorgen (siehe: „10 Jahre Schuldenbremse – ein Konzept mit Zukunft?“)

Wie kann man nach zehn Jahren das Investitionsniveau/Neuverschuldungsniveau glaubhaft wieder zurückführen?

Die Schuldenquote Deutschlands ist in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2011 auf über 80 Prozent des BIP angestiegen. Aufgrund der positiven Entwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt und der entsprechend sprudelnden Steuereinnahmen sowie durch Entlastungen bei den Zinszahlungen ist die Quote zuletzt unter die europarechtlich vereinbarte Grenze von 60 Prozent gesunken. Wenn wir in vorsichtigen Berechnungen von einem nominalen jährlichen Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent ausgehen, reduziert sich die Schuldenstandquote trotz zusätzlicher Investitionen durch den Deutschland-Fonds sogar noch weiter.

Selbstverständlich würde der Schuldenstand ohne entsprechende Investitionstätigkeit niedriger ausfallen und bereits im Jahr 2030 unter der Grenze von 50 Prozent liegen, aber dafür wäre es auch um die deutsche Infrastruktur wesentlich schlechter bestellt. Zudem sind die Wachstumseffekte der höheren staatlichen Ausgaben zu bedenken. Der Vergleich mit einem Eigenheim liegt nahe, das in dem einen Fall mit einer Hypothek belegt ist, aber dafür angemessenen Wohnraum bietet, oder im anderen Fall völlig abbezahlt wurde, aber dafür Löcher in Mauerwerk und Dach zeigt, die das Haus völlig entwerten.

Wie hoch das Verschuldungsniveau in einem Land liegen soll, welche Investitionsprojekte priorisiert und welche nicht umgesetzt werden, darüber muss im demokratischen Prozess gestritten werden – heute wie in zehn Jahren. Einen „richtigen“ Schuldenstand in diesem Sinne gibt es nicht und damit auch nur schwerlich einen heute zu vereinbarenden Fahrplan, mit dem Schulden in Zukunft begrenzt werden sollten. Vielmehr gilt es auf das Maß der dann demokratisch gewählten Volksvertreter zu setzen, die sich sicherlich auch in zehn Jahren nicht leicht tun werden, unterschiedliche Interessen gegeneinander abzuwägen.

Haben nicht schon vorherige und die jetzige Generation den künftigen Generationen sehr viel Ballast (und Schulden) aufgebürdet?

Die aktuelle Schuldenstandquote liegt bei unter 60 Prozent und befindet sich damit im Rahmen des Maastricht-Kriteriums. Würden wir auch für die kommenden Jahre weiterhin die “Schwarze Null” verfolgen, läge der Schuldenstand selbst bei moderater wirtschaftlicher Entwicklung schon 2026 bei 50 Prozent und bereits im Jahr 2036 bei 40 Prozent. Ob sich eine solche Entwicklung als Vorteil verbuchen lässt oder nicht, darüber lässt sich trefflich streiten.

Es muss deutlich gemacht werden, dass Kosten nicht nur aus einer hohen Verschuldung, sondern ebenso aus nicht getätigten Investitionen entstehen und beides die Schuldentragfähigkeit beeinflusst. Insbesondere aus einer Perspektive der intergenerationalen Gerechtigkeit gibt es viele Investitionen, die sich heute schuldenfinanziert rechtfertigen lassen. Tatsächlich haben effektive kreditfinanzierte Investitionen vielfach das Potential, Wachstum zu fördern und die Schuldenquote langfristig sogar zu reduzieren. Die zunehmende Alterung der Bevölkerung hat zudem bereits heute dazu geführt, dass die Zinsen dauerhaft unter den Wachstumsraten der Wirtschaft liegen. Es erscheint momentan unwahrscheinlich, dass sich diese Entwicklung zeitnah umkehren wird. Mehr denn je lassen sich kreditfinanzierte und zukunftsgerichtete Investitionen heute rechtfertigen. Denn mit diesem Zins-BIP-Raten-Verhältnis verbindet sich grundsätzlich eine andere Konsequenz mit staatlicher Kreditaufnahme als es in Deutschland bis 2010 der Fall war: Eine Zukunftslast, die sich aus höheren Zinslasten im Vergleich zur Entwicklung des Einkommensspielraums, ist damit per se nicht verbunden.

Wann sollen all die Schulden getilgt werden?

Aufgrund seiner sehr langfristigen Perspektive und seiner sehr hohen Kreditwürdigkeit hat ein Staat wie Deutschland aktuell die Möglichkeit, sich zu negativen Zinsen zu verschulden. Er bekommt also Geld dafür, dass er Schulden aufnimmt. Die Schulden sinken dann allein aus den Zinsrückzahlungen. In einer solchen Situation keine zukunftsgerichteten Investitionen kreditfinanziert umzusetzen ist geradezu fahrlässig und vergleichbar mit einer Situation, in der der Staat 50-Euro-Scheine auf der Straße liegen lässt. Man könnte deshalb prüfen, ob das gesamte Finanzierungsvolumen nicht früher aufgenommen wird und zwischenzeitlich – bis zum Auftreten des jährlichen Finanzierungsbedarfs – renditeorientiert angelegt wird. Das folgt grundsätzlich der Idee, der Staat solle die für ihn günstige Zinssituation nutzen und aus Krediten über Finanzinvestitionen Erträge für die Alterssicherung der Bürger erwirtschaften.

Um die Höhe von Staatsschulden im Vergleich mit anderen Ländern und über die Zeit sinnvoll interpretieren zu können, müssen diese ins Verhältnis mit dem Bruttoinlandsprodukt gesetzt werden. Es geht um Schuldentragfähigkeit. Die deutsche Schuldenstandquote ist seit 2011 von über 80 Prozent auf unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gefallen. Geht man von einem durchschnittlichen nominalen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 2,5 Prozent aus, wird die Schuldenquote selbst bei Deutschland-Fonds-Investitionen von rund 450 Milliarden über die kommenden 10 Jahre weiter fallen – schon ohne Berücksichtigung der Wachstumseffekte. Rechnen wir für die Zukunft mit einem moderaten wirtschaftlichen Umfeld geht die Schuldenstandquote bereits Mitte der 2030er Jahre auf 50 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu (siehe: „Investitionsfonds für Deutschland“).

Wie funktioniert der Fonds rein technisch? Wer nimmt rein rechtlich die Schulden auf, wer bezahlt Zinsen und Tilgung?

Der Deutschland-Fonds sieht nicht vor, dass die Schuldenbremse abgeschafft wird. Vielmehr würde sie ein investiver Bundessonderhaushalt mit eigener Rechtspersönlichkeit (Körperschaft oder Gesellschaft) ermöglichen, indem die produktiven zusätzlichen Ausgaben transparent aufgeführt würden. Die Schuldenbremse greift für die Haushalte von Bund und Ländern weiterhin, um konsumtive Investitionen zu begrenzen, verhindert aber nicht, dass Deutschland produktive Investitionen zu Nullzins-Konditionen tätigt. Bei der Konstruktion eines solchen investiven Bundessonderhaushalts ist zu verhindern, dass bereits geplante Projekte berücksichtigt und schlicht umgebucht werden, um so im Bundeshaushalt Platz für sozialpolitische Geschenke machen. Sinnvoll wäre es hierzu, einen unabhängigen Investitionsrat – denkbar durch Aufgabenerweiterung des Stabilitätsrates – einzusetzen, der einzelnen Vorhaben über Nutzen-Kosten-Analysen darauf abklopft, dass diese tatsächlich einen investiven Charakter haben und die wichtigen Zukunftsfragen erfolgsversprechend adressieren.

Angesichts der großen Überschüsse im aktuellen Haushalt stellt sich die Frage, warum nicht zuerst die verwendet werden, bevor man sich für den Deutschland-Fonds darüber hinaus verschuldet?

Die Haushaltsüberschüsse der letzten Jahre können als zusätzlicher Investitionsspielraum innerhalb der bestehenden Strukturen angesehen werden, sofern die Situation nicht nur scharf entlang der Jahresgrenzen beurteilt wird. Die Überschüsse reichen allerdings bei weitem nicht aus, um die bestehenden Investitionsbedarfe zu decken und sind insofern keine mittel- oder langfristige Option. Außerdem kann die Zeit der Überschüsse auch einmal zu Ende gehen. Dies ist realistischerweise zu erwarten, wenn Deutschland seine internationalen Verpflichtungen im Bereich der Verteidigung ernst nimmt (+25 Milliarden Euro pro Jahr), der Solidaritätszuschlag vollständig abgeschafft wird (+11 Milliarden Euro pro Jahr) und der Brexit sich in den EU-Finanzen wiederspiegelt (11 Milliarden Euro pro Jahr).

Moral Hazard/Aufweichung der Schuldenbremse

Besteht nicht die Gefahr, dass trotz der Vorgaben letztlich bestehende oder schon geplante Investitionsprojekte in den Fonds geschoben werden und so Haushaltsmittel für andere Zwecke freiwerden?

Die Gefahr besteht und sollte deshalb durch die genannten institutionellen Vorkehrungen zur Absicherung der verfassungsrechtlichen Regelungen beantwortet werden (Einmalaufstellung des Fonds, Nutzen-Kosten-Analyse, Investitionsrat). Allerdings können mit den freien Mitteln im Bundeshaushalt auch ökonomisch sinnvolle Maßnahmen ergänzend zum Investitionsfonds finanziert werden. Denkbar sind Steuersenkungen und bei Entlastungen der Länderhaushalte, die über den Bund vom Deutschland-Fonds profitieren, auch eine Ausfinanzierung der kommunalen Sozialausgabenlasten wie der Erstattung der Kosten der Unterkunft für SGB II Bezieher, die der Hauptgrund für die Situation hochverschuldeter Kommunen sind. Viele Kommunen haben zurzeit keine ausreichende freie finanzielle Spitze und kaum adäquates Personal zum Abruf bestehender Investitionsförderprogramme. Eine Lösung der Finanzschwierigkeiten auf Kommunalebene würde die Durchschlagskraft des Investitionsfonds verstärken. Zudem kann ein unabhängiges Expertengremium wie ein Stabilitätsrat/Investitionsrat dafür sorgen, dass hier kein Etikettenschwindel geschieht.

Läuft der Deutschland-Fonds nicht Gefahr, als Schattenhaushalt Fehlanreize zu setzen?

Über einen zweckgebundenen Fonds als eigene Rechtsperson – wie vorgeschlagen – sollte diese Gefahr zu bannen sein. Hierbei müssen die Kriterien und Verwendungszwecke vorab ebenso klar definiert werden wie die Frage, für welche Projekte eine Anschlussfinanzierung sinnvoll und vorgesehen ist. Schließlich ist das Ziel, einen Investitionsfonds zu schaffen, der nicht nur transparent ist, sondern durch klare Regeln hat und durch Parlament sowie Öffentlichkeit kontrolliert wird.

Die Gefahr eines Nebenhaushalts lässt sich bereits über das Design des Deutschland-Fonds bannen. Wichtig ist vor allem eine möglichst abschließende Abgrenzung des Investitionsbegriffs sowie eine klare Kante gegen Mittelverschwendung. Sollte sich etwa zeigen, dass einzelne Gebietskörperschaften nur defizitäre Projekte anstoßen, könnte die Mittelvergabe für entsprechende weitere Projekte vorläufig gesperrt werden. Grundsätzlich ist der Fonds – wie auch der Fonds “Deutsche Einheit” – kein Schattenhaushalt, sondern ein Nebenhaushalt. Es wird nichts ins Unklare verschoben, sondern es wird im Gegenteil ein politisches Programm transparent gemacht.

Sind Sondervermögen nicht auch durch die Schuldenbremse seit 2011 betroffen? Wie kann das umgangen werden?

Laut der Schuldenbremse fallen auch Sondervermögen des Bundes und der Länder unter die Schuldenbremse. Allerdings würde der Deutschland-Fonds nicht darunterfallen, wenn es sich bei der konkreten Ausgestaltung um eine „Rechtlich selbständige Personen des öffentlichen Rechts“ handelt. Körperschaften wie Kommunen, Anstalten und Stiftungen sowie Sozialversicherungsträger –werden bisher auch nicht erfasst. Denkbar ist auch eine Aufstellung als privatrechtliche Gesellschaft (so wie die 1990 aus der Bundesschuldenverwaltung hervorgegangene Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH).

Was ist mit dem Grundsatz „Einheit des Budgets“?

Die Einheit des Budgets ist in der Verfassungsrealität immer wieder durchbrochen worden, durchaus mit guten Gründen – beispielsweise mit dem Lastenausgleichfonds oder dem Fonds “Deutsche Einheit”. Auch der Deutschland-Fonds adressiert Fragen, die in ihrer Tragweite durchaus eine Ausnahme rechtfertigen, es handelt sich um die Jahrhundertaufgabe unserer Generation. Des weiteren soll der Investitions-Fonds absolut transparent ausgestaltet werden, so dass er sowohl der parlamentarischen als auch der zivilgesellschaftlichen Kontrolle unterliegt.

Was sagen Sie denen, die jetzt um das viele Jahre gepflegte und politisch wirksame Narrativ der „Schwarzen Null” fürchten?

Es ist richtig, dass die Schwarze Null” als kommunikative Zuspitzung der Schuldenbremse ein wirksames politisches Narrativ war. Trotzdem darf dieses Narrativ nach der erfolgreichen Anpassung der Schuldenquote nicht die deutsche Finanzpolitik dominieren, zumal sie sich auf Dauer wegen der fehlenden ökonomischen Logik gegen die Solidität und die gesamtwirtschaftliche Angemessenheit der Finanzpolitik wendet (prozyklische Politik). Wenn sich Budgetverhandlungen auf die Ablehnung von Schulden sowie auf Steuererhöhungen und die Zusicherung von Rentengeschenken beschränken, dann verbaut sich die Politik praktisch alle Gestaltungsoptionen für die Zukunft. Das kann aber angesichts des Investitionsstaus im Lande nicht überzeugen – zumal der Vorschlag, die Schwarze Null” zu überdenken, in einem Moment kommt, in dem der deutsche Staatshaushalt wieder die Maastricht-Kriterien erfüllt und die Zins-BIP-Raten-Konstellation sich grundlegend verändert hat.

Ihre Argumentation eröffnet in der polit-ökonomischen Debatte dem Schuldenmachen auch für ausufernde Wahlversprechen Tür und Tor – was antworten Sie denen, die das befürchten?

Hier besteht die politische Kunst, den Unterschied zwischen Investieren und Konsumieren deutlich zu machen. Auf der einen Seite braucht der Deutschland-Fonds eine Schärfung des Investitionsbegriffs, der Investitions- und Konsumausgaben klar voneinander abgrenzt. Auf der anderen Seite braucht es eine unabhängige Experten-basierte Institution, die evaluiert, welche Projekte tatsächlich unter die strengen Regeln des Investitionsfonds fallen.

Zudem gilt auch schon heute: versprechen können Politiker allerlei – übrigens auch Verfassungswidriges wie wir immer wieder feststellen können. Am Ende ist es in unserer Demokratie an den Bürgern, ihr Urteil über die politischen Vorschläge zu fällen. Die Schuldenbremse jedenfalls hat die Ausdehnung der konsumtiven Ausgaben mit demografiepolitisch unterverantwortlichen Maßnahmen nicht verhindert. In der Welt vor der Schuldenbremse war es nicht so, wie heute selbstverständlich behauptet wird: Es gab massive Eingriffe in den Staatshaushalt, und die Gründe für den stufenweisen Anstieg der Schuldenquote waren sehr unterschiedlich.

Soll die Schuldenbremse abgeschafft werden?

Grundsätzlich stellt eine verfassungsrechtliche Schuldenregel wie die Schuldenbremse ein sinnvolles Instrument dar, exzessive Ausgabensteigerungen zu begrenzen und eine nachhaltige Finanzpolitik zu befördern. Daher sollte sie grundsätzlich bestehen bleiben. Sie darf allerdings nicht in wirtschaftlich (und damit fiskalisch) schlechteren Zeiten zum Investitionshemmnis werden. Auch darf sie nicht die Länder daran hindern, ihrer Verantwortung gegenüber den Kommunalfinanzen gerecht zu werden. Die Schuldenbremse sollte daher mittelfristig selbst überprüft werden, beispielsweise sind fixe Quoten wie die 0,35 Prozent des BIP für die strukturelle Verschuldung wenig überzeugend. Überdies kann gefragt werden, ob und wie man der “goldenen Regel” der Finanzpolitik systematisch Raum geben kann (so war es übrigens vom Sachverständigenrat in seiner Expertise 2007 auch diskutiert worden). Schließlich kann man prüfen, wie die Zins-BIP-Raten-Konstellation in die Regel eingebaut werden kann. Also: Eine grundsätzliche Reformdebatte ist unabhängig vom Deutschland-Fonds sinnvoll und geboten, dieser eröffnet allerdings kurzfristig die Option, im Einklang mit den bestehenden Regeln transparent das Investitionsthema anzugehen.

Darüber hinaus beträgt jenseits langfristiger Überlegungen die Verschuldung für den konsumtiven Teil über den Konjunkturzyklus Null – das investive Potenzial wird über den Fonds kreditfinanziert (siehe: „Staatsverschuldung wirksam begrenzen").

Finanzmarkt

Wie sicher ist ein anhaltendes Nullzins-Niveau?

Unsere Analysen zeigen, dass selbst ein – derzeit unwahrscheinlicher – Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik inklusive Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank kaum bei den Verbrauchern ankommen dürften. Grund dafür ist die Kraft des demographischen Wandels, der in fast allen Industrienationen zu einem stetigen Aufbau von Vermögen für das Alter führt und weiterhin führen wird. Aufgrund dieser erhöhten Spartätigkeit werden uns die Niedrigzinsen noch über Jahrzehnte begleiten (siehe: „Reasons for the Declining Real Interest Rates”).

Internationale Schuldenregeln

Wie können wir Maastricht einhalten?

Der Deutschland-Fonds sieht vor, die Maastricht-Verschuldungsgrenze von 60 Prozent und das mittelfristige Ziel eines strukturellen Defizits die Verschuldungsgrenze aus dem Fiskalvertrag von 1 Prozent (für Staaten mit einer Gesamtverschuldung von erheblich unter 60 Prozent des BIP) einzuhalten – was auch wichtig ist, um gegenüber der EU die richtigen Signale zu senden. Das langfristige Potenzialwachstum Deutschlands, das die EU-Kommission prognostiziert, liegt bei 1,2 Prozent. In Kombination mit einer Inflationsentwicklung von 1,3 Prozent pro Jahr ergibt sich hieraus ein nominales Wachstum des Bruttoinlandproduktes von 2,5 Prozent. Bei einem aktuellen BIP-Niveau von etwa 3,3 Billionen Euro steigt das Bruttoinlandprodukt voraussichtlich jährlich um über 80 Milliarden Euro. Dem stünde eine zusätzliche jährliche Deutschland-Fonds-Investition von etwa 45 Milliarden Euro gegenüber, was die Maastricht-Schuldenstandquote auf absehbare Zeit trotz steigender absoluter Verschuldung sogar weiter absinken lassen würde.

Welche Botschaft wird damit an Länder wie Griechenland und Italien gesendet?

Griechenland und Italien wird signalisiert: Es lohnt sich, seinen Haushalt zu konsolidieren. Erstens: Wer den Finanzmärkten glaubhaft seine Solvenz signalisiert, der wird mit niedrigen Zinsen belohnt. Zweitens: Wer die Maastricht-Kriterien erfüllt, der hat zudem wichtige Spielräume, um in seine Wettbewerbsfähigkeit zu investieren. Deutschland schafft es, sich an die international vereinbarten Spielregeln zu halten und kann gleichzeitig in die großen Herausforderungen der Zukunft investieren. Das klingt doch wie ein motivierendes Beispiel.

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