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Der Süden verliert weiter an Boden

Die osteuropäischen Länder nähern sich in ihrer Wirtschaftsleistung den nordeuropäischen Volkswirtschaften an. Nicht so rosig sieht es dafür im Süden der EU aus, wie eine neue IW-Berechnung zeigt, die den wirtschaftlichen Mittelpunkt der Europäischen Union bestimmt.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die Wirtschaft hat sich in den südeuropäischen Staaten von 2009 bis 2018 deutlich schwächer entwickelt als in den Ländern Nord- und Mitteleuropas.
  • Grund für den schwächelnden Süden sind noch immer die Auswirkungen der Schuldenkrise in der Eurozone.
  • Die Folge: Seit 2009 ist das Zentrum der europäischen Wirtschaftskraft wieder 50 Kilometer zurück in Richtung Norden gewandert, sodass es 2018 südöstlich von Offenburg lag.
Zur detaillierten Fassung

Verteilungsfragen zwischen Nord- und Südeuropa dominieren seit Jahren die EU-Politik. Auch im jüngst beschlossenen Wiederaufbaufonds zur Eindämmung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sind die südlichen Mitgliedsstaaten große Profiteure. Denn nach wie vor hinken die südeuropäischen Staaten den Ländern aus Nord- und Mitteleuropa in der Wirtschaftsleistung hinterher. Dies belegen die Wachstumszahlen des vergangenen Jahrzehnts, die die Folgen der Corona-Pandemie noch nicht einmal einschließen:

Während die nominale Wirtschaftsleistung im Norden Europas zwischen 2009 und 2018 um rund 37 Prozent zulegte, erreichte der Süden im selben Zeitraum nur ein Wachstum von knapp 15 Prozent.

Dabei kommt den südlichen Ländern sogar noch zugute, dass Frankreich hier zu ihrer Gruppe gezählt wird. Ohne die französische Wirtschaftsleistung fällt das Wachstum mit lediglich knapp 10 Prozent noch geringer aus. Damit ist die Kluft zwischen Nord- und Südeuropa in den vergangenen Jahren größer geworden – obwohl der europäische Binnenmarkt für eine wirtschaftliche Annäherung sorgen sollte.

Die gelingt immerhin den neuen Mitgliedsstaaten aus dem Osten: Von 2009 bis 2018 wuchs das Bruttoinlandsprodukt in den osteuropäischen EU-Ländern um fast 50 Prozent.

Grund für den schwächelnden Süden sind noch immer die Auswirkungen der Schuldenkrise in der Eurozone, die viele südliche Regionen in eine tiefe Rezession gestürzt hat – und zwar auch die Länder, die zuvor durch die Einführung des Euro ein deutliches Wirtschaftswachstum erzielten.

Wirtschaftlicher Mittelpunkt bewegt sich nach Norden

Dies belegt auch die Berechnung des hypothetischen wirtschaftlichen Mittelpunkts der EU durch das Institut der deutschen Wirtschaft. Die Idee des Konzepts: Von diesem Punkt aus gesehen ist die aggregierte Wirtschaftsleistung in alle Richtungen ungefähr gleich groß.

Im Jahr 2000 befand sich der wirtschaftliche Mittelpunkt noch auf halber Strecke zwischen Freiburg im Breisgau und Offenburg. In den folgenden Jahren bewegte er sich dann deutlich in südliche Richtung, bis er 2009 südöstlich Freiburgs lag. Mit der Finanzmarktkrise fand der Aufholprozess des Südens dann ein jähes Ende (Grafik):

Seit 2009 ist das Zentrum der europäischen Wirtschaftskraft wieder 50 Kilometer zurück in Richtung Norden gewandert, sodass es 2018 südöstlich von Offenburg lag.

Wirtschaftlicher Mittelpunkt der EU basierend auf dem Bruttoinlandsprodukt in den Regierungsbezirken der Mitgliedsstaaten Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Setzt sich diese Entwicklung fort, könnte der wirtschaftliche Mittelpunkt der EU in 25 Jahren bereits in der Nähe von Mannheim zu finden sein.

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