Energie- und Rohstoffkrise Lesezeit 3 Min.

Der Mittelstand ist in der Bredouille

Die Energiekrise trifft jeden, besonders hart allerdings die energieintensiven industriellen Mittelständler in Deutschland. Hohe Strom-, Gas- und Rohstoffpreise bringen mittlerweile neun von zehn mittelständischen Unternehmen in die Bredouille.

Kernaussagen in Kürze:
  • Eine Befragung des industriellen Mittelstands durch den Bundesverband der Deutschen Industrie zeigt, dass für rund 90 Prozent der Unternehmen die aktuellen Preisentwicklungen für Energie und Rohstoffe ein ernsthaftes Problem darstellen.
  • 4 Prozent der Betriebe denken deshalb über eine Verlagerung des gesamten Unternehmens ins Ausland nach.
  • Und etwa ein Viertel der befragten Unternehmen hat Pläne, Unternehmensteile oder Teile der Produktion und Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern, oder ist bereits dabei.
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Auch wenn Deutschland das Land der Hidden Champions ist: Die meisten industriellen Mittelständler zählen nicht zu den heimlichen Weltmarktführern, selbst wenn sie größenmäßig oberhalb der EU-Definition für kleine und mittlere Unternehmen liegen – also mehr als 250 Mitarbeiter beschäftigen und auch mehr als 50 Millionen Euro im Jahr umsetzen. Viele von ihnen besitzen als Zulieferer von Großunternehmen etwa in der Autoindustrie keine herausragende Marktstellung, sondern produzieren qualitativ gute, aber mehr oder weniger austauschbare Güter mit geringen Gewinnmargen.

Zu den am stärksten von der Energiekrise betroffenen Betrieben in Deutschland zählen die annähernd 600 Gießereien. Um die Energiepreisexplosion aufzufangen, müssten die Verkaufspreise für Gussprodukte derzeit um bis zu 50 Prozent angehoben werden.

Diese Ersetzbarkeit macht den Betrieben in Krisenzeiten zu schaffen, denn ihre Produkte können genauso gut von anderen, im Zweifel günstigeren, ausländischen Lieferanten bezogen werden. Weil die Kalkulation vieler hiesiger Unternehmen aus der Zeit vor dem rasanten Anstieg der Gas- und Strompreise stammt, müssen sie nun Aufträge zu Preisen abwickeln, die aufgrund des Kostenanstiegs zu einem Verlust führen. Denn die extrem hohen Energiekosten können nur zum Teil durch Nachverhandlungen an Kunden weitergegeben werden.

Wie stark ein Betrieb von den jüngsten Steigerungen der Energiepreise betroffen ist, hängt naturgemäß davon ab, wie energieintensiv das jeweilige Unternehmen produziert. Zu den am stärksten betroffenen Betrieben in Deutschland zählen die annähernd 600 heimischen Gießereien. Um die Energiepreisexplosion aufzufangen, müssten die Verkaufspreise für Gussprodukte derzeit um bis zu 50 Prozent angehoben werden.

Für neun von zehn Mittelständlern sind die hohen Energiepreise ein Problem

Doch es sind nicht nur die Gießereien, die unter den hohen Energiekosten leiden. In einer Befragung des industriellen Mittelstands durch den Bundesverband der Deutschen Industrie gaben rund 90 Prozent der Unternehmen an, dass die aktuellen Preisentwicklungen ein ernsthaftes Problem für sie darstellen (Grafik):

Die drastisch gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise sind für 58 Prozent der Mittelständler eine starke, für 34 Prozent sogar eine existenzielle Herausforderung.

So viel Prozent der Unternehmen in Deutschland betrachten die gestiegenen Preise für Energie und Rohstoffe als existenzielle Herausforderung/ starke Herausforderung/normales Marktrisiko Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die Krux: Die Möglichkeiten zum Gegensteuern sind begrenzt. Zwar planen 28 Prozent der Unternehmen mittelfristig einen Brennstoffträgerwechsel, um unabhängiger von Gas zu sein, doch 37 Prozent sehen hierzu keine Möglichkeit – sie sind weiterhin auf Erdgas angewiesen. Und auch Öl, das bereits von 10 Prozent der Unternehmen anstelle von Gas verwendet wird, hat sich stark verteuert. Das Gleiche gilt für Strom, auf den 5 Prozent der befragten Betriebe aktuell umstellen.

Was folgt daraus? Fast jedes zehnte Unternehmen ist bereits der Empfehlung des Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck gefolgt und hat die Produktion in Deutschland gedrosselt oder unterbrochen. Für die Zukunft verheißt das nichts Gutes, denn aus einer Unterbrechung kann eine Verlagerung oder Schließung werden (Grafik):

Etwa ein Viertel der befragten Unternehmen hat Pläne, Unternehmensteile oder Teile der Produktion und Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern, oder ist bereits dabei.

Die aktuelle Preisentwicklung beeinflusst so viel Prozent der Unternehmen in dieser Weise bei ihren Planungen mit Blick auf den Standort Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Weitere 4 Prozent der Betriebe denken sogar über eine Verlagerung des gesamten Unternehmens ins Ausland nach.

Besonders problematisch ist, dass aufgrund der Preissteigerungen auch der technische Fortschritt und die Nachhaltigkeit leiden. Rund 40 Prozent der Unternehmen müssen wegen der hohen Energie- und Rohstoffpreise Investitionen in die ökologische und digitale Transformation vorerst zurückstellen. Nur bei 20 Prozent der Betriebe führt die aktuelle Preisentwicklung zu beschleunigten ökologischen Investitionen; digitale Investitionen werden sogar nur von 13 Prozent der Unternehmen forciert.

Bürokratieabbau würde ebenfalls helfen

Danach befragt, wie die Politik den mittelständischen Unternehmen helfen und zugleich die Standortqualität stärken könnte, kristallisieren sich vor allem drei Maßnahmen heraus: Eine Begrenzung der Energiekosten, wie sie die Gaspreisbremse für Unternehmen zum 1. Januar 2023 bringen soll, wünschen sich 64 Prozent der Betriebe. Doch fast genauso wichtig ist den Betrieben mit jeweils 58 Prozent Zustimmung ein spürbarer Abbau der Bürokratie, verbunden mit einer besseren Rechtssetzung und Maßnahmen zur Beseitigung des Fachkräftemangels.

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