Der holprige Weg von der Straße auf die Schiene
Der Zustand der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland gibt viel Anlass zur Kritik. Benötigt werden Investitionen sowohl in das Schienen- als auch in das Straßennetz, denn eine effiziente und klimafreundliche Güterlogistik erfordert das Zusammenspiel aller Verkehrsträger. Eines ist sicher: Ohne Lkw wird es auch in Zukunft nicht gehen.
- Die Ausgaben für die Verkehrsinfrastruktur sind zuletzt gestiegen, sind aber nach wie vor zu niedrig.
- Eine weitgehende Verlagerung der Gütertransporte von der Straße auf die Schiene ist unrealistisch.
- Gelingt es, das Schienennetz zu ertüchtigen, könnte die Zukunft im kombinierten Verkehr liegen, bei dem Güter über möglichst lange Strecken mit der Bahn transportiert und nur für das letzte Wegstück zum Kunden auf Lkw umgeladen werden.
Die dauerhafte Vollsperrung der A 45 bei Lüdenscheid aufgrund der maroden Talbrücke Rahmede zeigt einmal mehr, in welch miserablem Zustand die Verkehrsinfrastruktur zum Teil ist. Immer mehr Brücken an Fernstraßen müssen saniert oder neu gebaut werden. Aber auch das Schienennetz ist an vielen Stellen überlastet. Dies gilt insbesondere für Strecken, auf denen sehr viele Güterzüge fahren, wie zum Beispiel die Verbindungen von Hamburg Richtung Süden oder die Schienenwege nach Duisburg. Außerdem ist die Schieneninfrastruktur stark modernisierungsbedürftig, unter anderem fehlt es an digitalisierten Stellwerken.
Zwar hat der Bund die entsprechenden Haushaltsmittel zuletzt aufgestockt:
Der Etat für Investitionen in Fernstraßen, Schienen- und Wasserwege wuchs von 10,9 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf 16 Milliarden Euro 2020.
Für das laufende und die beiden kommenden Jahre sind sogar jeweils gut 18 Milliarden Euro eingeplant. Allerdings wird ein erheblicher Teil der zusätzlichen Investitionssummen bereits durch die steigenden Baupreise aufgezehrt. Und auch insgesamt bleibt das Ausgabenniveau niedrig: Je Personen- beziehungsweise Tonnenkilometer Transportleistung gerechnet, flossen aus den Töpfen von Bund, Ländern und Gemeinden zuletzt zum Beispiel schätzungsweise weniger als 2 Cent jährlich in den Straßenverkehr.
Der Lkw ist und bleibt wohl auch das Rückgrat des Transportsektors in Deutschland – schon deshalb, weil sich die Transportstrecken und auch die Art der transportierten Güter deutlich zwischen Brummis und Bahn unterscheiden.
Man könnte nun meinen, der Staat solle die Mittel für die Verkehrsinvestitionen mit Blick auf den Klimaschutz künftig vor allem in das Schienennetz stecken und so die Verlagerung der Gütertransporte vom Lkw auf den Zug fördern. Doch ganz so einfach ist es nicht. Erstens ist unstrittig, dass der Lkw derzeit das Rückgrat des Transportsektors in Deutschland bildet (Grafik):
Mit knapp 3.200 Millionen Tonnen wurden im Jahr 2019 mehr als 84 Prozent des Frachtaufkommens in Deutschland per Lkw transportiert.
Zweitens sind die Transportwege der Brummis – vor allem der in Deutschland zugelassenen Fahrzeuge – im Schnitt deutlich kürzer als jene der Güterzüge:
Allein 56 Prozent der gesamten Frachtmenge, die deutsche Lkw im Jahr 2019 in Deutschland bewegten, wurden über eine Strecke von maximal 50 Kilometern bewegt.
Nur 8 Prozent des Verkehrsaufkommens entfielen auf Transportwege von mehr als 300 Kilometern – das sind aber gerade jene Langstrecken, auf denen die Schiene ihre Stärken ausspielen kann.
Unterschiedliche Transportmärkte
Diese verschiedenen Schwerpunkte hängen wiederum damit zusammen, dass Straße und Schiene unterschiedliche Transportmärkte bedienen. So steuert die Straße den größten Anteil des Transports von Baumaterialien wie Zement, Gips und Glas bei. Auch Nahrungs- und Genussmittel werden in erster Linie per Lkw transportiert. Die Bahn bewegt vor allem Container, Metalle und Metallerzeugnisse sowie Kohle, Erdöl und -gas.
Nichtsdestotrotz ist es sinnvoll, mehr Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern. Um das Schienennetz dafür fit zu machen, müssten allerdings Strecken schneller neu- oder ausgebaut werden:
Zuletzt dauerte es in Deutschland im Schnitt etwa 23 Jahre, eine neue Schienenstrecke von mehr als 30 Kilometern zu errichten – davon entfielen allein ungefähr 14 Jahre auf die Planungs- und Genehmigungsphase.
Vor allem da, wo alte, marode Strecken ersetzt werden sollen, könnten Genehmigungsverfahren vereinfacht und die Bauzeiten dadurch verkürzt werden.
Zukunft liegt im kombinierten Verkehr
Gelingt es, das Schienennetz entsprechend zu ertüchtigen, liegt die Zukunft vor allem im sogenannten kombinierten Verkehr (KV), bei dem Güter zum Beispiel per Container oder Sattelanhänger über möglichst lange Strecken mit der Bahn transportiert und nur für das letzte Wegstück zum Kunden auf Lkw umgeladen werden. Um die Wachstumschancen des KV zu nutzen, braucht es allerdings unter anderem auch ein verbessertes Schnittstellenmanagement, etwa in Form von digitalen KV-Einstiegsportalen, die den Speditionen zum Beispiel die verfügbaren Routen anzeigen.