Datenschutz: Ungeliebtes Regelwerk
Seit Mai 2018 gilt die Europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) – doch noch immer tun sich die meisten Unternehmen in Deutschland schwer damit. Statt Rechtssicherheit zu schaffen, verunsichern die neuen Regeln die Firmen, hinzu kommt ein hoher personeller und finanzieller Aufwand für die Umsetzung.
- Die Unternehmen in Deutschland tun sich schwer mit der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
- Rund 86 Prozent der vom IW befragten Unternehmen sagen, die DSGVO sei nicht vorteilhaft für ihre Wettbewerbsposition.
- Fast alle Unternehmen, die in der Verordnung Nachteile sehen, begründen das vor allem mit dem hohen Aufwand.
Mit der Datenschutz-Grundverordnung sind die Regeln zur Verarbeitung personenbezogener Daten EU-weit harmonisiert worden. Das Ziel der DSGVO ist vor allem der Schutz der Verbraucher, die jetzt mehr Kontrolle darüber haben, was mit ihren Daten geschieht. Für Unternehmen, die personenbezogene Daten speichern und verarbeiten, bedeutet das mehr Pflichten: Sie müssen dem Verbraucher die Art der Datenverarbeitung und die Dauer der Speicherung mitteilen, und meist müssen sie auch eine Einwilligung für die Erhebung, Speicherung und Verarbeitung der Daten einholen.
Die meisten Unternehmen sagen, dass die DSGVO nicht vorteilhaft für ihre Wettbewerbsposition ist.
Trotz drohender Strafen hat die Wirtschaft in Deutschland die DSGVO bisher nur zögerlich angenommen. Laut dem Branchenverband Bitkom hatte 2019 lediglich ein Viertel der Unternehmen das Regelwerk vollständig umgesetzt. Das IW wollte wissen, warum das so ist und hat die Unternehmen deshalb nach ihren Erfahrungen mit der DSGVO gefragt. Die wichtigsten Ergebnisse:
Die Wettbewerbsposition. Theoretisch kann die DSGVO sowohl Wettbewerbsvorteile als auch -nachteile bringen. Von Vorteil ist sie zum Beispiel, wenn dadurch das Vertrauen in den Datenschutz gestärkt wird; von Nachteil ist sie unter anderem, wenn einem Unternehmen dadurch ein höherer Aufwand entsteht als der Konkurrenz. Fragt man die Unternehmen, wie sie die Sache sehen, ist die Antwort eindeutig:
Rund 86 Prozent der 862 befragten Unternehmen sagen, dass die DSGVO nicht vorteilhaft für ihre Wettbewerbsposition ist.
Betrachtet man die einzelnen Branchen, fällt die starke Ablehnung der Industrie auf (Grafik):
Fast 72 Prozent der Industrieunternehmen beantworten die Frage nach eventuellen Wettbewerbsvorteilen eindeutig mit „Nein“.
Ein Grund für diese strikte Haltung ist wahrscheinlich, dass Industrieunternehmen eher mit maschinenbezogenen als mit personenbezogenen Daten arbeiten und deshalb von den Vorteilen der DSGVO nicht so stark profitieren. Für die Dienstleister trifft dieses Muster nicht zu – die Branche arbeitet mit vielen personenbezogenen Daten. Dass sie die Verordnung trotzdem fast genauso stark ablehnt wie die Industrie, erklärt sich wohl vor allem damit, dass ihre Kunden und Vertragspartner kein hohes Datenschutzniveau einfordern und der Branche deshalb auch kein Wettbewerbsvorteil entsteht.
Datenschutzregeln oft noch nicht umgesetzt
Die Tatsache, dass die Unternehmen der DSGVO kaum Vorteile abgewinnen können, darf aber nicht zum Umkehrschluss führen. Denn fragt man die Unternehmen, ob ihnen die Verordnung Nachteile bringt, antwortet mehr als die Hälfte mit „Nein“, nur rund ein Drittel mit „Ja“ und immerhin 12 Prozent sind unentschlossen – ein Hinweis darauf, dass das neue Regelwerk in den Unternehmen noch immer nicht richtig angekommen ist.
Jenes Drittel, das in der DSGVO Nachteile sieht, hat jedoch eine dezidierte Meinung, warum (Grafik):
Fast alle Unternehmen bemängeln den hohen personellen und finanziellen Aufwand.
Diese hohe Quote erklärt sich damit, dass eine rechtskonforme Umsetzung der Richtlinie für viele Unternehmen heißt, ein Datenmanagement einführen zu müssen, die internen Prozesse zu überprüfen sowie technisch-organisatorische Maßnahmen zu ergreifen – das alles kostet viel Zeit und Geld.
DSGVO als internationaler Standard
Erschreckend hoch ist mit fast 90 Prozent zudem der Anteil jener Betriebe, die durch die neuen Regeln mehr Rechtsunsicherheit verspüren – denn eigentlich sollte die Harmonisierung der unterschiedlichen Datenschutz-niveaus in der EU genau das Gegenteil bewirken. Hier liegt die Vermutung nahe, dass diese Einschätzung obsolet wird, wenn sich die Unternehmen erst einmal an die neue Regulierung gewöhnt haben.
Ebenfalls fast 90 Prozent der Betriebe sehen in der DSGVO sogar eine Behinderung ihrer Geschäfte. Das dürfte vor allem bei jenen der Fall sein, deren Geschäftsmodell auf der Nutzung personenbezogener Daten beruht. All diese Ergebnisse zeigen, dass politisch noch viel zu tun ist, soll die DSGVO ein Erfolgsprojekt werden. Ganz oben auf der Agenda steht die stringentere Durchsetzung der Regeln innerhalb Europas, um Wettbewerbsverzerrungen abzubauen. Optimal wäre es, das Regelwerk als internationalen Standard zu etablieren.