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Hohe Betriebsvermögen in privaten Unternehmen

Die ungleiche Verteilung der Vermögen steht in Deutschland regelmäßig im Zentrum hitziger Debatten. Eine besondere Rolle spielt dabei das Betriebsvermögen – denn im Gegensatz zu anderen Vermögen kann es in der Regel nicht von heute auf morgen zu Bargeld gemacht werden. Hinzu kommt, dass Betriebsvermögen nur schwer zu bewerten ist. Das IW hat sich im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen dieses Problems angenommen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Im europäischen Vergleich sind die Vermögen in Deutschland relativ ungleich verteilt.
  • Das liegt auch daran, dass die deutsche Wirtschaft von vielen eigentümergeführten Familienunternehmen geprägt ist.
  • Vor allem das Vermögen jener Haushalte mit dem größten Gesamtvermögen besteht aus Betriebsvermögen.
Zur detaillierten Fassung

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist die Vermögensungleichheit in Deutschland relativ stark ausgeprägt. Abzulesen ist das am Gini-Koeffizienten: Ein Wert von null bedeutet, dass alle Haushalte das gleiche Nettovermögen besitzen, ein steigender Wert steht für eine ungleichere Verteilung.

In Deutschland lag der Gini-Koeffizient gemäß Daten der Credit Suisse im Jahr 2019 bei 0,82 – in Dänemark sogar bei 0,84, in Frankreich betrug er 0,70, in Spanien 0,69 und in der Slowakei nur 0,50.

Das sind relativ große Unterschiede, allerdings lassen sich diese Zahlen ohne eine Einordnung in den spezifischen Länderkontext kaum bewerten.

Eine wichtige Erklärung für die Unterschiede liegt im Niveau der staatlichen Absicherung. Ist sie – wie in den skandinavischen Ländern und in Deutschland – besonders umfangreich, ist die Vermögensungleichheit tendenziell stärker ausgeprägt, denn die Menschen müssen weniger privat vorsorgen und legen deshalb nicht so viel auf die hohe Kante.

Des Weiteren lässt sich die relativ hohe Vermögenskonzentration in Deutschland damit begründen, dass die heimische Wirtschaft stark durch eigentümergeführte Familienunternehmen geprägt ist. Und wenn Unternehmensbesitz und damit verbundene Immobilien sowie andere Vermögenswerte auf wenige Unternehmerfamilien und Selbstständige konzentriert sind, ist die gemessene Vermögensungleichheit rechnerisch höher, als wenn es in Deutschland ausschließlich börsennotierte Unternehmen im Streubesitz gäbe.

Nachhaltige Familienunternehmen

Dabei bleibt jedoch außen vor, dass Familienunternehmen häufig nachhaltiger agieren als börsennotierte Unternehmen, sie sind stärker regional verankert und haben eine geringere Mitarbeiterfluktuation. Die britische Zeitschrift „The Economist“ hat kürzlich ausgerechnet, dass mindestens zwei Drittel der sogenannten Hidden Champions in Städten mit weniger als 50.000 Einwohnern zu finden sind – nach Ansicht der Autoren ist das ein wesentlicher Grund für den vergleichsweise stark ausgeprägten sozialen Frieden in Deutschland.

Doch wie hoch ist das private Betriebsvermögen in Deutschland eigentlich? Anders als etwa bei Aktien und Häusern ist der Preis eines privaten Unternehmens nicht so einfach zu bestimmen, da es keinen transparenten Markt für Unternehmensverkäufe gibt – umso schwieriger ist es, das gesamte Betriebsvermögen in Deutschland exakt zu beziffern. Zum einen sind die vorliegenden Befragungsdaten unzureichend, weil sie insbesondere hohe (Betriebs-)Vermögen nicht ausreichend abbilden. Zum anderen zeigt sich der tatsächliche Wert eines Unternehmens in der Regel erst bei seinem Verkauf.

Zwischen 56 Prozent und 65 Prozent der Vermögen, die auf das 1 Prozent der Haushalte mit dem größten Gesamtvermögen entfallen, stecken in Betrieben.

Das IW hat sich im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen mit diesen Problemen beschäftigt und greift dabei auf die Befragungsdaten „Private Haushalte und ihre Finanzen“ (PHF) der Deutschen Bundesbank und die Unternehmensdatenbank dafne zurück. Während die PHF-Daten die Grundlage für die Bezifferung des Betriebsvermögens in sehr kleinen Unternehmen (weniger als zehn Mitarbeiter) sind, dient ein Sample von knapp 4.500 Unternehmen aus der dafne-Datenbank dazu, dieses auf alle eigentümergeführten Unternehmen mit mindestens zehn Beschäftigten auf Basis des vereinfachten Ertragswertverfahrens hochzurechnen. Das Ergebnis:

Das Betriebsvermögen der eigentümergeführten Unternehmen im Jahr 2017 wird auf 2,4 Billionen Euro (unterer Schätzwert) bis 3,1 Billionen Euro (oberer Schätzwert) taxiert.

Diese Werte sind aufgrund der Unsicherheit der zugrunde liegenden Daten zwar nur eine Annäherung, die im Wesentlichen darauf beruht, dass hohe und sehr hohe Vermögen hinzugeschätzt wurden. Gleichwohl weisen die Ergebnisse darauf hin, dass die Betriebsvermögen deutlich höher ausfallen, als es amtliche Statistiken oder Befragungen nahelegen. Auf der Basis der PHF-Daten zum Beispiel summiert sich das Betriebsvermögen in Deutschland lediglich auf insgesamt 1,1 Billionen Euro.

Die IW-Daten zeigen zudem, dass vor allem die Vermögen der reicheren Haushalte zu wesentlichen Teilen aus Betriebsvermögen bestehen (Grafik):

Beim unteren Schätzwert von 2,4 Billionen Euro Betriebsvermögen stecken rund 56 Prozent der Vermögen, die auf das 1 Prozent der Haushalte mit dem größten Gesamtvermögen entfallen, in Betrieben – beim oberen Schätzwert von 3,1 Billionen Euro sind es sogar fast 65 Prozent.

Anteile am Bruttovermögen in Deutschland 2017 in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Auch hier zum Vergleich: Nach den PHF-Daten liegt der Anteil, den das Betriebsvermögen am Gesamtvermögen des oberen Prozents der Haushalte ausmacht, bei 39 Prozent. Allerdings gilt auch: Die Ungleichverteilung der Vermögen steigt durch die Integration der höher bewerteten Betriebsvermögen. Da das IW jedoch auch die bisherige Untererfassung anderer Vermögenswerte berücksichtigt, wird dieser Effekt teilweise kompensiert.

Alle sind reicher - nicht nur die Reichen

So steigen zum Beispiel die Geldvermögen nicht nur im oberen Bereich, auch der Median – die eine Hälfte hat mehr, die andere weniger – der Haushaltsnettovermögen steigt von 71.000 auf 101.000 Euro. Das heißt: Nach den IW-Berechnungen sind nicht nur die Reichen reicher als gedacht, sondern auch die Haushalte der Mittelschicht.

Ein Blick auf die Entwicklung der Vermögensungleichheit zeigt: Durch das Hinzuschätzen hoher (Betriebs-)Vermögen fällt die Kluft zwar größer aus als ohne deren Berücksichtigung, es gibt aber keinerlei Anzeichen dafür, dass die Ungleichheit seit der Finanzkrise zugenommen hat. Unabhängig davon, ob das Betriebsvermögen nach dem unteren oder oberen IW-Schätzwert definiert wird oder nach den Befragungsdaten der Bundesbank – der Vermögensanteil des obersten Prozents war 2017 etwas niedriger als im Ausgangsjahr 2011 (Grafik).

So viel Prozent des Bruttovermögens entfielen auf das 1 Prozent der Haushalte mit den höchsten Vermögen Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

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