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Bundeshaushalt: Ausgaben kräftig ausgeweitet

Schon seit Jahren befindet sich Deutschland in einer Lage, von der andere Staaten nur träumen können: Der Bundeshaushalt schreibt schwarze Zahlen. Doch die unerwarteten Finanzspielräume sind weder das Ergebnis staatlicher Konsolidierungsanstrengungen, noch werden sie im Sinne einer nachhaltigen Finanzpolitik verwendet.

Kernaussagen in Kürze:
  • Der Bundeshaushalt hat in den vergangenen drei Jahren Überschüsse von insgesamt 24 Milliarden Euro verzeichnet – die Finanzplanungen des Bundes wurden seit 2013 per saldo sogar um gut 82 Milliarden Euro übertroffen
  • Fast 55 Milliarden Euro davon gehen auf das Konto verringerter Zinsausgaben, 27 Milliarden Euro resultieren aus höheren Steuereinnahmen.
  • Grundsätzlich gibt es drei Verwendungsmöglichkeiten für das Geld: Steuern senken, Schulden tilgen oder mehr ausgeben – die Bundesregierung hat jedoch fast nur Letzteres getan.
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Bis vor wenigen Jahren tat der Bund das, was er in den vergangenen Jahrzehnten praktisch immer getan hat: Er häufte neue Schulden an. In den Jahren 2009 und 2010 zum Beispiel, also während der weltweiten Finanzkrise, betrug die Neuverschuldung 34 beziehungsweise 44 Milliarden Euro. Danach wurde es zwar etwas weniger, doch auch von 2011 bis 2013 wuchs der Schuldenberg jedes Jahr im Schnitt um rund 20 Milliarden Euro.

Dann aber geschah Ungewöhnliches: Im Jahr 2014 beendete der Bundesfinanzminister das Haushaltsjahr mit einer „schwarzen Null“. Erstmals seit 1969 kam der Bund ohne neue Schulden aus. Doch damit nicht genug: In den Folgejahren sammelte die Staatskasse sogar Überschüsse – von 2015 bis 2017 waren es insgesamt fast 24 Milliarden Euro.

Für diesen unerwarteten Geldsegen gibt es zwei Ursachen (Grafik):

Sinkende Zinsausgaben. Ein wesentlicher Grund für die Haushaltsüberschüsse ist, dass sich die Zinsausgaben besser entwickelt haben, als es der Bund erwartet hatte: Dank der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank musste Deutschland für seine Staatsschulden immer weniger Zinsen zahlen.

Für das Jahr 2013 zum Beispiel waren im Finanzplan des Bundes 31,3 Milliarden Euro an Zinsausgaben vorgesehen – tatsächlich sind es dann nur 24,4 Milliarden Euro geworden. Seitdem sind Einsparungen in zweistelliger Milliardenhöhe zusammengekommen:

In den Jahren 2013 bis 2018 addierten sich die eingesparten Zinsen auf fast 55 Milliarden Euro.

So viele Milliarden Euro hatte der Bund in den Jahren 2013 bis 2018 im Vergleich zu seinen Finanzplänen zusätzlich oder weniger zur Verfügung Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Weil das Zinsniveau nicht mehr weiter fallen kann, werden die Zinseinsparungen allerdings in den kommenden Jahren kaum so weitergehen.

Steigende Steuereinnahmen. Ebenfalls positiv überrascht wurde der Bund auf der Einnahmenseite. Weil die deutsche Wirtschaft seit Jahren rundläuft, haben sich seine Steuereinnahmen von 2013 bis 2018 um jahresdurchschnittlich 5 Prozent erhöht und fielen damit deutlich üppiger aus, als es der Arbeitskreis Steuerschätzung erwartet hatte – dessen alljährliche Prognosen bilden die Grundlage für die Finanzplanung des Bundes. Trotz eines kurzen Einbruchs im Jahr 2016 – damals lag das tatsächliche Steueraufkommen um 2,9 Milliarden Euro niedriger als im Finanzplan erwartet – hat der Bundesfinanzminister deshalb ein erkleckliches Steuerplus eingefahren:

Von 2013 bis 2018 hat der Bund gut 27 Milliarden Euro mehr Steuern eingenommen, als er in seinen Finanzplanungen veranschlagt hatte.

Unerwarteten Geldsegen nutzen: Die Alternativen

Die Einsparungen durch sinkende Zinsausgaben auf der einen Seite und die steigenden Steuereinnahmen auf der anderen Seite haben den finanziellen Spielraum des Bundes insgesamt um mehr als 82 Milliarden erhöht – bleibt die Frage, was er mit diesem Geld gemacht hat. Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten:

1. Steuerentlastung. Kurz und schlecht: Eine Steuerentlastung hat es nicht gegeben. Abzulesen ist das daran, dass die Steuerquote, also die Steuereinnahmen des Bundes in Relation zum Bruttoinlandsprodukt, seit dem Jahr 2008 – mit Ausnahme von 2010 – bei etwas mehr als 9 Prozent liegt. Im Jahr 2010 ist die Steuerquote sogar um 0,3 Prozentpunkte gestiegen, das entspricht einem Plus von rund 10 Milliarden Euro.

2. Schuldentilgung. Tatsache ist, dass der Bund 24 Milliarden Euro seines zusätzlichen Haushaltsspielraums in eine Rücklage zur Finanzierung der Flüchtlingsaufnahme gesteckt hat. Da solche Rücklagen dazu dienen, neue Schulden zu vermeiden, kann diese Form des Sparens durchaus mit einer Schuldentilgung gleichgesetzt werden. Problematisch sind solche Rücklagen jedoch, wenn sie nicht als Risikopuffer, sondern als allgemeine Finanzmittel betrachtet werden. Genau das hat die Bundesregierung getan, indem sie die Rücklage vollständig in den „absehbaren finanziellen Spielraum der nächsten vier Jahre“ überführt hat – mit diesen insgesamt 46 Milliarden Euro sollen allgemeine Vorhaben und Wahlversprechen finanziert werden (siehe „Der Koalitionsvertrag nachgerechnet“).

3. Ausgabensteigerung. Kenner der Materie ahnen es schon: Letztlich hat die Bundesregierung fast den gesamten unerwarteten Haushaltsspielraum der Jahre 2013 bis 2018 dazu genutzt, zusätzliche Ausgaben zu finanzieren. Von Sparen für konjunkturell schwierige Zeiten, von einem strukturierten Schuldenabbau oder gar von einer nachhaltigen Finanzpolitik kann also keine Rede sein.

Die Bundesregierung hat fast den gesamten unerwarteten Haushaltsspielraum der Jahre 2013 bis 2018 dazu genutzt, zusätzliche Ausgaben zu finanzieren.

Doch wohin ist das Geld geflossen? Die Antwort findet man, wenn man sich anschaut, wie viel Geld für die einzelnen Ressorts in den jährlichen Finanzplänen vorgesehen war – und wie viel sie tatsächlich bekommen haben (Grafik):

Bis auf die Landwirtschaft und die Wirtschaftsförderung haben alle Bereiche profitiert – am meisten die Verteidigung mit einem Plus von 9,1 Milliarden Euro für den Zeitraum 2013 bis 2018.

Mehr- und Minderausgaben des Bundes in den Jahren 2013 bis 2018 im Vergleich zu den Finanzplänen Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Schaut man auf die Ausgabenstruktur des Bundeshaushalts, dann wird deutlich, dass sich die Gewichte einzelner Ministerien in der vergangenen Legislaturperiode kräftig verschoben haben. Im Vergleich zu 2013 hat vor allem das Ressort Arbeit und Soziales an Gewicht gewonnen: Entfielen schon damals 39,3 Prozent des Bundeshaushalts auf diesen Posten, sind es 2018 bereits 41,8 Prozent – ein Plus von mehr als 22 Milliarden Euro.

Der Bereich Verkehr und digitale Infrastruktur dagegen hat absolut gesehen im Jahr 2018 zwar 2 Milliarden Euro mehr zur Verfügung als 2013, sein Anteil am Bundeshaushalt ist jedoch von 8,5 auf 8,2 Prozent gesunken.

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