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Bis zu 20.000 zusätzliche Lehrkräfte nötig

Um die ukrainischen Kinder und Jugendlichen angemessen unterrichten zu können, braucht es an Deutschlands Schulen viele neue Lehrerinnen und Lehrer. Einen Teil dieses Bedarfs könnten die Flüchtlinge aus der Ukraine decken, denn in der Vergangenheit kamen verhältnismäßig viele Lehrkräfte aus diesem Land hierher.

Kernaussagen in Kürze:
  • Um einen angemessenen Unterricht angesichts der vielen zusätzlichen Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine zu gewährleisten, braucht Deutschland je nach Szenario zwischen 13.500 und 28.900 zusätzliche Lehrer.
  • Um die ukrainischen Kinder in den Kitas zu betreuen, sind bis zu 16.300 weitere Erzieherinnen und Erzieher erforderlich.
  • Von den Ukrainern, die zwischen 2016 und 2020 nach Deutschland kamen, brachten viele eine Ausbildung als Lehrer oder Erzieher mit. Ukrainer, die bereits länger hier leben, sind zudem meist gut in den deutschen Arbeitsmarkt integriert.
Zur detaillierten Fassung

Für die mehr als 700.000 ukrainischen Kriegsflüchtlinge, die das deutsche Ausländerzentralregister Mitte Mai zählte, dürfte die Integration in ihrem Gastland wohl zunächst zweitrangig sein. Doch da viele mit Kindern kommen – rund 40 Prozent der ukrainischen Flüchtlinge sind minderjährig –, stellt sich recht schnell die Frage danach, wie es in Deutschland weitergehen soll:

Mitte Mai 2022 besuchten bereits mehr als 113.000 aus der Ukraine geflüchtete Kinder und Jugendliche eine deutsche Schule.

Fest steht: Um einen angemessenen Unterricht angesichts der vielen zusätzlichen Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten, braucht Deutschland mehr Lehrer.

Um einen angemessenen Unterricht angesichts der vielen zusätzlichen Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine zu gewährleisten, braucht Deutschland mehr Lehrer. Deshalb wäre es sinnvoll, pensionierte Lehrer für eine Rückkehr zu gewinnen.

Wie viele exakt nötig sind, hat das Institut der deutschen Wirtschaft für zwei Szenarien berechnet: Einmal für den Fall, dass 3,5 Prozent der rund 7,5 Millionen ukrainischen Kinder und Jugendlichen nach Deutschland kommen – das wären dann 261.000 Minderjährige. Im zweiten Fall wird der Bedarf bei einer Fluchtquote von 5 Prozent – also für 373.000 minderjährige Flüchtlinge – definiert. Das Ergebnis (Grafik):

Wenn 3,5 Prozent der ukrainischen Kinder und Jugendlichen nach Deutschland flüchten, sind 13.500 zusätzliche Lehrer nötig, wenn 5 Prozent kommen, sind 19.400 mehr Lehrer erforderlich als bisher.

So viele zusätzliche Lehrer wären nötig, wenn 3,5 bzw. 5 Prozent der Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine nach Deutschland flüchteten Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Wenn man dann noch berücksichtigt, dass zugewanderte Kinder und Jugendliche zunächst eine besondere Förderung brauchen und für derartige Willkommensklassen eine Relation von nur 15 Schülerinnen und Schülern je Lehrkraft sinnvoll ist, erhöht sich der Bedarf an zusätzlichen Pädagogen entsprechend: nämlich auf 20.200 beziehungsweise 28.900.

Es mangelt auch an Kitapersonal

Ähnlich ist die Situation in den Kitas, auch hier braucht es zusätzliche Betreuungskräfte aufgrund der ukrainischen Flüchtlingskinder. In den beschriebenen Zuzugsszenarien ergibt sich ein zusätzlicher Bedarf an Kitapersonal von 11.400 beziehungsweise 16.300 Personen, vorausgesetzt, dass ukrainische Eltern im selben Ausmaß auf Betreuungsangebote für ihren unter fünfjährigen Nachwuchs zurückgreifen wie deutsche Eltern.

Mit Lehramtsstudenten und angehenden Erziehern ist dieser Bedarf kurzfristig nicht zu decken. Deshalb wäre es sinnvoll, pensionierte Lehrer und Erzieher im Ruhestand für eine Rückkehr an Kitas und Schulen zu gewinnen. Darüber hinaus könnte man auch jene geflüchteten erwachsenen Ukrainer, die über die nötige Qualifikation und deutsche Sprachkenntnisse verfügen, an deutschen Schulen und Kindergärten einstellen. Denn zum einen will ein Großteil der Flüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland arbeiten, zum anderen bringen viele von ihnen genau die richtigen Ausbildungsabschlüsse mit, wie eine Auswertung des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung zeigt (Grafik):

Von 2016 bis 2020 erhielten knapp 800 ukrainische Lehrkräfte der Sekundarstufe einen Bescheid auf Anerkennung ihres Berufsabschlusses in Deutschland – mehr Anträge stellten nur Ärzte und Pfleger mit einem ukrainischen Abschluss.

So viele Anträge von Ukrainerinnen und Ukrainern auf Anerkennung ihres Berufsabschluses als … wurden zwischen 2016 und 2020 in Deutschland beschieden Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Zwar wurden lediglich 54 der Anträge von Lehrern von den deutschen Behörden als gleichwertig eingestuft, doch beachtliche 645 Anträge wurden als teilweise gleichwertig beschieden – das heißt, nach erfolgreicher Nachqualifikation kann die volle Anerkennung erfolgen.

Aus der Ukraine kommen viele Erzieher

Viele der Ukrainerinnen und Ukrainer, die sich zwischen 2016 und 2020 um die Anerkennung ihres Abschlusses in Deutschland bemühten, sind auch in der Kinderbetreuung und -erziehung ausgebildet: Diese Berufsgruppe rangiert mit 339 Bescheiden auf Platz fünf der ukrainischen Antragsteller. Zwar waren auch hier nur 51 Bescheide voll gleichwertig und ermöglichten so einen unmittelbaren Berufseinstieg in Deutschland, doch 129 Bescheide wurden als teilweise gleichwertig eingestuft, sodass nach einer Nachschulung oder -qualifizierung der Berufsausübung in Deutschland nichts mehr im Wege steht.

Die Zahl der Anträge von Ukrainerinnen und Ukrainern auf Anerkennung ihres Berufsabschlusses mag marginal wirken angesichts des Fachkräftebedarfs in Deutschland. Doch man darf eines nicht vergessen:

Diese Anträge sind vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs gestellt worden – aufgrund der Flüchtlingsbewegungen werden die Anträge auf Berufsanerkennungen also rasant steigen.

Zudem zeigt die Auswertung, dass viele Ukrainer, die bereits vor dem Krieg in Deutschland lebten, gut in den deutschen Arbeitsmarkt integriert sind: Viele arbeiten in qualifizierten Jobs als Fachkraft oder auf Expertenniveau. Von den 47.000 Personen mit ukrainischer Nationalität, die im Jahr 2020 in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren, arbeiteten rund 20 Prozent auf dem Niveau von akademisch qualifizierten Experten, knapp 12 Prozent als Spezialisten mit einem Fortbildungs- oder Bachelorabschluss, gut 43 Prozent auf Fachkräfteniveau und weniger als 25 Prozent in Helfer- oder Anlerntätigkeiten.

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