Bildungssysteme: Mehr Rückschritte als Fortschritte
Wie gut die Bildungssysteme der einzelnen Bundesländer aufgestellt sind, untersucht das Institut der deutschen Wirtschaft seit 16 Jahren. 14 Jahre lang verbesserten sich die Bedingungen in Kitas, Schulen und Hochschulen, nun gibt es zum zweiten Mal in Folge mehr Rück- als Fortschritte.
- Im zweiten Jahr in Folge weist der Bildungsmonitor eine generelle Verschlechterung der Bildungssysteme der Bundesländer auf.
- Das beste Bildungssystem attestieren die Forscher Sachsen. Der Freistaat steht seit 2006 ununterbrochen an der Spitze des Rankings.
- Bremen, Brandenburg und Berlin schneiden im Bildungsmonitor 2019 am schlechtesten ab.
Der Bildungsmonitor, den das Institut der deutschen Wirtschaft regelmäßig für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) erstellt, weist in diesem Jahr noch mehr Rückschritte auf als 2018. Vor einem Jahr hatte das IW erstmals seit 2004 eine generelle Verschlechterung der Bildungssysteme der Länder festgestellt. Besonders gravierend ist der Trend im Bereich der Integration – 2017 brachen 18 Prozent der ausländischen Schüler in Deutschland die Schule ab, ein Jahr zuvor waren es rund 14 Prozent.
Auch im Vergleich zum Bildungsmonitor 2013, bei dem erstmals die aktuelle Methodik und Indikatorenauswahl verwendet wurden, zeigen sich insgesamt nur noch sehr geringe Fortschritte. Innerhalb von sechs Jahren hat es vor allem Verschlechterungen bei der Schulqualität (minus 13,5 Punkte), bei der Integration (minus 10,3 Punkte) und bei der Reduzierung der Bildungsarmut (minus 6,2 Punkte) gegeben. Am meisten verbessert haben sich die Handlungsfelder Internationalisierung (plus 18,4 Punkte), Förderinfrastruktur (plus 17,1 Punkte) und Betreuungsbedingungen (plus 11,6 Punkte).
Wie aber haben die einzelnen Bundesländer abgeschnitten? Auf den beiden ersten Plätzen landen zwei Bildungs-Dauerbrenner (Grafik):
Die besten Ergebnisse im Bildungsmonitor 2019 haben Sachsen und Bayern erzielt.
Sachsen steht seit 2006 auf Platz eins, Bayern ist seit Beginn in der Spitzengruppe und verbessert sich nun von Platz drei auf Platz zwei. Mit etwas Abstand folgen Thüringen, das Saarland, das sich von allen Bundesländern im Vergleich zum Vorjahr am stärksten verbessert hat, sowie Hamburg und Baden-Württemberg. Bremen, Brandenburg und Berlin schneiden im Bildungsmonitor 2019 am schlechtesten ab.
Im Bildungsmonitor 2019 schneidet Sachsen am besten ab und behauptet damit seine Spitzenposition.
Und das zeichnet die Bildungssysteme der drei bestplatzierten Bundesländer aus:
Sachsen erreicht in Sachen Förderinfrastruktur, Schulqualität und Bekämpfung von Bildungsarmut die besten Werte: Rund 87 Prozent der sächsischen Grundschüler besuchten 2017 eine Ganztagsschule, 11 Prozent des Kita-Personals in Sachsen haben einen Hochschulabschluss, sächsische Viertklässler können sehr gut lesen, Neuntklässler sind in Mathematik und Naturwissenschaften bundesweit die Fittesten und der Anteil der Absolventen des Berufsvorbereitungsjahres beträgt fast 86 Prozent – im Bundesdurchschnitt sind es 50 Prozent.
Bayern ist stark in der Förderung der beruflichen Bildung, der Vermeidung von Bildungsarmut, der Schulqualität sowie bei den Bildungsausgaben. Insbesondere für Grundschulen, allgemeinbildende Schulen und Vollzeitberufsschulen nimmt Bayern relativ viel Geld in die Hand. Das zahlt sich aus: Im Freistaat gibt es vergleichsweise wenige Schüler, die bestimmte Mindestanforderungen in ihrem Jahrgang nicht erfüllen, und nur 5,5 Prozent der Schulabgänger haben keinen Abschluss – im Bundesschnitt sind es 6,3 Prozent. Einen Spitzenwert erreicht Bayern beim Übergang von der Schule in den Beruf, die Ausbildungsstellenquote lag 2018 mit rund 80 Prozent deutlich über dem Bundesdurchschnitt von knapp 68 Prozent.
In Thüringen gibt es bundesweit die besten Betreuungsbedingungen, eine gute Förderinfrastruktur, eine hohe Schulqualität sowie vergleichsweise viel Geld für Schulen und Hochschulen. Von den hohen Bildungsausgaben profitieren vor allem die Berufsschulen sowie die allgemeinbildenden weiterführenden Schulen, wobei auch die Investitionen in die Grund- und Hochschulen höher sind als im Bundesdurchschnitt. Die Klassengrößen sind an fast allen Schulformen kleiner als in anderen Bundesländern und es gehen auch deutlich mehr Kinder und Schüler in eine Ganztagskita oder -schule als anderswo. Mit rund 91 Prozent ist die Absolventenquote an Berufsschulen, Fachoberschulen und Fachschulen in Thüringen sehr hoch, im Schnitt aller Bundesländer liegt die Quote bei 80 Prozent.
Wirtschaft: mangelhaft
Neu ist die Erkenntnis nicht, doch sie bleibt erschreckend: Als der Bankenverband im vergangenen Jahr 650 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 24 Jahren zu ihren Wirtschaftskenntnissen befragte, waren viele um die richtige Antwort verlegen. Zwei von zehn Befragten konnten nicht erklären, was eine Aktie ist, fünf von zehn mussten bei der Definition von Rendite passen und sieben von zehn hatten keine Ahnung, was sich hinter dem Begriff Investmentfonds verbirgt.
Auch andere Untersuchungen zeigen, dass es um die ökonomischen und finanziellen Kompetenzen der Bevölkerung nicht gut bestellt ist. Insbesondere Frauen, Menschen mit geringerer Schulbildung und Ostdeutsche haben oft große Wissenslücken, wenn es um Wirtschaftsthemen geht.
Dieser Mangel hat weitreichende Folgen, wie das Sonderkapitel „Ökonomische Bildung“ des INSM-Bildungsmonitors 2019 zeigt: Geringe Kenntnisse auf diesem Themengebiet können unter anderem dazu führen, dass zu wenig gespart wird, das Verschuldungsrisiko des Haushalts steigt, keine ausreichende private Altersvorsorge betrieben und zu wenig gegründet wird. All dies wiederum hat Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft, beispielsweise auf das Ausmaß der Altersarmut.
Aus diesem Grund plädieren die Autoren des Bildungsmonitors für die verbindliche Einführung eines Schulfachs Wirtschaft. Zwar bieten einige Bundesländer wirtschaftliche Inhalte in diversen Fächerkombinationen an, doch ein eigenständiges Pflichtfach „Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung“ an allgemeinbildenden Schulen der Sekundarstufe I hat bislang lediglich Baden-Württemberg etabliert. Aktuell wird das Fach dort in den Klassen fünf bis acht unterrichtet, bis zum Schuljahr 2023/24 soll der Wirtschaftsstoff auch die höheren Jahrgänge erreichen.