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des Instituts der deutschen Wirtschaft

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Gin-Produktion Lesezeit 3 Min.

Barklassiker mit G

Wacholderschnaps ist schon seit vielen Jahren ein Trendgetränk. Das Ende des Gin-Hypes wurde schon oft vorhergesagt, doch die vielen neuen Kreationen finden immer noch genügend Interessenten. Davon profitieren sogar einige Limonadenhersteller.

Kernaussagen in Kürze:
  • Im Jahr 2017 wurden in der EU 116 Millionen Liter reiner Gin- und Genever-Alkohol produziert – 2007 waren es erst 72 Millionen.
  • Hauptproduzent ist das Vereinigte Königreich. Fast drei Viertel des europäischen Gins werden dort hergestellt. Deutschland belegt mit einem Anteil von 3 Prozent Rang vier.
  • Von der anhaltend hohen Nachfrage nach Gin profitiert auch die Tonicwater-Industrie.
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„I am so tanquerayed“, soll die legendäre Amy Winehouse mal in einem Interview gesagt und damit ihren Zustand elegant mit einer Ginmarke umschrieben haben. Wenn man sich anschaut, wie viel Gin mittlerweile in der Europäischen Union hergestellt wird, dürfte damit weit mehr als der Spirituosenbedarf der Musikbranche gedeckt werden (Grafik):

Im Jahr 2017 wurden in der EU 116 Millionen Liter reiner Gin- und Genever-Alkohol produziert – 2007 waren es erst 72 Millionen Liter.

Produktionsmengen von Gin- und Genever-Alkohol der fünf führenden EU-Länder im Jahr 2017 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Seit rund 15 Jahren steigen die Verkaufszahlen weltweit. In Großbritannien, wo im Jahr 2017 fast drei Viertel des gesamten europäischen Gins produziert wurden, ist das Steueraufkommen durch den Wacholderschnaps bereits größer als das durch Bier. Kein Wunder: In fast jeder britischen Großstadt gibt es mittlerweile reine Gin-Bars. Die Crokett-Bar in Exeter beispielsweise, die torfige Gins aus dem nahe gelegenen Dartmoor sowie Abfüllungen aus St. Ives vorhält, feierte gerade ihr zweijähriges Jubiläum. Der Großteil des in Großbritannien verkauften Gins wird allerdings gar nicht in Bars und Restaurants genossen, sondern zu Hause. Von den knapp 72 Millionen Litern Gin, die 2018 im Vereinigten Königreich verkauft wurden, gingen rund 56 Millionen Liter in private Haushalte.

Zweitgrößter Gin-Hersteller innerhalb der EU ist Spanien – von dort stammen mit knapp zehn Millionen Litern allerdings nur 9 Prozent der EU-weiten Produktion. Auf den Plätzen drei und vier landen Belgien und Deutschland, die jeweils 3 Prozent beisteuern. Zuzüglich dessen, was in den Niederlanden, der Slowakei, Frankreich und Italien produziert wird, sind es insgesamt nur acht Mitgliedsländer, die 95 Prozent des gesamten EU-Gins herstellen.

Gin in vielen Geschmacksrichtungen

Was aber macht das Gebräu so interessant? Gin gilt als Getränk, das zwar wie jede andere Spirituose berauscht, allerdings ohne die unerwünschten Nebeneffekte anderer starker Alkoholika. Zudem ist Gin mit 23 Kalorien je Zentiliter vergleichsweise kalorienarm. Entscheidend dürfte aber sein, dass Gin sehr variabel ist: Neben den Grundzutaten Wacholder und Koriander lassen sich mithilfe sogenannter Botanicals allerhand zusätzliche Geschmacksnoten hinzufügen: Ingwer, Zitronenmelisse, Sanddorn, ja sogar Pimientos de Padrón – eine kleine pikante Paprika – sind mögliche Neuinterpretationen des Klassikers.

In Großbritannien wird fast drei Viertel des gesamten europäischen Gins produziert.

Viele neue Gin-Sorten bilden die regionale Flora und Küche ihres Destillationsorts ab, was dazu führt, dass mittlerweile fast jede deutsche Stadt eine oder gar mehrere Gin-Marken im Angebot hat. Im bayerischen Fürholzen nahe Freising zum Beispiel wird etwa der King Gin destilliert, der an Ludwig II. erinnern soll.

Die Gin-Herstellung selbst ist übrigens in einer EU-Verordnung geregelt. Demnach muss Gin aus Reinalkohol gewonnen werden, der mit Wacholderbeeren aromatisiert wird. Der Alkoholgehalt muss mindestens 37,5 Prozent betragen und es dürfen zusätzlich nur natürliche Aromen verwendet werden.

Schon seit einigen Jahren verkünden Experten immer mal wieder das Ende des Gin-Hypes. Und es stimmt ja auch: Jeder Trend verläuft wie ein umgekehrtes U. Die Frage ist nur: Wann ist der Peak erreicht? Die Berliner Bar am Steinplatz beispielsweise offeriert schon seit zwei Jahren keinen Gin mehr. Die Barkeeper waren der vielen neuen Gin-Sorten schlicht überdrüssig, sie servieren jetzt nur noch die Urform des Gins: Genever, einen Wacholderschnaps, der seinen Ursprung in den Niederlanden hat.

Dank des Hypes boomt auch der Markt für Tonicwater

Doch solange es Gin-Tastings in Neubulach (Nordschwarzwald) und Gin-des-Lebens-Festivals auf dem Berliner Badeschiff gibt, ist es immer noch ziemlich angesagt, einen „G+T“, wie Engländer den Gin Tonic nennen, zu ordern. Das bestätigt auch der Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure, der 2018 im Vergleich zum Vorjahr noch einmal höhere Absatzzahlen von Gin im Lebensmitteleinzelhandel registriert hat. Ein Neben-Profiteur des Gin-Booms ist übrigens die Tonicwater-Industrie. Schweppes konnte seinen Umsatz in Deutschland im Jahr 2018 um fast 19 Prozent steigern. Hinzu kommen neue Anbieter wie Fever-Tree. Der Limonadenhersteller wurde 2004 in London gegründet und hat eine sagenhafte Erfolgsgeschichte hingelegt: Mittlerweile werden die Edel-Limonaden, die in Glasflaschen angeboten werden, in mehr als 70 Ländern verkauft. Im Jahr 2018 machte das Unternehmen einen Umsatz von 237 Millionen Pfund, 40 Prozent mehr als im Jahr 2017.

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