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„Wir erfassen auch soziale und empathische Aspekte“

Die Universität zu Lübeck lädt seit 2012 jedes Jahr 240 Kandidaten, die Medizin studieren wollen, zu einem lokalen Auswahlgespräch ein. Sowohl die Hochschule als auch die Studenten selbst finden diesen Auswahlprozess gut und fair. Jürgen Westermann, Professor am Institut für Anatomie, und die Studentin Liliane Steinbach schildern ihre Erfahrungen.

Kernaussagen in Kürze:
  • An der Universität zu Lübeck wird ein Teil der Medizinstudienplätze seit 2012 erst nach einem lokalen Auswahlgespräch vergeben.
  • Der Anatomieprofessor Jürgen Westermann hat gute Erfahrungen mit der Methode gemacht. Die Gespräche seien ein gutes Mittel, sozial-kommunikative und empathische Fähigkeiten der Bewerber zu erfassen.
  • Liliane Steinbach hat das Verfahren durchlaufen. Der Studentin gefällt, dass es im Gespräch vor allem um das Verständnis vom Arztberuf und weniger um Fachwissen geht.
Zur detaillierten Fassung

Prof. Dr. Jürgen Westermann, Institut für Anatomie an der Uni Lübeck

Um in Deutschland sicher einen Medizinstudienplatz zu bekommen, liegt die geforderte Abiturnote zwischen 1,0 und 1,1 – ein Irrsinn. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat nun entschieden, dass neben dem Abitur weitere Kriterien zur Beurteilung der Eignung heranzuziehen sind.

Die Umsetzung des Urteils könnte folgendermaßen aussehen: Die Stiftung für Hochschulzulassung erfasst zentral neben der Abiturnote weitere Aspekte wie das Ergebnis des Tests für Medizinische Studiengänge und Erfolge in Wettbewerben wie „Jugend forscht“. Diese Aspekte dienen als „Eintrittskarte“ für ein individuelles Auswahlgespräch. Das bietet viele Vorteile, wie wir aus über 1.500 Gesprächen an der Universität zu Lübeck wissen.

Wir erfassen auch soziale und empathische Aspekte.

Prof. Dr. Jürgen Westermann ist Direktor des Instituts für Anatomie an der Uni Lübeck; Foto: Universität zu Lübeck Da wir unsere 120 Medizinerplätze, die wir als Hochschule pro Jahr in einem selbst gewählten Auswahlverfahren vergeben dürfen, mithilfe von Auswahlgesprächen vergeben, steigen die individuellen Zulassungschancen erheblich. Denn Gespräche tragen wesentlich dazu bei, festzustellen, ob die Interessen der Bewerber zu den Forschungs- und Lehrschwerpunkten der Fakultät passen. Auswahlgespräche stärken außerdem die Identifikation mit dem zukünftigen Studienort. In Lübeck liegt die Annahmequote der Studenten, denen wir nach einem Gespräch einen Studienplatz anbieten, bei über 95 Prozent. Bereits heute können wir belegen, dass unsere Auswahlgespräche fair und frei von Diskriminierung sind.

Auswahlgespräche – persönlich und vor Ort – sind ein geeignetes Mittel, um neben kognitiv-intellektuellen Fähigkeiten auch sozial-kommunikative und empathische Aspekte zu erfassen. Gerade diese Fähigkeiten bestimmen nämlich maßgeblich darüber, ob eine Bewerberin oder ein Bewerber das Potential hat, eine gute Ärztin oder ein guter Arzt zu werden.

Liliane Steinbach, Studentin im sechsten Semester Humanmedizin an der Uni Lübeck

Ich wollte immer gerne Medizin studieren. Das hat sich noch mal bestätigt, als ich in der Schulzeit ein Praktikum im Krankenhaus gemacht habe. Aber mit meinem Abi-Durchschnitt von 1,7 habe ich auch nach dem erfolgreichen Test für medizinische Studiengänge im ersten Anlauf keinen Platz bekommen. Ich habe dann eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht. Das war eine sehr gute Erfahrung: Ich habe noch einmal einen richtig guten Einblick in die Berufspraxis bekommen, vor allem, was den Umgang mit Patienten betrifft.

Die Uni und ich passen gut zueinander.

Liliane Steinbach studiert im sechsten Semester Humanmedizin an der Uni Lübeck; Foto: privat Im zweiten Anlauf habe ich dann dank Berufsausbildung, Abi-Note und Testergebnis eine Einladung zu einem Auswahlgespräch an der Universität zu Lübeck bekommen. Dort saß ich einem Professor, einer Dozentin und einer Studentin gegenüber. Es ging im Gespräch nicht in erster Linie um das Fachwissen, sondern um mein Verständnis vom Arztberuf. Das finde ich sehr positiv, denn Noten alleine sagen noch nichts darüber aus, ob man eine gute Ärztin wird.

Wir haben auch darüber gesprochen, wie meine Fachinteressen und die Forschungsschwerpunkte in Lübeck zusammenpassen könnten. So konnte ich mir selber durch das Auswahlgespräch ein gutes Bild von der Uni machen. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass man in Lübeck von Anfang an großen Wert auf eine persönliche Beziehung zwischen Uni und Studenten legt und auch darauf achtet, dass Bewerber mit ganz unterschiedlichen Erfahrungen ins Studium kommen. Ich habe mich dann sehr gefreut, dass die Zusage kam und habe bis heute den Eindruck, dass die Uni und ich gut zu einander passen.

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