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Wie groß sind die Corona-Lücken der Azubis?

Fast zwei Drittel der Azubis mussten pandemiebedingt zumindest zeitweise auf Distanz lernen und arbeiten. Welche Auswirkungen dies auf den Wissensstand der Auszubildenden hat, zeigt eine Befragung von Ausbilderinnen und Ausbildern durch das Institut der deutschen Wirtschaft.

Kernaussagen in Kürze:
  • Fast zwei Drittel der Azubis mussten aufgrund der Pandemie zumindest zeitweise auf Distanz lernen und arbeiten. Wie sich dies auf den Wissensstand der Auszubildenden auswirkt, hat nun das IW untersucht.
  • So berichten rund 70 Prozent der Ausbilder von Lernrückständen bei ihren Azubis aufgrund des Distanzlernens, doch nur knapp 6 Prozent stellen große Lücken beim Nachwuchs fest.
  • Meist registriert das Ausbildungspersonal nur kleine Lernrückstände – dies ist bei 39 Prozent der Fall. Weitere 27 Prozent sehen mittlere Lernrückstände.
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Konditorlehrlinge, die nichts backen konnten, angehende Verkäufer, die keinerlei Kundenkontakt hatten, Auszubildende in Büroberufen, die ihren Arbeitsplatz nicht betreten durften: Von den coronabedingten Lockdowns waren junge Leute, die mitten in der Ausbildung steckten, besonders stark betroffen. Denn wie soll man einen Beruf erlernen, den man monatelang kaum praktisch ausüben kann?

Rund 70 Prozent der Ausbilder berichten von Lernrückständen bei ihren Azubis aufgrund des Distanzlernens, doch nur knapp 6 Prozent stellen große Lücken beim Nachwuchs fest.

Viele Betriebe haben deshalb versucht, das Lernen und Arbeiten ihrer Auszubildenden auf Distanz zu organisieren. Doch wie gut hat das funktioniert? Und inwieweit wurde der Lernerfolg der jungen Leute beeinträchtigt? Diesen Fragen ist das Institut der deutschen Wirtschaft im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts NETZWERK Q 4.0 nachgegangen. Rund 670 Ausbilder, Ausbildungsleiter sowie Ausbildungsbeauftragte wurden sowohl nach den Wissenslücken der Azubis als auch nach den dagegen ergriffenen Maßnahmen befragt.

Die meisten Azubis weisen nur kleine Lernlücken auf

Die gute Nachricht: Zwar berichten rund 70 Prozent der Ausbilder von Lernrückständen bei ihren Azubis aufgrund des Distanzlernens, doch nur knapp 6 Prozent stellen große Lücken beim Nachwuchs fest. Meist registriert das Ausbildungspersonal nur kleine Lernrückstände – dies ist bei 39 Prozent der Fall. Weitere 27 Prozent sehen mittlere Lernrückstände.

Wie groß die Lerneinbußen ausfallen, hängt zum Großteil davon ab, ob überhaupt digitale Ausbildungsmöglichkeiten als Ausgleich zum herkömmlichen Arbeitsalltag angeboten werden. Rund jeder dritte befragte Ausbilder vermittelt keine Ausbildungsinhalte und Tätigkeiten über das Distanzlernen. Dafür gibt es verschiedene Gründe: So lässt sich die Arbeit mit Werkzeugen oder mit größeren technischen Anlagen nur bedingt digital vermitteln. Und in manchen Betrieben fehlen auch mobile Endgeräte. Das hat Folgen (Grafik):

Die Ausbilderinnen und Ausbilder jener Betriebe, in denen Ausbildungsinhalte nicht mithilfe digitaler Tools vermittelt werden können, berichten mit 9 Prozent am häufigsten von großen Lernrückständen ihrer Azubis.

So viel Prozent der Ausbilder sagen, dass das Distanzlernen in ihrem Unternehmen bei den Auszubildenden zu … Lernrückständen geführt hat Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

In Unternehmen, in denen das Distanzlernen strategisch eingesetzt wird, sehen Ausbilder dagegen keine großen Lernrückstände unter den Auszubildenden. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass in Betrieben mit strategischem Distanzlernen die betrieblichen Abläufe bereits stärker digitalisiert sind. Denkbar wäre auch, dass Ausbilder vor allem dann Distanzlernen gezielt einsetzen, wenn sie besonders leistungsstarke Auszubildende betreuen, die seltener mit Lernproblemen zu kämpfen haben. Ebenfalls möglich ist, dass Ausbilder, die Distanzlernen systematisch einsetzen, in der didaktischen Umsetzung von digitalem Lernen schon stärker fortgeschritten sind als ihre Kollegen in anderen Unternehmen und so die verschiedenen Lernbedürfnisse der Azubis gut auffangen können.

Neun von zehn Unternehmen unterstützen den Nachwuchs

Und was tun die Unternehmen, damit die Auszubildenden das Versäumte nachholen können? Eine ganze Menge: Knapp 90 Prozent der befragten Ausbilder gaben an, Maßnahmen zum Aufholen von Lernrückständen anzubieten, nur 10 Prozent wenden dafür keine Ressourcen auf. Das große Engagement verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass im Schnitt rund sieben von zehn Auszubildenden nach ihrer Ausbildung übernommen werden. Und so helfen die Betriebe ihren Azubis im Detail (Grafik):

Mehr als 80 Prozent der Ausbilder unterstützen die Auszubildenden intensiver bei den Prüfungsvorbereitungen, um Lernrückständen entgegenzuwirken.

So viel Prozent der Ausbilder wenden diese Maßnahmen an, um coronabedingte Lernrückstände ihrer Auszubildenden zu berücksichtigen oder abzubauen Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Rund 80 Prozent der Ausbilder nehmen sich auch unabhängig von Prüfungen mehr Zeit, um die Auszubildenden zu fördern. Betriebliche Nachhilfe bieten mehr als 70 Prozent an. Zudem zeigen sich 60 Prozent der Befragten sehr flexibel, was das spätere Nachholen praktischer Ausbildungsphasen angeht.

Darüber hinaus arbeitet ein Drittel der Befragten mit anderen Unternehmen oder externen Partnern zusammen. Dies kann beispielsweise gemeinsamer Förderunterricht sein oder auch die Kooperation mit der Berufsschule oder überbetrieblichen Bildungsstätten.

Ein Viertel der Ausbilder ermöglicht ihren Azubis zudem, die Ausbildungszeit zu verlängern. Diese Maßnahme verursacht bei den Unternehmen erhebliche Zusatzkosten, da unter anderem die Ausbildungsvergütungen für den verlängerten Zeitraum weitergezahlt werden müssen und auch die Ausbilderinnen und Ausbilder länger als üblich mit der Betreuung der Azubis beschäftigt sind. Dass Unternehmen diesen Aufwand dennoch betreiben, zeigt, dass der Ausbildungserfolg für sie einen hohen Stellenwert besitzt.

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