Von E-Bikes und Lastenrädern
Noch nie waren die Deutschen so fahrradbegeistert wie heute. Und noch nie gaben sie so viel Geld für ihren zweirädrigen Untersatz aus. Doch trotz aller Rekordzahlen – die heimischen Hersteller profitieren davon nicht.
- Fahrräder erfreuen sich in Deutschland großer Beliebtheit: 2017 kauften die Verbraucher für 2,7 Milliarden Euro neue Räder.
- Besonders stark gestiegen ist der Absatz von E-Bikes. Inzwischen haben nahezu 20 Prozent aller in Deutschland verkauften Fahrräder einen Elektromotor.
- Deutsche Hersteller profitieren allerdings nicht von den steigenden Umsätzen, da die meisten verkauften Zweiräder aus dem Ausland stammen.
Bekennende Velozipedisten haben es längst erkannt: Das Fahrrad ist das neue Auto. Denn tatsächlich ist das Rad dem Auto verkehrstechnisch mitunter überlegen, vor allem in den chronisch verstopften Großstädten.
In Kopenhagen, Europas Fahrradmetropole schlechthin, machen Radfahrer schon fast die Hälfte des gesamten Verkehrs aus. Dank Radschnellwegen, Fahrradbrücken und breiten Fahrbahnen, die für Radler reserviert sind, ist das Velo in der dänischen Hauptstadt zum beliebtesten Verkehrsmittel avanciert.
Auch in Deutschland will nicht nur mehr Münster als fahrradfreundliche Stadt gelten. Berlin, Bonn, Hamburg, München – alle basteln an Verkehrskonzepten und Mobilitätsgesetzen, die das Fahrrad in den Mittelpunkt stellen.
Umsatzplus im Jahr 2017
Von diesem Trend profitiert auch die Fahrradindustrie. Laut Zweirad-Industrie-Verband (ZIV), dem rund 90 Hersteller und Importeure von Fahrrädern, E-Bikes und Zubehör angehören, kauften die Verbraucher in Deutschland im Jahr 2017 für knapp 2,7 Milliarden Euro neue Räder. Das war gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 3,2 Prozent.
Besonders beliebt sind Elektrofahrräder (Grafik):
2017 wurden in Deutschland 720.000 E-Bikes abgesetzt, das waren 19 Prozent mehr als 2016.
Damit haben inzwischen nahezu 20 Prozent aller in Deutschland verkauften Fahrräder einen Elektromotor. Und dabei dürfte es nicht bleiben. Mittelfristig rechnet der ZIV mit einem Marktvolumen von 25 Prozent, langfristig sogar mit bis zu 35 Prozent.
Verkauft werden fast nur Modelle mit einer Maximalgeschwindigkeit von 25 km/h. Der Anteil der schnellen E-Bikes, die 45 km/h fahren und für die eine Versicherungs- und Helmpflicht besteht, ist noch verschwindend klein: Von 100 Elektrorädern, die 2017 in Deutschland verkauft wurden, war nur eins ein E-Bike 45 (Grafik).
Aufgrund ihrer Geschwindigkeit sind die schnelleren E-Bikes eigentlich gut geeignet für Pendler. Doch anders als ihre gemächlicheren Kollegen haben sie einen entscheidenden Nachteil: Sie dürfen nicht auf Radwegen genutzt werden.
Populärer als schnelle E-Bikes sind E-Lastenräder. Deren Anschaffung wird seit Anfang März sogar staatlich gefördert, allerdings nur, wenn sie gewerblich genutzt werden. Dann übernimmt der Staat bei Neuanschaffungen 30 Prozent der Kosten, immerhin bis zu 2.500 Euro je Fahrrad. Auch einzelne Kommunen haben Förderprogramme aufgelegt, München beispielsweise bezuschusst sogar den Kauf von privat genutzten Lastenpedelecs.
Immer mehr Bundesbürger sind begeisterte Radfahrer. Vor allem E-Bikes wurden im Jahr 2017 stark nachgefragt.
Ein noch recht neues Segment sind E-Bikes für Kinder. Mit höchstens 20 km/h sind diese Räder etwas langsamer als die für Erwachsene. Ob sie jedoch zum Verkaufsschlager werden, ist fraglich – denn auch Kinder-E-Bikes kosten mitunter mehr als 2.000 Euro. Andererseits ermöglicht die elektrische Trethilfe gemeinsame Familienaktivitäten wie Rad-Bergtouren, von denen Achtjährige mangels Kondition bislang ausgeschlossen waren.
Der Fahrradboom zeigt sich auch am Bestand:
Nach Einschätzung des ZIV gab es im Jahr 2017 in Deutschland 73,5 Millionen Räder, darunter rund 3,5 Millionen E-Bikes.
Zum Vergleich: Im Jahr 2006 besaßen die Deutschen erst 67 Millionen Räder.
Doch nicht nur die Zahl der Räder steigt, auch die Preise erhöhen sich sukzessive. Im Jahr 2017 betrug der durchschnittliche Verkaufspreis eines Fahrrads knapp 700 Euro, nur zwei Jahre vorher war er mit rund 560 Euro deutlich niedriger.
Trend zu höherer Qualität
Da in diese Durchschnittspreise auch die Verkaufspreise für E-Bikes eingerechnet sind, ist zwar einerseits klar, dass die Ausgaben pro Rad gestiegen sind. Andererseits verweist der Verband aber auch darauf, dass es generell einen Trend zu höherer Qualität und längerer Nutzungsdauer auf dem deutschen Fahrradmarkt gebe.
Die deutschen Fahrradhersteller profitieren von den steigenden Umsätzen der Branche allerdings nur bedingt. So ist ihr Umsatz 2017 mit rund 1 Milliarde Euro um 19 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken (Grafik). Das lag in erster Linie an der stark rückläufigen Inlandsnachfrage, doch auch der Auslandsumsatz ging um mehr als 10 Prozent zurück.
Für diesen Einbruch gibt es mehrere Gründe. Zum einen hat die Mifa, einst Deutschlands größter Fahrradproduzent mit Sitz in Sachsen-Anhalt, im Januar 2017 erneut Insolvenz angemeldet. Die Firma existiert zwar weiterhin als Sachsenring Bike Manufaktur, hat aber statt ehemals 520 Mitarbeitern nur noch 130 Beschäftigte.
Zum anderen findet die Fahrradproduktion zu großen Teilen im Ausland statt. Die Rahmen beispielsweise werden fast ausschließlich in Asien gebaut. Es gibt zwar noch einzelne Hersteller in Deutschland, doch selbst Fahrradmanufakturen, die Räder nach dem Baukastensystem zusammenstellen, lassen ihre Rahmen in der Regel im Ausland schweißen.
Knapp die Hälfte aller 2017 nach Deutschland importierten Fahrräder stammte aus Kambodscha, Polen und Bulgarien. Die größten Lieferländer für E-Bikes waren Ungarn, China und Vietnam, aus denen 2017 rund 54 Prozent der eingeführten Räder kamen.