„Nicht jeder will vollautomatisch gebackene Brötchen“
Immer wieder gibt es Schwarzmaler, die aufgrund einer neuen Technologie das Ende der Arbeit für den Menschen voraussagen. Was die Skeptiker übersehen und was die Digitalisierung für die Beschäftigung in Deutschland bedeutet, erklärt Andrea Hammermann, IW-Expertin für Arbeitsbedingungen und Personalpolitik.
- Neue Technologien verändern die Art und Weise zu arbeiten. Das heißt aber in der Regel nicht, dass ein ganzer Arbeitsplatz wegfällt, sagt Andrea Hammermann, IW-Expertin für Arbeitsbedingungen und Personalpolitik.
- Ein Trend hin zur Höherqualifizierung sei erkennbar, aber deshalb würden einfache Jobs nicht komplett wegfallen.
- Die digitalisierten Unternehmen haben in den vergangenen Jahren eher mehr Stellen auf- als abgebaut, berichtet Hammermann.
Der US-Ökonom Jeremy Rifkin schrieb 1995 in seinem Bestseller „Das Ende der Arbeit“, durch die Automatisierung und die neuen Informationstechnologien würden allein in den USA Millionen Arbeitsplätze verloren gehen. In Deutschland gab es ähnliche Sorgen – heute feiern wir einen Beschäftigungsrekord nach dem anderen. Was haben die Untergangspropheten übersehen?
Zuerst einmal muss man zwischen Arbeitsplatz und Tätigkeiten unterscheiden. Neue Technologien verändern die Art und Weise zu arbeiten, sie erleichtern vieles und übernehmen manche Tätigkeiten. Das heißt aber in der Regel nicht, dass ein ganzer Arbeitsplatz wegfällt. Der Mensch ist schließlich auch lernfähig – und übernimmt neue Aufgaben, für die oft eine höhere Qualifikation nötig ist.
Zweitens wird nicht alles, was technisch möglich ist, auch gemacht. Es gibt zum Beispiel auch ethische, juristische und ökonomische Erwägungen – vielleicht will der Kunde einfach keine vollautomatisch gebackenen Brötchen, sondern zahlt für gutes Handwerk gerne etwas mehr.
Es wird immer einfache Aufgaben geben, die nicht automatisiert werden können.
Und schließlich entstehen durch neue Technologien neue Arbeitsplätze oder sogar neue Berufsfelder. Den Data-Scientist oder den Interface-Manager zum Beispiel gab es früher nicht.
Ist die Gegenbuchung dieser Entwicklung nicht, dass einfache Jobs wegfallen, dass also Menschen, die sich – aus welchen Gründen auch immer – nicht weiterqualifizieren können, als Verlierer dastehen?
Ein Trend hin zur Höherqualifizierung ist erkennbar, aber deshalb fallen einfache Jobs nicht komplett weg. Es wird immer einfache Aufgaben geben, die nicht automatisiert werden können – viele Unternehmen brauchen dringend Ingenieure und IT-Spezialisten, aber eben nicht nur.
Angesichts der immer stärkeren Digitalisierung müssten vor allem Unternehmen mit einem hohen Digitalisierungsgrad massenhaft Jobs abbauen. Ist das so?
Wir sehen keinen einheitlichen Trend auf dem Arbeitsmarkt, der sich pauschal auf die neuen Technologien zurückführen lässt. Die Effekte sind ganz unterschiedlich: Die digitalisierten Unternehmen haben in den vergangenen Jahren eher mehr Stellen auf- als abgebaut. Das Problem ist, dass die Unternehmen gar nicht so viele Mitarbeiter mit geeigneten Qualifikationen finden, wie sie einstellen könnten.
Es gibt also keine Verlierer?
Natürlich gibt es Unternehmen, deren Geschäftsmodell nicht mehr trägt, und da hängen dann Jobs dran. Was aber derzeit in einigen Branchen passiert und in einigen Medien mit dem angstmachenden Wort „Massenentlassungen“ überzeichnet wird, hat weniger mit der Digitalisierung zu tun, sondern ist mehr betriebswirtschaftlich oder konjunkturell bedingt.
Was also raten Sie jungen Menschen, die sich fragen, welchen Beruf sie anstreben sollen – woran sollen sie sich orientieren?
Zuerst sollte sich jeder fragen: Was möchte ich, was interessiert mich? Arbeit soll ja Spaß machen. Und dann muss man sich genau über den angestrebten Job informieren, wenn möglich ein Praktikum machen, um einmal ganz real zu erleben, was diesen Beruf ausmacht.