Interview Lesezeit 6 Min.

„Unser Fokus liegt auf der Praxis“

Das vor 25 Jahren unter dem Dach des IW ins Leben gerufene Schülerfirmenprojekt JUNIOR ist den Kinderschuhen längst entwachsen und zählt heute 21 feste und 15 studentische Mitarbeiter. Der iwd hat mit der Geschäftsführerin Marion Hüchtermann über ihre Erfahrungen gesprochen.

Kernaussagen in Kürze:
  • IW-JUNIOR-Geschäftsführerin Marion Hüchtermann blickt im Interview mit dem iwd zurück auf 25 Jahre Schülerfirmenprojekte in Deutschland. Der heutige Erfolg von JUNIOR basiert aus ihrer Sicht unter anderem auf dem guten Netzwerk von JUNIOR.
  • Beispielsweise werden Lehrkräfte, die sich neu an ein Projekt wagen, von erfahrenen Lehrern beraten. Für die Schüler sind die zahlreichen Zusatzangebote spannend.
  • Zu den pädagogischen Zielen von JUNIOR gehört es, jungen Menschen eine Unternehmensgründung als Karriereweg aufzuzeigen, nebenbei Wirtschaftswissen zu vermitteln, vor allem aber die Persönlichkeitsentwicklung zu fördern.
Zur detaillierten Fassung

Frau Hüchtermann, Sie sind seit Tag eins für JUNIOR verantwortlich. Hätten Sie Ihrem Baby damals einen 25. Geburtstag zugetraut?

Darüber haben wir uns damals noch gar keine Gedanken gemacht. Das Schülerfirmenprojekt, dass wir zu zweit zuerst für Sachsen-Anhalt aufgebaut haben, war in Deutschland neu, aber auch für uns und fürs IW. Anfangs hat JUNIOR nicht nur Begeisterungsstürme ausgelöst. Es war so vieles ungeklärt: Rechtliches, Versicherungs- und auch Finanzierungsfragen. Wir konnten jedenfalls gut nachvollziehen, wie sich Existenzgründer in Deutschland fühlen.

Apropos Finanzierung: Woher kam das Geld für JUNIOR?

Das IW hat damals die Manpower in Form von zwei Mitarbeitern gestellt. Die Anschubfinanzierung kam von der Dresdner Bank. Nach der Pilotphase sollte JUNIOR eigentlich eingestellt werden. Doch die Resonanz war so positiv – wir hatten sogar Anfragen aus anderen Bundesländern –, dass mein Kollege und ich schon bereit waren, JUNIOR in Eigenregie und auf eigenes Risiko weiterzuführen. Das wiederum hat den damaligen IW-Direktor Gerhard Fels davon überzeugt, uns weitermachen zu lassen. Die Dresdner Bank hat ihr Engagement als Sponsor dann noch mal verlängert, weitere Sponsoren stießen nach und nach hinzu, die uns zum Teil bis heute begleiten, zum Beispiel Gesamtmetall, die Deloitte-Stiftung und die Axa-Versicherung.

Gibt es denn auch öffentliche Förderung?

Wir haben erfolgreiche Public Private Partnerships mit öffentlichen Geldgebern auf Bundes-, Landes- und Regionalebene. Große Förderer sind das Bundeswirtschaftsministerium sowie unsere Mutter, das IW. Dazu kommen viele, viele private Sponsoren, also Verbände und einzelne Unternehmen, die teils das gesamte Projekt auf Bundesebene unterstützen, sich teils aber auch bewusst in ihrer Region engagieren.

Wird JUNIOR denn an den Schulen immer mit offenen Armen empfangen?

Viele Lehrkräfte können sich zwar erst mal nicht vorstellen, wie sie solch ein Schülerfirmenprojekt neben allem anderen auch noch im Unterricht unterbringen sollen. Diese Befürchtungen nehmen ihnen dann erfahrene Lehrer auf unseren Informationsveranstaltungen, die gute Beispiele geben.

Existieren Vorbehalte gegen ein solches Engagement der Wirtschaft an den Schulen?

Die Medienberichterstattung erweckt vielleicht diesen Eindruck, sie betrifft aber andere Aktivitäten. JUNIOR wurde immer als sachorientierte, seriöse Organisation wahrgenommen, die den Rahmen für ein pädagogisches Projekt liefert, in dem Lehrer eng mit Schülern zusammenarbeiten.

Die IW JUNIOR ist zudem als gemeinnützig anerkannt.

Richtig. Eine eigene Rechtspersönlichkeit mussten wir 2008 für JUNIOR schaffen, weil unsere internationale Dachorganisation Junior Achievement das verlangt hat. Letztlich erleichterte es aber auch die Organisation. Jedenfalls war die Entscheidung, eine gemeinnützige GmbH zu gründen, genau richtig: Denn diese Rechtsform schafft sowohl an den Schulen Vertrauen als auch bei unseren Unternehmenssponsoren. Natürlich ist es auch von Vorteil, dass wir dadurch Spenden annehmen können.

Welche pädagogischen Ziele hat JUNIOR?

Natürlich geht es nicht zuletzt darum, Jugendlichen das Gründen eines Unternehmens als Karriereweg aufzuzeigen. Wir wollen den Schülern auch Wirtschaftswissen vermitteln. Während sie sich in die Materie der Unternehmensführung einarbeiten, bekommen sie automatisch so einiges mit.

Von den Lehrern bekommen wir oft das Feedback, das bestimmte Schülerinnen und Schüler im Laufe eines JUNIOR-Projekts regelrecht aufblühen und sich diese Entwicklung positiv auf die gesamte Schulkarriere auswirkt.

Marion Hüchtermann ist Geschäftsführerin der IW Junior; Foto: IW Medien Ein ganz wichtiger Punkt ist außerdem die Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung: Dadurch, dass die Schüler verschiedene Aufgabenbereiche eines Unternehmens abdecken müssen, wie Marketing, Verwaltung, Produktion und Pressearbeit, haben sie die Chance zu erkennen, was ihnen besonders liegt. Viele Teilnehmer geben bei den Evaluationen am Ende des Schuljahrs an, dass JUNIOR ihnen bei der Berufswahl geholfen habe. Von den Lehrern bekommen wir oft das Feedback, das bestimmte Schülerinnen und Schüler im Laufe eines JUNIOR-Projekts regelrecht aufblühen und sich diese Entwicklung positiv auf die gesamte Schulkarriere auswirkt.

Wissen Sie, wie viele ehemalige JUNIOR-Teilnehmer tatsächlich ein Unternehmen gegründet haben?

Das können wir leider statistisch nicht erheben. Über unser Alumni-Netzwerk erfahre ich aber von einigen. Ein tolles Beispiel sind die Bundessieger aus dem Jahr 2006, die Schülerfirma Know-it. Diese Gruppe von einer Braunschweiger Schule hat mich sehr beeindruckt, weil sie kaum Unterstützung durch den Lehrer hatte und alle Schwierigkeiten aus eigener Kraft gemeistert hat. Know-it hat schließlich sogar den Europawettbewerb gewonnen. Einer der damaligen Teilnehmer hat später selbst ein Unternehmen gegründet, einer den elterlichen Betrieb übernommen und auch die anderen sind in Richtung Wirtschaft gegangen.

Dennoch ist es nicht ganz ohne Risiko, wenn unerfahrene Schüler ein echtes Unternehmen aufziehen. Ist mal etwas schief gegangen?

Manchmal bin ich selbst erstaunt, dass kaum etwas passiert, weil die JUNIOR-Firmen viele unternehmerische Freiheiten haben. Aber das Gute an unserem institutionellen Rahmen ist eben, dass Versicherungsfälle finanziell abgedeckt sind und auch darüber hinaus vieles geregelt ist. Echten Katastrophen ist damit weitgehend vorgebeugt.

JUNIOR war zwar der erste Anbieter, mittlerweile gibt es aber noch andere Gründungsinitiativen für Schüler in Deutschland. Stehen Sie mit denen in Konkurrenz?

Das Feld ist groß genug für alle Anbieter und es hat sich mittlerweile auch eine gute Zusammenarbeit entwickelt. Wir sind mit vielen anderen Projekten unter dem Dach des Bundeswirtschaftsministeriums in dessen Initiative „Unternehmergeist in die Schulen“ zusammengeschlossen. Wir treffen uns regelmäßig, tauschen uns aus und machen auch füreinander Werbung. Das ist kein Problem, weil jedes Angebot etwas anders aufgestellt ist. So ist beispielsweise „Jugend gründet“ ein reines Onlineangebot, bei Business@school steht das Erstellen von Businessplänen im Vordergrund.

Und was zeichnet JUNIOR gegenüber den anderen Anbietern aus?

Unser Fokus liegt auf der Praxis – die Schüler gründen ein richtiges kleines Unternehmen, das auch etwas Haptisches produziert oder eine Dienstleistung anbietet. Einzigartig ist auch die Begleitung über ein ganzes Schuljahr mit jeder Menge Zusatzangeboten wie Informationsveranstaltungen für Lehrer, Einführungsworkshops für Schüler, regionalen Treffs der Schülerunternehmen, Unternehmensmessen, den Landeswettbewerben, einem Gründercamp, das die Schülerinnen und Schüler nach ihrem JUNIOR-Jahr absolvieren können, und dazu kommt noch die internationale Einbindung. Ein solches Rundumpaket hat so keiner.

Ein Unternehmen muss sich immer wieder neu erfinden, um am Markt zu bestehen. Wie sieht es bei JUNIOR aus? Gibt es Pläne und Projekte für die Zukunft?

JUNIOR ist 25 Jahre gewachsen und hat gut funktioniert. Ich habe keine Bedenken, dass es auch in Zukunft so sein wird. Wir sind aber gerade dabei, unsere drei Programmlinien „basic“, „advanced“ und „expert“ zu evaluieren. Zu klären ist vor allem, ob sie vom Zuschnitt her noch in die Schullandschaft passen oder ob wir etwas verändern müssen. Das Ergebnis ist völlig offen: Vielleicht genügen künftig zwei Programme, möglicherweise legen wir aber auch ein ergänzendes viertes auf.

Und wenn Sie sich noch etwas zum nächsten Jubiläum, also zum 50. Geburtstag von JUNIOR wünschen dürften?

Eigentlich wünsche ich mir, dass es an jeder Schule mindestens ein JUNIOR-Projekt gibt. Mit unseren derzeitigen organisatorischen und finanziellen Kapazitäten könnten wir das zwar gar nicht stemmen. Ich bin mir aber sicher, dass das Instrument Schülerfirma noch eine lange Zukunft hat und JUNIOR seinen 50. Geburtstag feiern kann.

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