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Sind die Mieten zu hoch?

In vielen deutschen Städten gab es in den vergangenen Jahren massive Mietpreissteigerungen. Ob diese eingedämmt werden sollen oder nicht, erläutern zwei Wohnungsmarktexperten.

Kernaussagen in Kürze:
  • Andrej Holm, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität Berlin, weist darauf hin, dass in den deutschen Großstädten schon heute rund zwei Millionen leistbare Wohnungen fehlen und hält den Aufbau eines gemeinnützigen Wohnungssektors für unumgänglich.
  • Michael Voigtländer, Immobilienexperte im Institut der deutschen Wirtschaft, hebt die Steuerungsfunktion der Mieten hervor. Er plädiert dafür, Kleinstädte und ländliche Regionen wieder attraktiver zu machen, um den Wohnungsmarkt in den Großstädten zu entlasten.
Ja,
sagt
Andrej Holm,

wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität Berlin

Schon jetzt fehlen in den Großstädten knapp zwei Millionen leistbare Wohnungen.

Mieten sind immer zu hoch und die meisten Mieterinnen und Mieter hätten nichts dagegen, wenn sie für dieselbe Leistung – also eine gute Wohnung – weniger zahlen müssten. Eigentümerinnen und Eigentümer hingegen hätten in der Regel nichts dagegen, wenn sie mit demselben Angebot einen höheren Ertrag erzielen könnten. Dieser Grundwiderspruch der Interessen lässt sich objektiv kaum auflösen.

Mit den Ansätzen der Kostenmiete und der Leistbarkeit gibt es zwei Konzepte, um die Mindest- beziehungsweise die Maximalhöhe von Mieten festzustellen. In einer wirtschaftlichen Betrachtung werden dabei die Mieteinnahmen als Kostenmiete bezeichnet, die eine auskömmliche Bewirtschaftung des Mietshauses ermöglichen. Dabei wird davon ausgegangen, dass durch die Mieten alle tatsächlichen Aufwendungen und eine angemessene Eigenkapitalverzinsung gedeckt werden können. Das Konzept der Leistbarkeit hingegen setzt die Miethöhe ins Verhältnis zu den Einkommen und soll sicherstellen, dass sich ein Haushalt mit einem spezifischen Einkommen die Miete auch leisten kann.

In den meisten sozialpolitischen Diskussionen wird davon ausgegangen, dass die Leistbarkeit gewährleistet ist, wenn die Gesamtwohnkosten (brutto, warm) 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens nicht überschreiten. Allein in den 77 Großstädten in Deutschland hat fast die Hälfte aller Miethaushalte eine Mietkostenbelastung von über 30 Prozent zu tragen. Besonders hohe Mietbelastungen haben die 6,5 Millionen Haushalte mit geringen Einkommen – sie sind auf Wohnungen für rund 5 Euro je Quadratmeter angewiesen. Schon jetzt fehlen in den Großstädten knapp zwei Millionen leistbare Wohnungen. Da leistbare Mieten in den meisten Städten unter den Durchschnittsmieten liegen und auch in frei finanzierten Neubauprojekten nicht realisiert werden können, ist hier eine öffentliche Verantwortung gefragt. Wer leistbares Wohnen auf Dauer sichern will, kommt um Förderprogramme und den Aufbau eines gemeinnützigen Wohnungssektors nicht herum.

Nein,
sagt
Michael Voigtländer,

Leiter des Kompetenzfelds Finanzmärkte und Immobilienmärkte

Mieten sind ein wichtiges Steuerungsinstrument.

Es ist schön, weniger zu bezahlen, das ist selbstredend. Allerdings stellt sich gesellschaftlich die Frage, ob die Preisentwicklung am Wohnungsmarkt gerechtfertigt werden kann oder ob es etwa eines staatlichen Eingriffs bedarf.

Die Mieten folgen im Wesentlichen den starken Lohnzuwächsen aufgrund des Arbeitsmarktbooms – viele Arbeitnehmer sind heute nicht stärker belastet als vor einigen Jahren. Dort, wo die Mieten schneller steigen, ist typischerweise die geringe Bautätigkeit in Kombination mit starker Zuwanderung hauptverantwortlich dafür. Dies gilt etwa in München oder auch in Berlin. Den Haushalten, deren Einkommen unter dem Durchschnitt liegen und die an der allgemeinen Lohnentwicklung nicht teilhaben, muss der Staat selbstverständlich helfen.

Angesichts der Preisentwicklung auf dem Wohnungsmarkt die Mieten in den Großstädten jedoch beispielsweise gänzlich einzufrieren, wäre ein großer Fehler. Mieten sind ein wichtiges Steuerungsinstrument. Hohe Mieten sorgen zum einen für einen sparsamen Wohnungskonsum, zum anderen sind sie ein wichtiger interregionaler Wettbewerbsparameter.

Die Mieten in Berlin und München sind unter anderem deshalb so hoch, weil gerade junge Menschen aufgrund der Bildungschancen, des städtischen Flairs und der Infrastruktur dorthin ziehen. Durch diese Wanderungsbewegungen fehlen aber mittlerweile Arbeitskräfte in vielen Regionen Deutschlands, wie etwa in Südwestfalen, Nordbayern oder weiten Teilen Thüringens. Können die Unternehmen die Stellen nicht besetzen, werden sie über kurz oder lang ihren Standort auch in die Metropolen (oder ins Ausland) verlegen müssen.

Erschwinglicher Wohnraum ist für viele Kreise ein wichtiger Wettbewerbsfaktor, um nicht noch mehr junge Menschen durch Abwanderung in die Großstädte zu verlieren. Ziel sollte es daher sein, Umlandgemeinden, Kleinstädte und ländliche Regionen wieder attraktiver zu machen – dann wird automatisch auch der Druck auf die Großstädte abnehmen. Massive Eingriffe in den Mietwohnungsmarkt werden den Konzentrationsprozess dagegen weiter befördern.

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