Einkommensmobilität Lesezeit 1 Min.

Selbstständigkeit: Ein Faktor für den sozialen Aufstieg

Die OECD bescheinigt Deutschland eine besonders niedrige Einkommensmobilität. Das Arbeitseinkommen des Nachwuchses soll so stark vom Gehalt der Eltern abhängen wie in keinem anderen der klassischen Industrieländer. Doch die Ergebnisse sind mit Vorsicht zu genießen, denn sie blenden eine zentrale Berufsgruppe aus.

Kernaussagen in Kürze:
  • In Deutschland sind 55 Prozent der Einkommensungleichheit in der Generation der Kinder von den Eltern ererbt, so das Ergebnis einer Studie der OECD.
  • Demnach wäre die Einkommensverteilung hierzulande generationsübergreifend so stark zementiert wie in keinem anderen Industrieland.
  • Allerdings klammert diese Betrachtung der OECD Selbstständige und Freiberufler aus – berücksichtigt man sie, sind nur noch 29 Prozent der Einkommensungleichheit in Deutschland vererbt.
Zur detaillierten Fassung

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat die Einkommensmobilität analysiert – also geprüft, wie stark die Einkommen von Eltern mit jenen ihrer Kinder zusammenhängen. Das Ergebnis für Deutschland fällt alarmierend aus (Grafik):

Laut OECD gehen in Deutschland 55 Prozent der Einkommensungleichheit unter den Söhnen auf die Einkommensungleichheit unter den Vätern zurück. So stark wird das Einkommen der Kinder in diesen Industrieländern vom Einkommen der Elterngeneration geprägt Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die Ungleichheit wird hierzulande also quasi vererbt, und zwar stärker als in allen anderen untersuchten Industrieländern.

Auf der Suche nach Erklärungen für Deutschlands Abschneiden stößt man schnell auf abweichende Befunde, beispielsweise in den Studien von Miles Corak, der an der New Yorker City University lehrt:

Laut Corak landet Deutschland mit einem intergenerationalen Elastizitätskoeffizienten von 0,32 nicht länger an der Spitze, sondern im Mittelfeld.

Den Spitzenplatz teilen sich das Vereinigte Königreich und Italien, dicht gefolgt von den USA. Diese Ergebnisse liegen offenbar näher an der Wahrheit. Denn die OECD hat in ihrem Ranking Selbstständige ausgeklammert. Dabei spielen diese eine entscheidende Rolle: Obwohl nur 10 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland selbstständig sind, zählen zu dieser Gruppe alle freien Berufe, also beispielsweise Ärzte. Die Einkommensdynamik ist in diesen Berufen merklich höher als im Durchschnitt aller Jobs, zudem sind prekäre Beschäftigungsverhältnisse selten.

Die Einkommensdynamik ist in den freien Berufen merklich höher als im Durchschnitt aller Jobs.

Auch die OECD ist sich des Problems bewusst, dass sie eine zentrale Gruppe ausgeklammert hat und zeigt:

Der Elastizitätskoeffizient für Deutschland sinkt von 0,55 auf 0,29, wenn alle Berufsgruppen inklusive der Selbstständigen berücksichtigt werden.

Allerdings gewährt die OECD in ihrer Studie dieser entscheidenden Beobachtung nur unter „ferner liefen“ etwas Raum: in Form einer kurzen Textpassage und einer einzigen Grafik.

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