Sanieren für mehr Klimaschutz
Wenn Deutschland seine klimapolitischen Ziele erreichen will, muss auch der Energieverbrauch im Gebäudesektor sinken. Dafür müssen deutlich mehr ältere Häuser als bisher energetisch auf Vordermann gebracht werden. Eine neue IW-Studie zeigt, wie eine erfolgreiche Sanierungsstrategie aussehen kann.
- Die Bundesregierung will den Energiebedarf im Gebäudesektor bis 2050 um mindestens 80 Prozent senken – dazu muss die energetische Sanierung größere Fortschritte machen.
- Der Fokus sollte dabei auf Häusern liegen, die in den 1950er bis 1970er Jahren gebaut wurden – weil diese relativ kostengünstig zu sanieren sind und sich zugleich viel Energie sparen lässt.
- Um die Gebäudesanierung zu forcieren, sollte die Förderung auf Steuernachlässe statt auf direkte finanzielle Zuwendungen setzen.
Um mindestens 80 Prozent soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung der sogenannte Primärenergiebedarf im Gebäudesektor bis 2050 sinken. Das bedeutet, dass Ein- und Mehrfamilienhäuser künftig wesentlich weniger Energie zum Heizen und zur Warmwasserversorgung benötigen dürfen als heute. Und diese Energie muss zudem verstärkt aus erneuerbaren Quellen stammen. Ziel ist ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand.
Priorität muss die energetische Sanierung von Gebäuden haben, die in den 1950er bis 1970er Jahren errichtet wurden.
Neubauten, die den höchsten Energiestandards genügen, können zu diesem Ziel wenig beitragen – dazu ist die Bautätigkeit im Verhältnis zum Bestand zu gering. Priorität muss daher die energetische Sanierung jener Gebäude haben, die vor dem Inkrafttreten der Ersten Wärmeschutzverordnung im Jahr 1977 errichtet wurden. Vor allem die Häuser aus den 1950er bis 1970er Jahren, die mehr als 40 Prozent des Wohnungsbestands ausmachen, lassen sich oft relativ kostengünstig sanieren. Die mögliche Energieersparnis ist groß, sodass sich die Kosten häufig in einem angemessenen Zeitraum amortisieren (Grafik):
Wohngebäude der Baujahre 1949 bis 1978 haben im Schnitt einen Primärenergiebedarf von 247 Kilowattstunden je Quadratmeter und Jahr – das ist fast sechsmal so viel wie der Bedarf von Neubauten.
Häuser, die bis 1948 errichtet wurden, benötigen in der Regel zwar noch mehr Energie, eine Sanierung ist allerdings nicht immer möglich oder recht teuer – etwa weil die Fassade als erhaltenswert gilt oder gar denkmalgeschützt ist.
Gemessen an den ehrgeizigen Klimazielen der Politik und dem großen Energiesparpotenzial, das die Ein- und Mehrfamilienhäuser in Deutschland bieten, ist der bislang betriebene energetische Sanierungsaufwand eher gering – und war bis 2015 sogar rückläufig (Grafik):
Von allen Bauleistungen an bestehenden Gebäuden entfielen 2016 nur 28 Prozent auf Wärmedämmung, Heizungsmodernisierung und andere energetische Sanierungsmaßnahmen – 2011 waren es noch 32 Prozent.
Mit der verringerten Förderung von Photovoltaikanlagen und den gesunkenen Energiepreisen gibt es zwar nachvollziehbare Gründe dafür, dass die Hausbesitzer zuletzt weniger saniert haben. Bleibt es jedoch bei dem geringen Sanierungstempo, würde der gesamte Primärenergiebedarf bis 2050 nach Modellrechnungen des IW lediglich um 38 Prozent sinken. Das Regierungsziel von 80 Prozent würde also bei weitem verfehlt.
Um die energetische Sanierung der Wohnimmobilien zu fördern, setzt die Politik bislang vor allem auf finanzielle Anreize in Form von zinsgünstigen Krediten sowie Tilgungs- und Investitionszuschüssen, die über die bundeseigene Förderbank KfW sowie das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gewährt werden. Zweite Säule der Förderung sind informatorische Instrumente wie die Gebäude-Energieberatung oder der Energieausweis. Hinzu kommen ordnungsrechtliche Instrumente, zum Beispiel die Energieeinsparverordnung (EnEV) oder verschiedene EU-Richtlinien.
Insgesamt greift die Politik also zu vielen Einzelmaßnahmen, die den Eindruck eines gewissen Aktionismus hinterlassen – von einer schlüssigen Gesamtstrategie kann keine Rede sein.
Vier Vorschläge, wie sich die Energiewende im Gebäudesektor beschleunigen lässt
Das IW schlägt daher ein Bündel von Reformen vor, die eine Förderung aus einem Guss ermöglichen und damit die Energiewende im Gebäudesektor beschleunigen können. Einige Beispiele:
- Technologieoffenheit gewährleisten. Die Vorschriften für energetische Sanierungen sind zum Teil sehr detailliert – so schreibt die EnEV konkrete Dämmmaße vor. Um die Potenziale des technischen Fortschritts zu nutzen, sollten sich die gesetzlichen Vorgaben künftig stärker daran orientieren, wie viel Kohlendioxid eingespart werden kann – und das „Wie“ den an der Sanierung beteiligten Unternehmen überlassen.
- Energieberatung verbessern. Auch wenn Immobilienbesitzer mittlerweile unter vielen zertifizierten Energieberatern wählen können, wird das Angebot noch zu wenig in Anspruch genommen. Um dies zu ändern, wäre es wichtig, den Begriff des Gebäudeenergieberaters zu schützen sowie die Qualifikationswege und die Beratung selbst zu standardisieren. Dann ließen sich die Leistungen am Markt besser vergleichen. Um die Zahl der Berater zu erhöhen, könnte die Energieberatung – ein funktionierendes Kontrollsystem vorausgesetzt – für jene Handwerker geöffnet werden, die selbst energetische Sanierungsmaßnahmen anbieten.
- Förderung verstetigen und besser koordinieren. Hauseigentümer werden umso eher Sanierungsmaßnahmen ergreifen, je mehr sie sich auf eine planbare und effektive Förderung verlassen können. Dies ließe sich am besten über Steuernachlässe realisieren, da diese nicht – anders als direkte finanzielle Zuwendungen – von der jeweiligen Lage der öffentlichen Haushalte abhängen. Zudem sollten alle Maßnahmen gefördert werden, die zur Kohlendioxidvermeidung beitragen. Nicht zuletzt müssen die derzeit rund 3.350 Förderprogramme der Bundesländer und Kommunen gebündelt und vereinfacht werden.
- Energiewende sozial flankieren. Um den Zielkonflikt zwischen Sozial- und Umweltpolitik aufzulösen, müssen die Sanierungsmaßnahmen sozial flankiert werden. Ein möglicher Ansatz ist eine Klimakomponente im Wohngeld. Und um Streitigkeiten zwischen Mietern und Vermietern über die Sanierungskosten zu vermeiden, braucht es aktuellere, ökologische Mietspiegel, aus denen sich adäquate Mietpreisaufschläge für Energieeffizienzmaßnahmen ableiten lassen.