Interview Lesezeit 4 Min.

„Ohne eine gute Datenorganisation läuft nichts“

Die Vorteile der künstlichen Intelligenz könnten in Deutschland stärker genutzt werden. Die IW-Ökonomen Vera Demary und Henry Goecke erläutern im Interview, an welchen Stellschrauben dafür gedreht werden muss und wie sich die Akzeptanz von KI in der Bevölkerung noch vergrößern lässt.

Kernaussagen in Kürze:
  • Um künstliche Intelligenz in Deutschland besser einsetzen zu können, braucht es schnelles Internet – vor allem in ländlichen Regionen – und ausreichend KI-Kompetenz in den Unternehmen, sagen die IW-Ökonomen Vera Demary und Henry Goecke.
  • In vielen Firmen fehlt ihrer Meinung nach eine Data Governance, es muss also geklärt werden, wer für die Datenpflege zuständig ist und was man mit den einzelnen Daten überhaupt anfangen darf.
  • Um die Akzeptanz für KI in der Gesellschaft zu fördern, müssen nachvollziehbare Regeln aufgestellt werden, sagen die Forscher. Denkbar wäre zum Beispiel ein Label für KI, die ethische Kriterien erfüllt.
Zur detaillierten Fassung

Künstliche Intelligenz ist für viele Menschen immer noch ein eher abstrakter Begriff. Wie würden Sie ihn anschaulich erklären?

Demary: Es geht um intelligente Programme und Maschinen, die auf der Basis von Daten selbstständig Entscheidungen treffen und daraufhin Handlungen ausführen können. Um mal ein ganz anschauliches Beispiel zu geben: In der Keksherstellung erkennt eine KI in der Produktionsanlage selbstständig kaputte Doppelkekse – und steigert so die Effizienz.

Gibt es herausragende KI-Anwendungen, die in Deutschland entwickelt wurden?

Demary: Ein klares Vorzeigeprojekt ist das Programm „DeepL“ – es wurde von einem Kölner Start-up entwickelt und kann Texte in 67 Sprachen ausgesprochen zuverlässig übersetzen.

Laut KI-Monitor bewerten die Unternehmen hierzulande die KI-Technologie meist positiv, nutzen sie aber relativ selten. Welche Rahmenbedingungen müssen sich ändern, damit die Zahl der KI-Nutzer steigt?

Henry Goecke leitet die Forschungsgruppe Big Data Analytics, Vera Demary das Kompetenzfeld Digitalisierung, Strukturwandel und Wettbewerb im Institut der deutschen Wirtschaft; Foto: IW Medien Goecke: Grundsätzlich schätzen die von uns befragten Unternehmen KI vor allem mit Blick auf den volkswirtschaftlichen Nutzen positiv ein. Geht es um den Einsatz von KI im eigenen Betrieb, werden allerdings eher die Risiken betont. Es gilt also, den Unternehmen zu vermitteln, welche Vorteile sie aus KI-Anwendungen ziehen können. Dies funktioniert am besten über Leuchtturmprojekte, deren Nutzen allseits klar erkennbar ist.

Demary: Es gibt ja bereits Kompetenzzentren für den Mittelstand, wo KI-Trainer zur Verfügung stehen. Diese öffentlich geförderten Beratungen werden zurzeit allerdings noch zu wenig nachgefragt.

Wie sieht es denn mit der technischen und personellen Basis aus?

Demary: Zu den ganz grundsätzlichen Voraussetzungen für viele KI-Anwendungen gehört schnelles Internet – und hier gibt es gerade im ländlichen Raum noch Nachholbedarf. Darüber hinaus brauchen die Unternehmen auch die notwendigen Kompetenzen für KI. Sie können natürlich externe Dienstleister beauftragen, KI-Anwendungen zu entwickeln. Wollen sie dies aber selbst tun, müssen sie qualifiziertes Personal einstellen. Und entsprechende Fachkräfte sind nun mal knapp.

An welchen Stellschrauben können die Unternehmen denn noch drehen, wenn sie KI vorantreiben wollen?

Demary: Um beim Thema Kompetenzen zu bleiben: Es ist sicherlich von Vorteil, attraktive Arbeitsbedingungen zu bieten. Abgesehen davon haben viele Unternehmen ihre eigenen Daten – die man ja braucht, um eine KI zu trainieren – noch gar nicht richtig im Griff. Es fehlt also eine Data Governance, es muss geklärt werden, wer zuständig ist und was man mit den einzelnen Daten überhaupt anfangen darf. Kurz: Es braucht in einem ersten Schritt eine gute interne Datenorganisation. Diese kann man unter Umständen auch mit dem bereits vorhandenen Personal aufbauen.

Wenn wir nachvollziehbare Regeln aufstellen darüber, wo wir KI überhaupt nutzen wollen, fördert dies sicherlich die Akzeptanz in der Gesellschaft.

Forschungsergebnisse zu KI münden in Deutschland laut KI-Monitor noch nicht ausreichend in Anwendungen, die von Unternehmen entwickelt wurden. Wie lässt sich das verbessern?

Demary: Die vorhandenen Kooperationen zwischen Forschung und Unternehmen könnten ausgebaut werden, indem man zum Beispiel Technologietransferbüros einrichtet, wie es sie an amerikanischen Universitäten oder in Israel gibt. Wenn es auf diesem Weg gelingt, Forschungsergebnisse schnell in die Praxis umzusetzen, profitiert davon auch wieder die KI-Forschung – es entsteht eine Win-win-Situation.

Was kann Deutschland noch von anderen Ländern lernen, wenn es um die Förderung von künstlicher Intelligenz geht?

Demary: In China wird sehr viel Geld in die öffentliche KI-Forschung gesteckt. Was dieses Investitionsvolumen angeht, liegt Deutschland noch um einiges zurück. Aber es kommt eben auch darauf an, wie effizient das Geld eingesetzt wird. Da ist Deutschland in den vergangenen Jahren schon ein gutes Stück vorangekommen. So wurden im Rahmen der KI-Strategie der Bundesregierung inzwischen 100 KI-Professuren eingerichtet. Diese müssen jetzt alle zügig besetzt werden

Die tollsten KI-Techniken nützen nichts, wenn die Gesellschaft sie ablehnt. Wie lässt sich das Vertrauen der Bundesbürger in die KI-Technologie noch vergrößern?

Goecke: Hier geht es sicherlich um die ethischen Aspekte von KI – und da geht der Blick wieder nach China. Ja, die Chinesen nehmen viel Geld in die Hand und sind damit erfolgreich, zum Beispiel bei der KI-basierten Gesichtserkennung. Aber in Deutschland würde sicherlich niemand wollen, dass wir jetzt überall Kameras aufstellen und die anfallenden Daten unter Missachtung sämtlicher Grundrechte auswerten, nur um KI nach vorne zu bringen. Die europäischen Normen und Werte müssen gewahrt bleiben. Dazu gehört auch, dass die Daten in Europa gespeichert werden und europäischem Recht unterliegen.

Demary: Es geht auch um Kommunikation und Transparenz. Wir müssen offen darüber sprechen, in welchen Bereichen wir in Europa KI anwenden wollen und wo nicht. Wenn wir also nachvollziehbare Regeln aufstellen darüber, wo wir KI überhaupt nutzen wollen, fördert dies sicherlich die Akzeptanz in der Gesellschaft. Denkbar wäre auch ein Label für KI, die ethische Kriterien erfüllt. Die EU strebt bereits eine entsprechende, freiwillige Kennzeichnung an. Das wäre auch für KI-Anbieter eine unbürokratische Lösung.

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