MINT-Berufe: Immer mehr IT-Fachkräfte fehlen
In den Berufen mit MINT-Fachrichtung fehlen in Deutschland jede Menge Arbeitskräfte – das ist mittlerweile bekannt. Neu ist, dass sich das Anforderungsprofil für besonders gefragte Mitarbeiter deutlich verschoben hat: Vor allem die Zahl der gesuchten IT-Fachkräfte ist zuletzt deutlich gestiegen.
- Ende April 2019 war in Deutschland knapp eine halbe Million Stellen in MINT-Berufen unbesetzt.
- Bis 2021 benötigt Deutschland durchschnittlich 258.600 neue MINT-Fachkräfte pro Jahr, um den derzeitigen Bestand wenigstens zu halten. Ab 2027 werden es sogar 287.600 sein.
- Durch die Stärkung der dualen Ausbildung, gezielte Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte und die Verbesserung der MINT-Bildung in Schulen kann der Fachkräftemangel verringert werden.
Die Innovationskraft eines Landes hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zum Beispiel von den Investitionen in Forschung und Entwicklung, aber auch von passenden Rahmenbedingungen, beispielsweise beim Markenrecht. Doch zuvorderst entscheidet die Stärke des MINT-Bereichs – also der Fachrichtungen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – darüber, wie innovativ ein Land ist. Und erst ein gutes Zusammenspiel dieser drei Faktoren bietet die Grundlage für nachhaltigen Fortschritt.
In Deutschland kommt der Metall- und Elektro-Industrie dabei eine besondere Rolle zu. Sie beschäftigt überdurchschnittlich viele MINT-Akademiker und MINT-Fachkräfte. Gleichzeitig geben die Betriebe der Branche überdurchschnittlich viel für innovative Produkte und Prozesse aus:
Die M+E-Unternehmen investierten 2017 knapp 100 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. Das entspricht 63 Prozent der volkswirtschaftlichen Innovationsausgaben in Deutschland insgesamt.
Die M+E-Industrie hat ihre Bemühungen in den vergangenen Jahren sogar nochmals gesteigert – im Jahr 2010 gab sie erst 66,3 Milliarden Euro für Innovationen aus.
Doch trotz der Investitionen gibt es ein großes Risiko für die Innovationsstärke Deutschlands: den MINT-Fachkräftemangel.
Wie groß ist die Fachkräftelücke?
Ende April 2019 waren in den MINT-Berufen 478.300 Stellen unbesetzt. Dem standen lediglich 168.600 MINT-Arbeitslose gegenüber. Berücksichtigt man die qualifikatorischen Missmatches – ein Biologe kann nicht die Stelle eines Mechatronikers besetzen und umgekehrt – betrug die MINT-Arbeitskräftelücke 311.300. Im Vergleich zum Rekordhoch im Vorjahr bedeutet dies jedoch nur einen leichten Rückgang um 3.500 unbesetzte Stellen.
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt bleibt also weiter angespannt, in manchen Berufen hat sie sich sogar deutlich verschärft – vor allem in einem Bereich (Grafik):
In den IT-Berufen fehlten im April 2019 gut 59.000 Fachkräfte, 2014 waren es nur 19.000.
Der Anstieg betrifft alle Qualifikationsniveaus vom ausgebildeten Facharbeiter über Techniker und Meister bis hin zum Akademiker.
Grund dafür ist die größere Nachfrage nach IT-Fachwissen auf Unternehmensseite. Durch die fortschreitende Digitalisierung benötigen die Betriebe mehr IT-Beschäftigte als bisher.
Das spiegelt sich auch in der Ausbildung wider: Im dritten Jahr in Folge ist die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge in IT-Berufen deutlich stärker gestiegen als in anderen Berufsgruppen. In diesem Jahr gibt es ein Plus von 13,4 Prozent; allerdings stehen die Auszubildenden dem Arbeitsmarkt naturgemäß erst mit Zeitverzug zur Verfügung und reichen absehbar nicht aus, um die Lücke zu schließen.
Ausbildungsinhalte an die Digitalisierung angepasst
Die M+E-Industrie hat bereits auf die steigende Nachfrage nach IT-Kräften und die neuen Herausforderungen durch die Digitalisierung reagiert und 2018 die Ausbildung in den Metall– und Elektroberufen modernisiert. Die Themenfelder Datenanalyse, Datensicherheit und Vernetzung sind nun fest verankerte Bausteine.
Die Stärkung der dualen Berufsausbildung ist ein wichtiger Schritt, um mehr junge Menschen für MINT-Berufe zu begeistern.
Das allein wird jedoch nicht reichen, denn die MINT-Lücke wird sich in den kommenden Jahren vor allem aufgrund der demografischen Gegebenheiten noch weiter vergrößern: Viele MINT-Akademiker und MINT-Fachkräfte werden in naher Zukunft das Rentenalter erreichen.
Das Institut der deutschen Wirtschaft hat eine Prognose erstellt, wie viele MINT-Kräfte ersetzt werden müssen, um wenigstens den Status quo zu erhalten (Grafik):
Bis 2021 werden jährlich im Schnitt 258.600 neue MINT-Fachkräfte gebraucht. Ab 2027 liegt der Bedarf pro Jahr sogar bei 287.600.
Auch bei den MINT-Akademikern steigt der Bedarf.
Wie lassen sich mehr MINT-Kräfte gewinnen?
Die duale Ausbildung muss für mehr junge Menschen eine Option werden. Argumente gibt es einige, denn die Karriereperspektiven in MINT-Berufen sind ausgezeichnet. So haben MINT-Beschäftigte – vor allem in der M+E-Industrie – oft unbefristete Vollzeitstellen. MINT-Fachkräfte sind auch häufiger in leitenden Positionen zu finden als sonstige beruflich Qualifizierte. Außerdem sind die Verdienste im MINT-Bereich überdurchschnittlich hoch.
Die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte muss verbessert werden. Ein wichtiger Schritt dazu sollte noch vor der Sommerpause erfolgen, wenn der Bundestag das Fachkräfteeinwanderungsgesetz verabschiedet. Dadurch sollen schon ab 2020 qualifizierte MINT-Fachkräfte aus Drittstaaten leichter den Weg nach Deutschland finden.
Eine bessere MINT-Bildung brächte langfristigen Erfolg. Erreichen lässt sich dies in der Schule, indem mehr Spaß an Naturwissenschaften vermittelt wird, beispielsweise durch Mentorenprogramme oder Schüler-Wettbewerbe. Auch der stärkere Einsatz von Computern verbunden mit neuen Lernkonzepten kann Schüler für Informatik und Technik begeistern.
Mehr Frauen für MINT zu begeistern, ist ebenfalls eine wichtige Aufgabe. Zwar ist die Zahl der MINT-Akademikerinnen in Deutschland von 477.300 im Jahr 2011 auf 621.900 im Jahr 2016 merklich gestiegen. Dennoch entscheiden sich immer noch deutlich weniger Frauen als Männer für eine MINT-Berufslaufbahn.