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Konjunkturumfrage: Die Warnleuchte blinkt

Die deutschen Unternehmen blicken mit Sorge auf das laufende Jahr. Viele Betriebe rechnen mit Produktionsstörungen, wie eine Auswertung der Konjunkturumfrage des IW belegt. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Sowohl kurzfristige Lieferengpässe als auch langfristige strukturelle Probleme belasten die heimische Wirtschaft.

Kernaussagen in Kürze:
  • Vier von fünf Unternehmen in Deutschland rechnen laut IW-Konjunkturumfrage mit dauerhaften Problemen in der eigenen Produktion.
  • Der größte Störfaktor ist laut den Firmen der Arbeitskräftemangel, gefolgt von hohen Energiekosten und eingeschränkten Transport- und Logistikoptionen.
  • Die Politik sollte mit gezielten Maßnahmen gegensteuern, um langfristig Investitionen sowie die Produktion am Standort Deutschland zu sichern.
Zur detaillierten Fassung

Materialengpässe und gestörte Lieferketten waren im vergangenen Jahr ein großes Problem für die deutsche Industrie. Durch den Mangel an Bauteilen und Rohmaterialien mussten bundesweit Firmen Beschäftigte in Kurzarbeit schicken oder die Fertigung komplett stoppen. Einige Indikatoren deuten nun darauf hin, dass sich die Probleme in diesen Bereichen in den vergangenen Monaten verringert haben. So lösen sich etwa die Staus in den Seehäfen weltweit allmählich auf. Also alles wieder gut für die deutsche Wirtschaft? Mitnichten!

Eine Auswertung der im November 2022 durchgeführten IW-Konjunkturumfrage zeigt, dass die Betriebe in Deutschland für das Gesamtjahr 2023 pessimistisch sind. Von den mehr als 2.500 befragten Unternehmen erwarten 39 Prozent einen Rückgang der eigenen Produktion, nur 26 Prozent gehen davon aus, dass sie mehr produzieren werden (siehe "Konjunkturumfrage: Die Pessimisten dominieren"). Während die Industrie fast exakt im Schnitt der Gesamtwerte liegt und die Dienstleistungsfirmen eine nahezu ausgeglichene Bilanz aufweisen, sind die Sorgen im Baugewerbe besonders groß. Hier rechnen 54 Prozent der Betriebe mit reduzierter Tätigkeit.

Neben den branchenspezifischen Daten liefert die IW-Konjunkturumfrage auch Ergebnisse über Dauer und Ausmaß der erwarteten Produktionsstörungen. Die Tendenz geht demnach in die falsche Richtung (Grafik):

Der Anteil der Unternehmen, die im Zeitverlauf mit Beeinträchtigungen rechnen, steigt sukzessive.

So viel Prozent der Unternehmen in Deutschland rechneten mit diesem Ausmaß an Produktionsausfällen im Jahr 2023 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Das heißt konkret: Im November 2022 konnten 34 Prozent der Betriebe in Deutschland ungestört produzieren. Für den Winter gingen nur noch 18 Prozent von störungsfreiem Arbeiten aus, mit Blick auf das gesamte Jahr 2023 reduzierte sich der Anteil weiter auf 14 Prozent.

Zugleich nimmt der Teil der Firmen, die größere Probleme erwarten, zu. Zum Zeitpunkt der Umfrage im November 2022 hatten 19 Prozent der Betriebe Ausfälle von bis zu 10 Prozent zu verkraften, 12 Prozent sprachen von bis zu 20 Prozent. Für 2023 erwarteten sogar 32 beziehungsweise 21 Prozent Störungen in diesen Größenordnungen.

Eine weitere Erkenntnis der Befragung lautet: Auch auf lange Sicht gehen die Betriebe nicht von einer deutlich besseren Lage aus.

Vier von fünf Unternehmen in Deutschland rechnen mit dauerhaften Problemen in der eigenen Produktion.

Dabei sieht langfristig gut jeder achte Betrieb starke Störungen auf sich zukommen.

Ein Fünftel der deutschen Unternehmen erwartet für 2023 Produktionsausfälle von bis zu 20 Prozent.

Verschiedene Faktoren sind für die eingeschränkte Produktion und den Pessimismus verantwortlich. Vor allem die hohen Energiekosten belasten viele Unternehmen und stellen den Standort Deutschland für die energieintensive Produktion auf den Prüfstand. So nennen von den Unternehmen mit mittlerer bis starker Beeinträchtigung im Jahr 2023 rund 60 Prozent die hohen Preise für Energie als Hemmnis. Ebenso viele geben die eingeschränkte Energieversorgung als Grund an. Keine andere Einflussgröße ist derart stark bei den Ursachen der Störungen vertreten.

Betrachtet man die Störfaktoren einzeln, hat der größte nichts mit der Energiefrage und damit der aktuellen geopolitischen Lage zu tun (Grafik):

77 Prozent der eingeschränkten Unternehmen klagen über fehlende Arbeitskräfte.

So viel Prozent der Unternehmen in Deutschland erwarten aus diesen Gründen Beeinträchtigungen ihrer Produktion im Jahr 2023 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Besonders stark belastet die dünne Personaldecke den Dienstleistungssektor und die Bauwirtschaft. Aufgrund des demografischen Wandels dürfte sich der Mangel an Beschäftigten dauerhaft als großes Problem für die Unternehmen erweisen.

Aber auch die Lieferkettenschwierigkeiten sind noch nicht gänzlich ausgestanden. 42 Prozent der befragten Unternehmen berichten von fehlenden Vorleistungen, 39 Prozent von fehlenden elektronischen Bauteilen.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Infrastruktur. Eingeschränkte Transport- und Logistikoptionen bremsen 46 Prozent der Betriebe aus, generelle Mängel der Infrastruktur beklagen 36 Prozent.

Eine zunehmende Gefahr stellen zudem Cyber-Attacken dar. Mehr als 40 Prozent der beeinträchtigten Betriebe geben mittlere bis starke Effekte auf ihre Produktion durch Online-Angriffe an.

Probleme verschwinden nicht kurzfristig

Die IW-Konjunkturumfrage zeigt, dass es in den Unternehmen derzeit mehr Pessimisten als Optimisten gibt. Zwar haben sich die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft seit der Datenerhebung im November 2022 verbessert. Dennoch sollte nicht voreilig von rückläufigen Produktionsstörungen ausgegangen werden, zumal die Energieversorgung für das Gesamtjahr 2023 trotz Fortschritten nicht abschließend gesichert ist. Darüber hinaus könnte die Nachfrage aufgrund der hohen Inflation nachlassen.

Vor allem die hohen Energiekosten könnten zur dauerhaften Belastung für die Betriebe werden. Die Politik hat die Möglichkeit, mit gezielten Maßnahmen gegenzusteuern und sollte dies auch tun. Damit sichert sie langfristig Investitionen sowie die Produktion am Standort Deutschland.

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