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Katar: Wirtschaftskraft mit Makeln

Die Fußballweltmeisterschaft in Katar ist in vollem Gange – Anlass genug, um einen Blick auf das umstrittene Gastgeberland zu werfen. Bei zahlreichen wirtschaftlichen Indikatoren schneidet das Emirat sehr gut ab; die Kluft zwischen Gastarbeitern und katarischen Staatsangehörigen ist allerdings groß.

Kernaussagen in Kürze:
  • Wirtschaftlich steht Katar als einer der größten Flüssiggasexporteure der Welt sehr gut da: Das Land glänzte 2021 unter anderem mit dem weltweit vierthöchsten Bruttoinlandsprodukt je Einwohner.
  • Gesellschaftlich ist das Land allerdings gespalten – ein Großteil der Bevölkerung sind Arbeitsmigranten, die gegenüber katarischen Staatsbürgern stark benachteiligt werden.
  • Die Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland sind bislang nicht sehr ausgeprägt. Durch eine langfristige Energiepartnerschaft, die die beiden Länder im Mai eingegangen sind, dürfte sich das aber ändern.
Zur detaillierten Fassung

Vom Tellerwäscher zum Millionär: Würde man diese Redensart auf ein Land beziehen, wäre es wohl Katar. Der wirtschaftliche Aufschwung des Austragungslandes der bald startenden Fußball-Weltmeisterschaft begann 1971 mit der Entdeckung des weltgrößten Gasfelds unter dem Persischen Golf. Binnen zwei Jahrzehnten wurde das zuvor arme Land zu einem der größten Flüssiggasexporteure der Welt.

Im Jahr 2021 entfielen 85 Prozent der katarischen Exporte auf Gas und Erdöl, insgesamt lieferte das Emirat Waren und Rohstoffe im Wert von 83,1 Milliarden Euro an andere Länder. Da die Importausgaben im selben Jahr nur 26,8 Milliarden Euro betrugen, verbuchte Katar einen der größten Handelsbilanzüberschüsse überhaupt. Auch bei anderen wirtschaftlichen Indikatoren schneidet das Land sehr gut ab (Grafik):

Das geschätzte kaufkraftbereinigte Bruttoinlandsprodukt je Einwohner lag 2021 bei fast 105.000 Dollar – das war der weltweit vierthöchste Wert.

Die wichtigsten Kennziffern zur wirtschaftlichen Lage Katars Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Deutsch-katarische Energiepartnerschaft

Während der Handel von Katar vor allem mit Ländern wie China, Japan und Indien floriert, rangiert das Land als Wirtschaftspartner von Deutschland bislang eher unter „ferner liefen“. Im Jahr 2021 exportierte die Bundesrepublik Waren im Wert von rund 1,3 Milliarden Euro in das Emirat, das damit in der deutschen Außenhandelsbilanz auf Platz 65 lag. Beim Import reichte es sogar nur für Platz 84, insgesamt zahlte die Bundesrepublik 430 Millionen Euro für katarische Güter.

Das dürfte sich bald ändern, schließlich ist die Bundesrepublik nach dem Wegfall Russlands als zuverlässigem Gaslieferanten bereits im Mai eine langfristige Energiepartnerschaft mit Katar eingegangen. Zwar haben die Kataris 90 bis 95 Prozent ihrer aktuellen Flüssiggasproduktion bereits langfristig verkauft. Allerdings wollen sie ihr Exportvolumen bis 2027 noch einmal ausbauen – davon könnte die Bundesrepublik profitieren.

Die wirtschaftlichen Aktivitäten Katars hierzulande beschränken sich nicht nur auf mögliche Gaslieferungen. Mit Beteiligungen an deutschen Firmen in Höhe von mehr als 25 Milliarden Euro ist Katar der größte arabische Investor in der Bundesrepublik. Das Emirat besitzt Aktien von zahlreichen Großunternehmen wie VW und der Deutschen Bank, finanziert aber auch viele Start-ups.

Zwei-Klassen-Gesellschaft

Nicht nur die katarische Wirtschaft, auch die Bevölkerung des Landes wächst stetig. Mittlerweile leben rund 2,8 Millionen Menschen auf der Halbinsel, die etwa halb so groß wie Hessen ist. Seit 2002 hat sich die Einwohnerzahl damit mehr als vervierfacht. Ein Großteil der Bevölkerung sind allerdings Arbeitsmigranten, nur gut jeder zehnte Einwohner besitzt die katarische Staatsangehörigkeit.

Wirtschaftlich steht Katar sehr gut da. Gesellschaftlich ist das Land allerdings gespalten – ein Großteil der Bevölkerung sind Arbeitsmigranten, die gegenüber katarischen Staatsbürgern stark benachteiligt werden.

Während die Arbeitsbedingungen für die Gastarbeiter stark in der Kritik stehen, genießen katarische Staatsangehörige zahlreiche Privilegien – so müssen sie keine Steuern zahlen, Strom, Wasser und medizinische Versorgung sind gratis. Viele Stadtteile, in denen katarische Familien leben, sind für Gastarbeiter tabu.

Dass trotzdem viele Arbeiter nach Katar kommen, kann an den Verdienstchancen liegen. Das Emirat hat 2020 den Arbeitsmarkt reformiert und als erstes Land der Region einen Mindestlohn eingeführt. 1.000 Katar-Riyal – umgerechnet rund 265 Euro – müssen die Unternehmen im Monat zahlen. Organisationen wie Amnesty International kritisieren das als weiterhin unzureichend. Da der Lohn aber höher ist als in vielen asiatischen und afrikanischen Ländern, nehmen die Gastarbeiter die schlechten Zustände oft in Kauf.

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