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Jobbende Studenten: Von Nesthockern und Arbeitstieren

Der Bologna-Prozess, also die europaweite Harmonisierung von Studiengängen und -abschlüssen, hat zwar zu den gewünschten Ergebnissen geführt, doch der Studentenalltag in den einzelnen Ländern unterscheidet sich erheblich. Besonders groß sind die Unterschiede in puncto Arbeit: In Deutschland jobbt mehr als die Hälfte der Studenten, in Italien und Serbien nur jeder zehnte.

Kernaussagen in Kürze:
  • In Deutschland geht mehr als die Hälfte der Studenten während der Vorlesungszeit einem geregelten Nebenjob nach, ein Drittel jobbt sogar mehr als 21 Stunden wöchentlich.
  • Ein Grund dafür ist, dass nicht einmal der Bafög-Höchstsatz genügt, um die Lebenshaltungskosten im Studium zu decken.
  • Auch in anderen europäischen Ländern arbeiten viele Studenten fleißig nebenher. Eine große Ausnahme bildet Italien – wohl auch deshalb, weil viele italienische Studenten noch zu Hause wohnen.
Zur detaillierten Fassung

In keinem anderen europäischen Land jobben so viele Studenten wie in der Bundesrepublik (Grafik):

Zuletzt gingen 54 Prozent der Hochschüler in Deutschland einer regelmäßigen, bezahlten Tätigkeit während des Zeitraums nach, in dem Vorlesungen und Seminare stattfinden. In diesen europäischen Ländern ist der Anteil der Studenten, die während der Vorlesungszeit einen Nebenjob ausüben, am höchsten und am niedrigsten Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Im Schnitt arbeiteten die Studenten elf Stunden in der Woche, ein Drittel verbrachte sogar mehr als 21 Wochenstunden mit Geldverdienen. Kein Wunder, denn ein Studium muss man sich auch leisten können. Laut Deutschem Studentenwerk benötigt der akademische Nachwuchs hierzulande zwischen 850 und 925 Euro je Monat, um unter vernünftigen Umständen studieren und wohnen zu können. Der Bafög-Höchstsatz ist mit monatlich 649 Euro (ohne Kranken- und Pflegeversicherungszuschlag) weit davon entfernt, auch die für den Herbst geplante Erhöhung auf 744 Euro hilft nur marginal.

Hinzu kommt, dass immer weniger Studenten die staatliche Förderung beziehen:

Im Jahr 2012 waren es noch rund 670.000 Studenten, die Bafög bekamen, 2017 nur noch 557.000.

Große Unterschiede zwischen den Studenten in Europa

Doch nicht nur in Deutschland müssen und wollen viele Studenten Geld verdienen. In Estland ist die Quote der Hochschüler, die während der Vorlesungszeit arbeiten, fast genauso hoch wie in Deutschland. Und im Schnitt arbeiten die estnischen Studenten sogar deutlich länger als die deutschen: nämlich 20 Stunden in der Woche. Ein straffes Pensum legen auch die jobbenden Studenten in Polen hin: Sie gehen im Schnitt 18 Wochenstunden einer bezahlten Tätigkeit nach.

Bleibt die Frage, warum ausgerechnet in Italien so wenige Studenten erwerbstätig sind: Dort hat während der Vorlesungszeit nur rund jeder zehnte Hochschüler einen Job – mit durchschnittlich fünf Wochenstunden, das ist der EU-weit niedrigste Wert. Hauptursache dafür dürfte sein, dass die meisten italienischen Studenten noch zu Hause wohnen und deshalb keine Miete für einen Wohnheimplatz oder eine Studentenbude aufbringen müssen.

In Italien leben fast 70 Prozent der Studenten zu Hause, in Deutschland sind es nur 21 Prozent.

Noch mehr Nesthocker als in Italien gibt es nur auf Malta: 73 Prozent der maltesischen Hochschüler genießen die Vorzüge des Elternhauses. In Skandinavien ist das Zu-Hause-Wohnen-Bleiben am wenigsten verbreitet: In Schweden, Norwegen, Dänemark und Finnland lebten zuletzt jeweils weniger als 13 Prozent der Studenten bei Mama und Papa. Viele skandinavische Akademiker in spe wohnen schon mit einem Partner und manchmal auch schon mit gemeinsamen Kindern unter einem Dach.

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