Interview Lesezeit 4 Min.

„It takes two to tango“

Seit vergangener Woche belegen die USA China mit Strafzöllen. Die EU ist davon zwar vorerst ausgenommen, bereitet sich aber trotzdem auf protektionistische Maßnahmen der US-Regierung vor. Wie, erläutert Jolana Mungengová, wissenschaftliche Mitarbeiterin der EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die EU diskutiert aktuell mehrere Optionen, um auf mögliche Strafzölle seitens der USA zu reagieren, sagt Jolana Mungengová, wissenschaftliche Mitarbeiterin der EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström.
  • Die Tür der EU für Handelsgespräche sei grundsätzlich immer offen, solange solche Gespräche offen, fair, regelgebunden und von gegenseitigem Nutzen sind.
  • Im Jahr 2018 soll der Ratifizierungsprozess der EU-Freihandelsabkommen mit Japan, Singapur und Vietnam beginnen. Gespräche mit Mexiko, dem Mercosur und Chile werden fortgesetzt und Verhandlungen mit Australien und Neuseeland angestrebt.
Zur detaillierten Fassung

Donald Trump belegt Europa vorerst doch nicht mit Strafzöllen, trotzdem hat Ihre Abteilung eine Liste mit Gegenzöllen für die USA in der Schublade. Gehört das zu den üblichen Drohgebärden der Handelsdiplomatie?

Die EU-Kommission muss im Fall der Fälle entschlossen und angemessen reagieren. Schließlich wollen wir das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit aufrechterhalten und unsere wirtschaftlichen und sozialen Interessen verteidigen.

Aktuell diskutieren wir mehrere Optionen. Die erste ist, dass wir unsere Rechte gegebenenfalls im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) verfolgen. Wir stimmen uns weltweit laufend mit verschiedenen Partnern ab, die ebenfalls von den US-Maßnahmen betroffen wären. Doch weil WTO-Verfahren Zeit brauchen, ziehen wir auch schnellere Maßnahmen in Betracht. So wird die EU-Kommission die Entwicklung auf den Stahl- und Aluminiummärkten genau beobachten und gegebenenfalls Maßnahmen zum Schutz des EU-Marktes vorschlagen.

Allerdings muss auch die Wurzel des Problems angepackt werden – die globalen Überkapazitäten in der Stahl- und Aluminiumproduktion. Aus diesem Grund appelliert die EU an alle Partnerstaaten, dieses Thema ausführlich auf den geeigneten Foren zu erörtern – etwa im Rahmen des Internationalen Stahlforums, der G-7 oder der G-20. Die EU-Kommission spricht das Thema auch in der trilateralen Kooperation mit den USA und Japan an.

Einfuhrzölle gegenüber einzelnen Ländern sind aber nicht WTO-konform.

In bestimmten Fällen sind Zölle gegenüber einzelnen Ländern zulässig. Die EU ist der Meinung, dass in diesem Fall das Vorgehen der USA darauf abzielt, die heimische Industrie zu schützen, und es nicht um die nationale Sicherheit geht, wie die Amerikaner behaupten. Daher wäre die EU den WTO-Regeln zufolge berechtigt, den durch die US-Maßnahmen erlittenen Schaden auszugleichen – auch durch die Rücknahme früher gewährter Zollerleichterungen.

Die EU wappnet sich für mögliche Strafzölle der USA. Grundsätzlich ist sie aber immer offen für Handelsgespräche, solange die Gespräche offen, fair, regelgebunden und von gegenseitigem Nutzen sind.

Trump betrachtet viele internationale Abkommen als nachteilig für die USA. Das transatlantische Handelsabkommen TTIP, das Zölle und nicht tarifäre Handelshemmnisse im großen Stil abgebaut hätte, müsste er also eigentlich begrüßen. Warum liegt es dennoch auf Eis?

Wir sind bereit, uns zusammen mit jedem unserer Partner für offene Märkte und faire Handelsbedingungen einzusetzen. Doch wie schon das Sprichwort sagt: „It takes two to tango.“ Bevor wir über die Wiederaufnahme der seit Herbst 2016 ruhenden Gespräche reden können, müssen wir klären, ob es eine ausreichende gemeinsame Grundlage gibt. Die Haltung der neuen US-Administration zum Klimawandel und vor allem die Entscheidung, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen, verkompliziert die Lage zusätzlich. Denn sie konterkariert das Ziel der EU, in Handelsabkommen hohe Umweltstandards zu verankern und damit die Nachhaltigkeit zu fördern.

Jolana Mungengová ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström; Foto: Lukasz Kobus Die Tür der EU für Handelsgespräche ist immer offen, solange solche Gespräche offen, fair, regelgebunden und von gegenseitigem Nutzen sind. Mit Japan und anderen Ländern gehen wir genau in diesem Sinne vor und wir hoffen, dass die USA eines Tages gewillt sind, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Die USA sind für Europa zwar ein wichtiger, aber nicht der einzige Handelspartner. Mit welchen anderen Ländern und Regionen verhandelt Brüssel aktuell Handelsabkommen?

Im Jahr 2018 werden wir hoffentlich den Ratifizierungsprozess der EU-Freihandelsabkommen mit Japan, Singapur und Vietnam beginnen können. Wir setzen die Gespräche mit Mexiko, dem Mercosur und Chile fort und hoffen, Verhandlungen mit Australien und Neuseeland starten zu können.

Wir sind außerdem entschlossen, alle unseren bestehenden Vereinbarungen zu implementieren oder in Kraft zu setzen – wie jene mit Südkorea und Kanada.

Auch die Türkei und Russland sind große, momentan aber auch schwierige Handelspartner für die EU. Welche Strategie verfolgen Sie gegenüber diesen beiden Ländern?

Die Zollunion mit der Türkei wollen wir um die Bereiche Dienstleistungen, öffentliche Beschaffung etc. erweitern, aber der Europäische Rat muss uns dafür noch das Mandat geben. Was Russland betrifft, sind seit 2014 Sanktionen seitens der EU und russische Gegenmaßnahmen in Kraft – da kann von Vertiefung erstmal keine Rede sein.

Zurück zu Donald Trump. Er kann Zölle einfach anheben, die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström muss sich dagegen zuerst mit allen Mitgliedsländern abstimmen. Wie handlungsfähig ist sie?

Die Handelspolitik ist alleinige Kompetenz der EU. Was die Rücknahme von Zugeständnissen an die USA betrifft, kann die Kommission angemessene Maßnahmen beschließen – im Einklang mit der Position des Komitees für Handelsbarrieren, das sich aus Vertretern der Mitgliedsstaaten zusammensetzt.

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