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Interview: „Viele Kaufinteressenten sind in Schockstarre“

Die hohe Inflation und die hohen Zinsen für Immobiliendarlehen führen dazu, dass in Deutschland weniger Wohnungen und Häuser gekauft werden. Um die Wohneigentumsquote zu fördern, plädiert IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer für Entlastungen, zum Beispiel bei der Grunderwerbsteuer.

Kernaussagen in Kürze:
  • Weil die Hypothekenzinsen demnächst sinken könnten, hält IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer es nicht für falsch, derzeit in puncto Immobilienkauf abzuwarten.
  • Wenn die Zinsen langfristig wieder sinken werden, würde das Wohnen im Eigentum auch wieder günstiger, so Voigtländer. Aktuell seien Mieten und Kaufen nämlich in etwa gleich teuer.
  • Um den Zugang zu Wohneigentum zu erleichtern, plädiert er für eine niedrigere Grunderwerbsteuer und für eigenkapitalersetzende Darlehen.
Zur detaillierten Fassung

Viele Kaufinteressenten warten derzeit ab. Ist das die richtige Strategie?

Die schnelle Veränderung der Rahmenbedingungen – die stark gestiegenen Zinsen und die vielen großen Unsicherheiten – lässt tatsächlich viele Interessenten in einer Schockstarre zurück. Ich glaube nicht, dass die Immobilienpreise deutlich sinken werden, aber möglicherweise tut sich etwas bei den Zinsen. Insofern ist es nicht unbedingt falsch, abzuwarten.

Ist diese Zurückhaltung beim Wohneigentumserwerb ein Problem?

Grundsätzlich sind Mieten und Kaufen Substitute, man kann beides machen. Aufgrund der Probleme in der Altersvorsorge wäre es jedoch sinnvoll, wenn mehr Menschen Wohneigentum erwerben würden, weil Eigentum ein Bestandteil der Altersvorsorge ist. Im Vergleich zu anderen Ländern stellen wir zudem fest, dass die Vermögensungleichheit in Deutschland höher ist – mehr Wohneigentum würde dazu beitragen, dass die Vermögen gleichmäßiger verteilt sind.

Wohneigentum stellt einen Schutz vor Mietsteigerungen dar. Außerdem würde mehr Wohneigentum dazu beitragen, dass die Vermögen in Deutschland gleichmäßiger verteilt sind.

Hinzu kommt, dass die Mieten im vergangenen Jahr stark gestiegen sind, vor allem in den Großstädten werden die Mieten aufgrund des knappen Angebots wahrscheinlich noch weiter steigen. Und Wohneigentum stellt einen Schutz vor Mietsteigerungen dar, denn für den Eigentümer sind die Wohnkosten aufgrund der langfristigen Hypothekenlaufzeiten ja fix.

In der Schweiz ist die Wohneigentumsquote noch niedriger als in Deutschland, da stört das offensichtlich niemanden …

Michael Voigtländer ist Leiter des Clusters Globale und regionale Märkte im Institut der deutschen Wirtschaft; Foto: IW Medien Das stimmt, das kann auch funktionieren und es hat ja auch bei uns sehr lange gut funktioniert. Wir haben in Deutschland aber im vergangenen Jahrzehnt den großen Fehler gemacht, dass nicht mehr Menschen die Chance ergriffen haben, Wohneigentum bei geringeren Kosten als heute zu bilden. Leider konnten viele Menschen dies mangels ausreichenden Eigenkapitals nicht tun. Momentan ist Mieten in etwa gleich teuer wie Kaufen, aber ich gehe davon aus, dass die Hypothekenzinsen langfristig wieder sinken werden. Dann wird das Wohnen im Eigentum wieder günstiger.

Normalerweise sinken die Preise, wenn die Nachfrage stagniert. Warum funktioniert dieser Mechanismus auf dem Immobilienmarkt derzeit nicht?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Zurzeit steigen die Mieten deutlich und wenn die Mieten steigen, trägt dies zu einer Preisentwicklung insgesamt bei. Zweitens gehen viele Marktakteure davon aus, dass die jetzige Zinssteigerung nur ein temporäres Phänomen ist und wenn die Inflation wieder sinkt, auch die Zinsen sinken werden. Die gestiegenen Zinsen sprechen also noch nicht dafür, dass die Preise nachgeben müssen.

Und ein dritter Faktor ist, dass die niedrigen Zinsen der vergangenen Jahre bei den Immobilienpreisen noch nicht vollständig angekommen waren, man aufgrund der Zinsentwicklung also sogar höhere Preise erwarten konnte. Das trägt dazu bei, dass der Markt nun nicht besonders schnell auf Zinssteigerungen reagiert.

Sie plädieren für neue Förderinstrumente. Welche?

Der Zugang zu Wohneigentum sollte wieder leichter werden, besonders für Selbstnutzer. Selbstnutzer können beispielsweise, anders als Kapitalanleger, die Erwerbsnebenkosten nicht von der Steuer absetzen. Deshalb sollten Selbstnutzer bei der Grunderwerbsteuer entlastet werden. Auch vergleichsweise günstige Maßnahmen wie eigenkapitalersetzende Darlehen halte ich für sinnvoll.

Ist die Grunderwerbsteuer zu hoch?

Definitiv! Für Selbstnutzer sollte sie sinken, diese Möglichkeit ist auch im Koalitionsvertrag so angelegt. Leider ist das bis jetzt noch nicht umgesetzt worden, denn diese Steuer steht den Ländern zu und die Bundesländer beharren auf dieser Einnahme.

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