Interview: „Ohne Recycling erreicht die E-Mobilität nicht ihr Ziel“
In wenigen Jahren werden Elektroautos zum normalen Straßenbild gehören. Doch mit der steigenden Nachfrage rückt nicht nur die Entsorgungsfrage von Batterien in den Fokus, auch der Bedarf an seltenen Rohstoffen wird künftig steigen. Wie durch ein konsequentes Batterierecycling Abhilfe geschaffen werden kann, erklärt Christian Hagelüken, Director EU Government Affairs beim Materialtechnologie- und Recyclingkonzern Umicore.
- Durch Recycling von Batterien aus Elektrofahrzeugen kann mit der Zeit ein immer größerer Bedarf an Rohstoffen gedeckt werden, sagt Christian Hagelüken im iwd-Interview.
- Doch die besten Recyclingverfahren nützen nichts, wenn wir vorher nicht umfassend Altprodukte sammeln, betont der Batterieexperte.
- Es muss außerdem sichergestellt werden, dass die Batterien auch wirklich mit modernen Verfahren recycelt werden und nicht irgendwo im Nirwana verschwinden.
Droht mit Blick auf die steigende Nachfrage von Batterien für Elektro-Fahrzeuge künftig ein massives Entsorgungsproblem?
Nein. Es gibt schließlich entsprechende Verfahren, mit denen die Rohstoffe aus den Batterien zurückgewonnen werden können. Das Entsorgungsproblem wird oft hochgespielt, aber eigentlich existiert es nicht. Batterien sind ein komplexes Produkt, aber dafür sind leistungsfähige Recyclingverfahren in der Entwicklung. Da ist in den vergangenen Jahren schon einiges passiert.
Kann Recycling auch den steigenden Bedarf an Rohstoffen wie Lithium, Kobalt oder Nickel decken?
Recycling allein wird den Rohstoffbedarf nicht decken können, vor allem nicht in der Markthochlaufphase. Erst mal müssen wir den Bestand an Batterien für die Elektroautos aufbauen, die jetzt auf die Straße kommen. Die Akkus halten recht lange, manchmal gibt es auch eine Zweitnutzung. Insofern wird das Recycling von Rohstoffen eher ein ergänzender Ansatz zu den Primärrohstoffen sein. Aber wenn wir das konsequent umsetzen, kann mit der Zeit ein immer größerer Bedarf durch Recycling gedeckt werden. Und das macht Europa auch unabhängiger von Rohstoffimporten.
Die besten Recyclingverfahren nützen nichts, wenn wir vorher nicht umfassend Altprodukte aus sammeln. Und wir müssen sicherstellen, dass sie im Anschluss mit modernen Verfahren recycelt werden und nicht irgendwo im Nirwana verschwinden.
Es gibt aber zum Beispiel noch eine große ungenutzte Quelle an Lithium-Ionen-Batterien: die portablen Batterien aus Handys, Laptops und anderen Geräten. Wenn diese Batterien aus Altgeräten weltweit umfassend gesammelt und hochwertig recycelt würden, ließen sich mit dem darin enthaltenen Kobalt bereits heute Batterien für drei bis vier Millionen Elektro-Fahrzeuge herstellen.
Das klingt so, als wäre das Recycling von Elektro-Batterien kein Problem.
Es ist im engeren Sinne auch kein technisches Problem. Es gilt vielmehr, jetzt eine Reihe von Herausforderungen in Angriff zu nehmen.
Welche? Und warum wird Recycling heute nicht längst umfangreicher durchgeführt?
In Bezug auf das Recycling der Batterien fängt es mit ganz praktischen Fragen an: Wie gut lassen sich Batterien aus Altautos entfernen? Wie gut kann dann das Gehäuse geöffnet werden, um die wichtigen Komponenten den Verfahren zuzuführen? Mal werden Batteriegehäuse verschweißt, mal geklebt, mal geschraubt. Es fehlen also gewisse Standardisierungen, welche die automatisierte Demontage erleichtern.
Die besten Recyclingverfahren nützen aber vor allem dann nichts, wenn wir vorher nicht umfassend Altprodukte aus Elektroautos, Laptops oder Smartphones möglichst vollständig sammeln. Und wir müssen sicherstellen, dass sie im Anschluss mit modernen Verfahren recycelt werden und nicht irgendwo im Nirwana verschwinden. Altautos werden beispielsweise aus Deutschland oft in andere Länder exportiert, wo es eben keine hochwertigen Recyclingverfahren gibt, um die Metalle effizient und umweltgerecht zurückzugewinnen.
Es scheitert heute in vielen Fällen daran, dass wir gar nicht mehr wissen, wo unsere Altprodukte eigentlich sind. Wir müssen die Kette also von Anfang an in den Griff bekommen, um sie bis zum Ende verfolgen zu können. Dafür kann auch der sogenannte Batteriepass ein wichtiges Tool sein.
Und die Kosten?
Sammel- und Recyclingkosten spielen eine Rolle: Gutes Recycling ist teurer als schlechtes. Auch das Erfassen von Batterien muss wirtschaftlicher werden. Dafür muss auch der Gesetzgeber die Weichen stellen, zum Beispiel mit Anreiz-, Leasing- und Pfandsystemen und einer leistungsfähigen Sammel-Infrastruktur.
In der aktuellen Batterierichtlinie ist bislang nur vorgeschrieben, dass 50 Prozent des Materials in den Akkus wiederverwendet werden müssen.
Das ist wenig zielführend, da es um die reine Masse geht. Der Kunststoff im Gehäuse hat bei der Wiederverwertung also genau den gleichen Stellenwert wie das auch ökologisch wertvollere Kobalt oder Lithium. Seit Anfang des Jahres liegt aber ein Entwurf für eine neue EU-Batterieverordnung vor. In diesem sind Mindest-Recyclingraten für Schlüsselrohstoffe vorgesehen, nämlich für Nickel, Kobalt, Kupfer und Lithium. Das ist ein richtiger und wichtiger Schritt. In der Circular Economy Initiative Deutschland, in der mehr als 50 Institutionen an einer zukunftsfähigen Kreislaufwirtschaft arbeiten, haben wir uns sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Wenn wir über Recycling reden, um den Rohstoffbedarf aus dem Bergbau herunterzufahren, heißt das nämlich, dass wir physische Kreisläufe schließen müssen: Kobalt oder Nickel müssen also in einer Reinheit zurückgewonnen werden, dass sie so, wie sie sind, wieder für Batterien oder vergleichbare Anwendungen eingesetzt werden können.
Ohne Recycling erfüllt Elektromobilität einfach nicht ihr Kernziel, nämlich den Beitrag zur CO2-Minderung
Das ist auch wichtig, wenn wir uns den Sinn der Elektromobilität vor Augen führen. Ohne Recycling erfüllt Elektromobilität einfach nicht ihr Kernziel, nämlich den Beitrag zur CO2-Minderung. Dazu gehört auch das Wissen, aus welchen Quellen die Rohstoffe kommen, wie die Umweltbelastung und die sozialen Bedingungen bei der Rohstoffgewinnung sind. Das klare Ziel in Europa muss der Aufbau einer starken Wertschöpfungskette für Batterien sein. Dafür sind die Kreislaufwirtschaft und das Recycling zentrale Komponenten.
Auf einer Skala von null bis zehn: Wie weit sind wir hierzulande mit dem E-Batterie-Recycling?
Von den technischen Möglichkeiten her sind wir bei sieben bis acht. Bei der Erfassung und hochwertigen Verwertung von Batterien sind wir bei etwa vier. Die zehn erreichen wir erst, wenn wir auf Gesetzgebungsseite die notwendigen Rahmenbedingungen, inklusive Vollzug, geschaffen haben und gleichzeitig die Akteure entlang des Lebenszyklus der Batterien neue Kooperationen im Sinne einer funktionierenden, systemisch optimierten Kreislaufwirtschaft entwickelt und verinnerlicht haben.