E-Autos starten durch
Die deutschen Autobauer haben den Einstieg in die Elektromobilität verschlafen, so heißt es immer wieder. Doch die Verkaufszahlen sprechen eine andere Sprache. Der Markt für E-Antriebe startete im Corona-Jahr 2020 durch – und die deutschen Hersteller waren mit dabei.
- Die E-Mobilität in Deutschland boomt.
- Innerhalb eines Jahres stieg die Zahl der Neuzulassungen von Elektroautos um mehr als 230 Prozent.
- Auch international gewinnen die deutschen Hersteller vielerorts Marktanteile.
Als Schlüsselbranche der deutschen Industrie muss und kann die Automobilbranche viel dazu beitragen, dass Europa der erste klimaneutrale Kontinent wird. Dieses Ziel hat die EU in ihrem Green Deal festgeschrieben – und für den europäischen Verkehrssektor heißt das, seine Treibhausgasemissionen bis 2050 um 90 Prozent zu senken.
Innerhalb eines Jahres stieg die Zahl der Neuzulassungen von Elektroautos in Deutschland um mehr als 230 Prozent.
Zusätzlich hat Deutschland das Ziel ausgegeben, den CO2-Ausstoß seines Verkehrssektors bis 2030 um rund 40 Prozent zu reduzieren – in ein paar Monaten wird die Bundesregierung dieses Ziel im Zuge des Green Deal aber noch deutlich verschärfen müssen.
Allein um das derzeitige nationale Emissionsziel zu erreichen, müssten unter anderem auf Deutschlands Straßen rund zehn Millionen Elektroautos fahren – aktuell zählt das Kraftfahrt-Bundesamt aber erst knapp 880.000 reine E-Autos und Plug-in-Hybride. Das heißt:
Derzeit haben E-Fahrzeuge nur einen Anteil von 1,2 Prozent am gesamten Fuhrpark in Deutschland.
Doch während der Bestand noch zu wünschen übrig lässt, gibt die Dynamik, mit der sich der Markt entwickelt, allen Grund zur Hoffnung:
Innerhalb eines Jahres stieg die Zahl der Neuzulassungen von Elektroautos in Deutschland um mehr als 230 Prozent auf knapp 66.000 im März 2021.
Damit kletterte der Elektroanteil an den Pkw-Neuzulassungen in einem weiterhin schwachen Gesamtmarkt auf 22,5 Prozent – wenn es so weitergeht, werden bis Mitte des Jahres eine Million Elektroautos in Deutschland unterwegs sein.
Entgegen vieler Unkenrufe sind die deutschen Hersteller dabei alles andere als nur Zuschauer (Grafik):
Anfang 2021 hatten deutsche Konzernmarken im eigenen Land einen Marktanteil von 72 Prozent an den Zulassungen von E-Autos – das war ein Plus von 9 Prozentpunkten binnen eines Jahres.
Der Erfolg der deutschen Hersteller beschränkt sich aber nicht auf den Heimatmarkt: Schon in den Jahren 2019 und 2020 stand der Volkswagen Konzern auf der Liste der Hersteller, die weltweit die meisten Elektroautos verkauft haben, hinter Tesla auf Position zwei. BMW rangierte in dieser Statistik auf Platz fünf, Mercedes folgte direkt dahinter.
Steigende Marktanteile im Ausland
In jüngster Zeit haben die deutschen Autobauer in fast allen wichtigen Absatzregionen der Welt sogar noch zugelegt. In Europa kommt inzwischen jedes zweite E-Auto aus deutschen Produktionsstätten, in den USA und in Japan ist das Niveau zwar wesentlich geringer, aber immerhin konnten VW, BMW und Co. ihre Marktanteile dort binnen eines Jahres mehr als verdoppeln.
Eine große Ausnahme ist China. Dort sank der Marktanteil der deutschen Konzerne an den Elektrozulassungen von 17 Prozent im Jahr 2020 auf 7 Prozent im Jahr 2021. Ein Grund dafür ist der Marktstart eines besonders günstigen Elektroautos aus chinesischer Produktion und die hohe Bedeutung des Staates als Nachfrager von Elektroautos in China.
Zurück zur Situation in Deutschland: Dass auf den hiesigen Straßen immer mehr E-Autos unterwegs sind, liegt nicht zuletzt daran, dass die meisten Käufer ihre Wagen derzeit zu Hause oder auf der Arbeit laden können. Genau das ist aber auch ein potenzieller Flaschenhals, denn E-Autos können nur dann zum Massenprodukt werden, wenn alle Autofahrer sie nutzen können – und dafür braucht es ein dichtes Netz an öffentlichen Ladestationen.
Tatsächlich ist auch hier in den vergangenen Jahren einiges in Bewegung gekommen. Zählte Deutschland im Jahr 2012 nur 1.500 Stationen, an denen E-Autos mit weniger als 22 Kilowatt Ladeleistung betankt werden konnten, waren es 2020 schon mehr als 37.200, also fast 25-mal so viele. Noch größer war der Zuwachs bei den Schnellladepunkten mit mehr als 22 Kilowatt – aus einst 18 Stationen sind mittlerweile fast 7.500 geworden.
Auch im europäischen Vergleich kann sich die deutsche Ladeinfrastruktur inzwischen sehen lassen (Grafik):
Mit insgesamt fast 45.000 Ladepunkten lag Deutschland 2020 hinter den Niederlanden und Frankreich auf Platz drei der 27 EU-Mitgliedsstaaten.
Bei den Schnellladepunkten rangierte die Bundesrepublik sogar auf Platz eins und hatte doppelt so viele Stationen wie das zweitplatzierte Frankreich. Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass die deutsche öffentliche Ladeinfrastruktur noch nicht ausreicht. Ohne einen weiteren massiven Ausbau bleibt der potenzielle Nutzerkreis von E-Autos auf Garagenbesitzer beschränkt – denn tatsächlich finden heute rund 80 Prozent der Ladevorgänge an nicht öffentlichen Ladepunkten statt.
Produktion von Batteriezellen wächst
Ein weiterer Grund, die Zukunft der deutschen E-Mobilität optimistisch zu sehen, ist der Ausbau der Batteriezellfertigung. Drei Beispiele:
Great Wall Motors, ein chinesischer Automobilhersteller, baut im Saarland zwei Zellfabriken mit einer Produktionskapazität von 24 Gigawattstunden (GWh), das entspricht Batterien für 300.000 bis 500.000 E-Fahrzeuge pro Jahr.
Die VW Group hat 2019 mit der schwedischen Northvolt AB ein Joint Venture gegründet, um Lithium-Ionen-Batterien herzustellen. Ab 2023/2024 soll die Produktionskapazität 16 GWh betragen und später auf 24 GWh ausgebaut werden.
Contemporary Amperex Technology, ein chinesischer Batteriehersteller, ist Weltmarktführer in der Entwicklung von Lithium-Ionen-Batterien und errichtet im thüringischen Arnstadt sein erstes Werk in Europa. Ab 2022 soll dort eine Produktionskapazität von 14 GWh zur Verfügung stehen, geplant ist ein Ausbau auf 100 GWh.